Keine Restschuldbefreiung bei Steuerstraftaten

Das FA darf bei Anmeldung einer Steuerforderung zur Tabelle feststellen, dass eine rechtskräftige steuerstrafrechtliche Verurteilung vorliegt. Die Feststellung darf sich auch auf den Zinsanspruch beziehen, selbst wenn die Verurteilung nicht wegen der Zinsen erfolgt ist.

Hintergrund: Insolvenzforderung nach Strafbefehl wegen USt-Hinterziehung

Die Unternehmerin U gab ihre USt-Erklärungen nicht oder erst verspätet ab. Nach einer Außenprüfung setzte das FA die USt bestandskräftig fest. Im Verlauf der Außenprüfung hatte das FA ein Steuerstrafverfahren gegen U eingeleitet und das Amtsgericht (AG) erließ im Juni 2012 einen Strafbefehl wegen USt-Hinterziehung, gegen den U keinen Einspruch einlegte. In dem Strafbefehl wurde nur die hinterzogene USt – ohne Zinsen - angegeben. U wurde verwarnt und die Festsetzung einer Geldstrafe auf Bewährung für zwei Jahre vorbehalten. Nach Ablauf der Frist im Juni 2014 stellte das AG fest, dass es mit der Verwarnung sein Bewenden habe.

In 2015 eröffnete das AG auf Antrag der U – verbunden mit einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung – das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. Das FA meldete die offenen USt-Forderungen (einschließlich Zinsen) zur Tabelle an und fügte den Strafbefehl bei. Das FA stützte sich dabei auf § 174 Abs. 2 InsO. Danach sind bei der Anmeldung auch die Tatsachen anzugeben, aus denen sich ergibt, dass der Forderung eine Steuerstraftat (u.a. Steuerhinterziehung nach § 370 AO) des Schuldners zugrunde liegt. Diese Angaben haben zur Folge, dass die Forderung nach § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist, wenn der Schuldner wegen der Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Insolvenzverwalter stellte die Forderungen wie angemeldet fest. Als U der Ausnahme von der Restschuldbefreiung widersprach, erließ das FA einen Feststellungsbescheid, mit dem es die USt-Forderungen einschließlich Zinsen als Insolvenzforderungen i.S.v. § 174 Abs. 2 InsO feststellte.

Das FG gab der Klage der U gegen den Feststellungsbescheid insoweit statt, als das FA auch die Zinsen in die Feststellung zum Rechtsgrund der Steuerhinterziehung einbezogen hatte. Dagegen legten sowohl U als auch das FA Revision ein. U meinte, bei einem Schuldspruch mit Strafvorbehalt liege keine Verurteilung, sondern lediglich eine Verwarnung vor, so dass keine Forderung i.S.v. § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO zugrunde liege. Außerdem sei, da sie sich bewährt habe, die Verurteilung weggefallen. Das FA trug vor, entgegen der Auffassung des FG sei für das Erfordernis der Verurteilung wegen einer Steuerstraftat eine Verurteilung auch hinsichtlich der Nebenleistungen (Zinsen) nicht erforderlich.

Entscheidung: Auch die Zinsen sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen. 

Auf das Bestreiten der Forderung durch U konnte das FA einen Feststellungsbescheid erlassen (§ 251 Abs. 3 AO). Ferner hat das FA zutreffend eine rechtskräftige Verurteilung auch hinsichtlich der Zinsen angenommen. Da U gegen den Strafbefehl keinen Einspruch eingelegt hat, steht dieser einem rechtskräftigen Strafurteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Dagegen spricht nicht, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungsfrist verstrichen war. Denn trotz Tilgung der Eintragung im Bundeszentralregister liegt weiterhin eine Verurteilung nach § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO vor.

Keine Bagatellgrenze für die Restschuldbefreiung

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert keine einschränkende Auslegung des § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO. Die Regelung sieht keine Bagatellgrenze oder Mindeststrafe vor. Auch geringfügige Pflichtverletzungen führen daher zu einer Versagung der Restschuldbefreiung.

Die Restschuldbefreiung greift nicht für die Zinsen

Entgegen der Auffassung des FG sind auch die Zinsen zu berücksichtigen. Auch wenn die Zinsen in dem Strafbefehl nicht aufgeführt sind, fallen sie unter § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO. Das ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut. Denn zu den "Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis" (§ 302 Nr. 1 3. Alt. InsO) gehören nach § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO nicht nur der Steueranspruch selbst, sondern auch die steuerlichen Nebenleistungen wie Verzögerungsgelder, Säumniszuschläge, Zwangsgelder und Zinsen. Durch die Formulierung "sofern der Schuldner in Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist" sollen auch Nebenleistungen berücksichtigt werden.

Hinweis: Die Restschuldbefreiung umfasst nicht die steuerlichen Nebenleistungen

Im Schrifttum wird z.T. vertreten, dass die insolvenzrechtliche Nachhaftung nur für hinterzogene Steuern bestehen bleibt und andere Geldforderungen (wie z.B. hier die Zinsen) auf hinterzogene Steuern von der Restschuldbefreiung erfasst werden. Mit der Entscheidung hat der BFH die Frage dahin geklärt, dass die Restschuldbefreiung nicht so weit greift. Gewisse Bedenken gegen die Entscheidung könnten allerdings insoweit bestehen, als der BFH einen Strafbefehl als "Verurteilung wegen einer Steuerstraftat" i.S.v. § 302 Nr. 1 3. Alt. InsO ansieht. Denn anders als ein Strafurteil, das nur ergehen kann, wenn der Strafrichter vom Vorliegen einer Steuerstraftat tatsächlich überzeugt ist, kann ein Strafbefehl bereits ergehen, wenn der Richter den Angeschuldigten lediglich für "hinreichend verdächtig" hält (§ 408 Abs. 2 StPO). 

BFH, Urteil v. 7.8.2018, VII R 24, 25/17, veröffentlicht am 7.11.2018.

Schlagworte zum Thema:  Bagatellgrenze, Insolvenz, Steuerhinterziehung