Keine Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten

Steuerschulden, die als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, können nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnet werden.

Hintergrund: Aufrechnung mit als Masseverbindlichkeiten entstandenen Steuerschulden

Über das Vermögen des Schuldners (S) wurde in 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Für 2008 entstand aufgrund der Verwertung von Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter ESt, die aus der Masse nicht bezahlt wurde. In 2013 wurde das Insolvenzverfahren eingestellt und dem S Restschuldbefreiung erteilt. In 2015 setzte das FA für 2013 ESt fest. Aufgrund von Vorauszahlungen und einbehaltener LSt führte die Festsetzung zu einem Erstattungsanspruch. Diesen verrechnete das FA mit der noch offenen Forderung aus ESt 2008 und erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.
Das FG gab der Klage gegen den Abrechnungsbescheid statt. Das Verfügungsrecht des Insolvenzverwalters sei auf die zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstände beschränkt. Er könne den Insolvenzschuldner im Hinblick auf dessen insolvenzfreies Vermögen nicht verpflichten. Die Steuerforderung gegen S sei mit der Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners behaftet, was eine Aufrechnung ausschließe. 

Entscheidung: Masseverbindlichkeiten fallen nicht unter die Restschuldbefreiung

Der BFH stellt zunächst klar, dass die Forderung des FA auf ESt aus 2008 als Masseverbindlichkeit nicht unter die Restschuldbefreiung fällt. Die Restschuldbefreiung wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger, das sind alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Der anspruchsbegründende Tatbestand muss also bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein. Masseverbindlichkeiten werden daher nach dem eindeutigen Wortlaut des § 301 InsO von der Restschuldbefreiung nicht erfasst. Die Reichweite der Restschuldbefreiung ist gesetzlich vorgegeben und kann nicht unter Hinweis auf die allgemeine Zielsetzung der InsO ausgedehnt werden.

Keine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners  

Der Bundesgerichtshof (BGH) geht allerdings von einer Haftungsbeschränkung des Insolvenzschuldners für Masseverbindlichkeiten aus, die nach Insolvenzeröffnung durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet wurden. Da sich die Tätigkeit des Verwalters auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beschränke, könne eine Haftung des gesamten Vermögens des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht begründet werden. Die Beschränkung der Schuldnerhaftung auf die Restmasse sei für die Massegläubiger nicht unzumutbar. Diese Betrachtung lässt sich indes nach Auffassung des BFH nicht auf Steuerschulden übertragen. Die Steuer knüpft nur mittelbar an Handlungen des Insolvenzverwalters an. Deshalb kann es für die Frage, mit welchem Vermögen der Schuldner nach Abschluss des Insolvenzverfahrens für noch bestehende Steuerschulden einstehen muss, nicht auf die Reichweite der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters ankommen. Der BFH hob daher das entgegenstehende FG-Urteil auf und wies die Klage ab.

Hinweis: Aufrechnungsbefugnis des FA 

Die Entscheidung schafft Klarheit in beiden Fragen: Masseverbindlichkeiten werden – dies hatte der BGH bislang offen gelassen – nicht von der Restschuldbefreiung (§ 301 InsO) erfasst. Die vom BGH und dem überwiegenden Teil des insolvenzrechtlichen Schrifttums aus § 80 Abs. 1 InsO abgeleitete Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners ist für Steuerschulden für die Zeit nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht anzuerkennen.

BFH, Urteil v. 28.11.2017, VII R 1/16; veröffentlicht am 7.3.2018

Alle am 7.03.2018 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen

Schlagworte zum Thema:  Abrechnung, Aufrechnung, Insolvenz, Steuerschuld