Grunderwerbsteuer bei Änderung des Gesellschafterbestands

Bei engen schuldrechtlichen Bindungen kann der Anteil des unmittelbar Beteiligten dem Neugesellschafter zuzurechnen sein mit der Folge, dass die zur Besteuerung führende 95 %-Grenze überschritten ist. 

Hintergrund

An der K-KG waren A und B als Kommanditisten beteiligt. Komplementärin ohne Kapitalanteil war die A-GmbH, deren Gesellschafter A und B waren. Mit Vertrag vom Oktober 2000 veräußerte A seinen gesamten KG-Anteil an die X-Ltd. Ebenso veräußerte B ihren Anteil an X, jedoch mit Ausnahme eines ihr verbliebenen Restanteils von 5,6 %. Im selben Vertrag veräußerten A und B auch ihre Geschäftsanteile an der A-GmbH an X. X erlangte somit zivilrechtlich lediglich eine unter der 95 %-Grenze liegende Beteiligung von 94,6 %. Für den Restanteil wurde X jedoch eine jederzeit ausübbare Kaufoption mit fest vereinbartem Kaufpreis eingeräumt. Bei Nichtgebrauch der Option konnte B von X entsprechend den Erwerb verlangen.

Das FA ging von einem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang aus, da der Gesellschafterbestand vollständig gewechselt habe, und zwar unmittelbar zu 94,4 % und mittelbar zu 5,6 %. Das FG nahm dagegen wegen Unterschreitung der Besteuerungsgrenze eine gesetzlich zulässige Gestaltung an.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG. Er teilt den strengeren Rechtsstandpunkt des FA.

Entscheidend ist, ob der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 95 % auf neue Gesellschafter übergegangen ist (§ 1 Abs. 2a GrEStG). Hinsichtlich der 94,4 %-igen Beteiligung liegt ein unmittelbarer Wechsel vor. Insoweit ist die zivilrechtliche Lage entscheidend. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielen dabei keine Rolle.

Die mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand entscheidet sich dagegen nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Denn mit der ausdrücklichen Aufnahme mittelbarer Änderungen in den gesetzlichen Tatbestand (ab 2000) soll verhindert werden, dass Gesellschafter mittelbar Anteile erwerben und dadurch die Besteuerung umgehen. Der BFH vertritt hierzu die Auffassung, dass sich eine solche mittelbare Beteiligung nicht nur aus einer Veränderung der Beteiligungsverhältnisse ergeben kann, sondern auch aus schuldrechtlichen Bindungen des unmittelbar Beteiligten, die zur Folge haben, dass dessen Anteil einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist. Der Dritte wird dann wie ein neuer Gesellschafter behandelt und sein Anteil wird ihm wie ein zivilrechtlicher Anteil zugerechnet.

Für die Zurechnungsentscheidung verweist der BFH auf die Grundsätze, die für die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 AO entwickelt wurden. Allein die Einräumung einer Kaufoption oder - wie im Streitfall - einer Doppeloption mit Ankaufsrecht einerseits und Andienungsrecht andererseits genügt dafür allerdings nicht. Wirtschaftliches Eigentum liegt in diesen Fällen nur vor, wenn der Anteilskäufer

  • eine rechtlich gesicherte Position erworben hat und
  • die mit dem Anteil verbundenen Rechte sowie
  • das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.    

Nach diesen Grundsätzen bejahte der BFH für den Streitfall eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands der KG. Aufgrund des Optionsrechts hat X eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Restanteils gerichtete Rechtsposition erlangt. Da der Kaufpreis fest vereinbart war, sind alle Risiken und Chancen künftiger Wertänderungen und mit der Abtretung der zukünftigen Gewinne auch alle wesentlichen Rechts als Gesellschafter auf B übergegangen. Dem bei B verbliebenen Stimmrecht kam demgegenüber keine Bedeutung mehr zu.

Der BFH musste die Sache an das FG zurückverweisen. Dieses muss noch feststellen, zu welchem Zeitpunkt der Gesellschafterwechsel eingetreten ist und mit welchem Wert der Grundbesitz auf diesen Stichtag festzustellen ist. 

Hinweis

Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Es dürfte jedenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden sein, wenn Verträge unterhalb der 95 %-Grenze abgeschlossen werden und eine Option für den Restanteil eingeräumt wird. Denn die Besteuerung setzt die Kriterien für wirtschaftliches Eigentum voraus. Der BFH betont jedoch, dass entscheidend dafür auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist. Bei dieser Gesamtbetrachtung kann die wirtschaftliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts auch dann anzunehmen sein, wenn die für wirtschaftliches Eigentum regelmäßig zu stellenden Anforderungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind.

Ergänzend weist der BFH darauf hin, dass entsprechend den koordinierten Ländererlassen die Festsetzungen der GrESt im Hinblick auf die Grundbesitzwerte vorläufig durchgeführt werden. 


Dr. Ulrich Dürr