Häusliches Arbeitszimmer eines Selbstständigen

Einem Selbstständigen steht in seiner Praxis nur dann ein anderer Arbeitsplatz "zur Verfügung", wenn die Erledigung der Büroarbeiten in den Praxisräumen aufgrund der konkreten Umstände zumutbar ist.

Hintergrund: Häusliches Arbeitszimmer neben eigener Praxis

Der selbstständig tätige Logopäde (L) unterhielt in den Streitjahren 2010 bis 2012 zwei Praxen in angemieteten Räumen, die weit überwiegend von seinen vier Angestellten genutzt wurden. In seinen Gewinnermittlungen machte er die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in seiner Privatwohnung geltend. Das FA meinte, die Arbeitszimmerkosten (rund 300 bis 900 EUR pro Jahr) könnten nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, da L in seinen Praxisräumen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. L wandte ein, die Praxisräume ständen ihm nicht zur konkreten Erledigung aller beruflichen Schreibtischtätigkeiten zur Verfügung. Denn dort würden Behandlungen durchgeführt und die taggenauen Patientenabrechnungen müssten von ihm auch während der Behandlungszeiten erledigt werden. Außerdem seien dort vertrauliche Daten dem Zugriff der Mitarbeiter ausgesetzt und es sei nicht zumutbar, die Büroarbeiten stets nach Dienstschluss zu erledigen. Das FG folgte diesen Gründen und gab der Klage statt. Mit der Revision brachte das FA vor, verwaltungstechnische Arbeiten würden regelmäßig außerhalb der Praxisöffnungszeiten durchgeführt und L habe nach Feierabend und am Wochenende ein Schreibtisch in den Praxen zur Verfügung gestanden.

Entscheidung: Der andere Arbeitsplatz muss zumutbar sein

Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nur abziehbar, wenn für die betriebliche/berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). Der Abzug ist grundsätzlich auf 1.250 EUR begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Diese Ausnahme greift im Streitfall nicht ein, da der berufliche Mittelpunkt des L unstreitig in seinen Praxen und nicht im häuslichen Arbeitszimmer lag und seine Aufwendungen die Grenze von 1.250 EUR nicht erreichten.

Ein "anderer Arbeitsplatz" ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist, selbst wenn der Raum mit weiteren Personen geteilt wird. Der Arbeitsplatz muss aber so beschaffen sein, dass der Betreffende auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist. Der Arbeitsplatz muss in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzbar sein. Ist die Nutzung dagegen so eingeschränkt, dass der Steuerpflichtige einen (nicht unerheblichen) Teil seiner beruflichen Tätigkeit dort nicht verrichten kann, sondern auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen ist, kommt das Abzugsverbot nicht zum Tragen.

Anhaltspunkte für die Nutzbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes können sich einerseits aus der Beschaffenheit des Betriebs-Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung usw.) und andererseits aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung der Betriebsräume, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes, Zugang zum Gebäude usw.) ergeben. Ein häusliches Arbeitszimmer ist dann nicht erforderlich, wenn es dem Selbstständigen zumutbar und aufgrund der räumlichen Situation auch möglich ist, in den Betriebsräumen einen büromäßigen Arbeitsplatz einzurichten. Die Unzumutbarkeit ergibt sich nicht bereits daraus, dass der Steuerpflichtige nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet, die er auch an dem anderen Arbeitsplatz im Betrieb verrichten könnte.

Hiervon ausgehend bestätigte der BFH die Auffassung des FG und wies die Revision des FA zurück. Wegen der Nutzung der Praxisräume durch die Angestellten und der Vertraulichkeit der Unterlagen waren die Praxisräume für L nur eingeschränkt nutzbar. Aufgrund der Größe der Räume und des offenen Praxiskonzepts war es für ihn auch nicht zumutbar, einen separaten Arbeitsplatz oder Raum zur ausschließlichen Nutzung für sich einzurichten.

Hinweis: Unterschied zum Arbeitnehmer

Der BFH betont dass auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Ein anderer Arbeitsplatz steht nur dann zur Verfügung, wenn die konkret durchgeführten Tätigkeiten in den tatsächlich nutzbaren Räumlichkeiten in zumutbarer Weise verrichtet werden können. Dabei besteht ein Unterschied zwischen Arbeitnehmer und Selbstständigen. Der Arbeitnehmer ist regelmäßig in der Ausgestaltung seines Arbeitsplatzes nicht frei und kann dort üblicherweise nur während der Bürozeiten Arbeiten verrichten. Anders ist es beim Selbstständigen, der die Einrichtung seiner Betriebsräume und deren Nutzung auch außerhalb der Bürozeiten grundsätzlich selbst bestimmen kann. Im Regelfall wird der Selbstständige seinen Betrieb so organisieren können, dass ihm dort jederzeit ein tauglicher Schreibtisch zur Verfügung steht.

Insofern handelt es sich im Streitfall um eine Ausnahme. Aufgrund des offenen Praxiskonzepts bzw. Zuschnitts der Räume und der Nutzung durch die Angestellten für die laufenden Behandlungen sowie der Vertraulichkeit der Unterlagen und des Umstands, dass L wegen der Zeitgebundenheit der Büroarbeiten (taggenaue Patientenabrechnungen) diese während der Praxisöffnungszeiten erledigen musste und nicht erst nach Feierabend ausführen konnte, stand ihm neben seinem häuslichen Arbeitszimmer kein anderer Arbeitsplatz in den Praxen zur Verfügung. Aus der Entscheidung ergibt sich im Übrigen, dass vom Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes im Betrieb nicht nur dann auszugehen ist, wenn dieser dort tatsächlich eingerichtet ist, sondern auch dann, wenn er in zumutbarer Weise dort geschaffen werden könnte.

BFH, Urteil v. 22.2.2017, III R 9/16, veröffentlicht am 19.4.2017

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