Organ einer Kapitalgesellschaft kann ständiger Vertreter sein
Hintergrund: Kann ein Organ einer Kapitalgesellschaft zugleich deren ständiger Vertreter i.S. des § 13 AO sein?
Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft zugleich ständiger Vertreter i.S.v. § 13 AO sein kann. Bejaht man diese Frage, führt dies zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht des ausländischen Unternehmens, selbst wenn dieses im Inland keine Betriebsstätte unterhält.
Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts betreibt Handel mit Dental-Altgold
Klägerin ist eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts. In den Streitjahren 2001 bis 2007 betrieb sie u.a. den Handel mit Dental-Altgold. Diese Tätigkeit zeichnete sich dadurch aus, dass die Klägerin von zumeist deutschen Kunden (Zahnlabore u.Ä.) oder Zwischenhändlern Gold erwarb und dieses sodann an Scheideanstalten veräußerte.
Eine Wohnung des Geschäftsführers befindet sich in einem Haus in einer deutschen Grenzgemeinde
In den Büroräumen der Klägerin in Luxemburg befanden sich u.a. ihre Geschäftsunterlagen und ein Tresor für das Gold. Von dort aus wurden auch die Geschäfte durch den damaligen Mehrheitsgesellschafter und Alleingeschäftsführer M geleitet. M hatte unter der Büroanschrift der Klägerin auch eine Wohnung, die er ständig benutzte. Eine weitere Wohnung befand sich aber nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt in einem Haus in der deutschen Grenzgemeinde X. Die deutsche Wohnung nutzte er zusammen mit seiner damaligen Ehefrau.
Finanzamt bejaht die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht der AG
Das Finanzamt vertrat im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung die Auffassung, dass die AG in den Streitjahren beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gewesen sei. M sei durch seine regelmäßigen geschäftlichen Aktivitäten für die AG, die er in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland), u.a. auch in der Wohnung in X ausgeübt habe, ständiger Vertreter i.S. des § 13 AO gewesen. Dies löse nach § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht aus.
FG ist anderer Auffassung
Das FG Rheinland-Pfalz folgte dem nicht. Es ging in seinem Urteil davon aus, dass M als Organ einer Kapitalgesellschaft in dieser Eigenschaft nicht ständiger Vertreter sein könne. Das Finanzamt rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 13 AO. Da durch die Tätigkeit des M zugleich eine Vertreterbetriebsstätte i.S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des DBA-Luxemburg 1958/1973 begründet worden sei, habe Deutschland auch das Recht zugestanden, die Betriebsstätteneinkünfte zu besteuern.
Entscheidung: Revision des Finanzamts ist begründet
Der BFH hält die Revision des Finanzamts für begründet. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft nicht Vertreter i.S. des § 13 AO sein kann.
Nach der Legaldefinition des § 13 Satz 1 AO ist ständiger Vertreter i.S. der §§ 2 Nr. 1 KStG, 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 AO können nach dem Wortlaut des Gesetzes auch von Personen erfüllt werden, die in ihrer Eigenschaft als Organ einer juristischen Person tätig sind.
§ 13 Satz 1 AO setzt ein Unternehmen und einen Vertreter voraus. Der Inhaber des dort genannten Unternehmens kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zugleich sein eigener (ständiger) Vertreter sein. Der Vertreterbegriff verlangt, dass der Vertreter anstelle des Unternehmers Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb anfallen. Erforderlich ist demnach die Personenverschiedenheit von Unternehmer und (ständigem) Vertreter. Aus dieser zu einem Einzelunternehmer ergangenen Rechtsprechung kann nicht gefolgert werden, dass es im Falle der Tätigkeit des Organs einer juristischen Person an dieser Personenverschiedenheit fehlt. Diese Ansicht stützt sich auf die zivilrechtliche Qualifikation des Organhandelns, nach der das Handeln der Organe der juristischen Person wie Eigenhandeln zugerechnet wird. Die von § 13 Satz 1 AO weiter vorausgesetzte Geschäftsbesorgung erfasst begrifflich auch die geschäftsführenden Tätigkeiten eines Organs.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG, das unausgesprochen den Typenvergleich zwischen der luxemburgischen Klägerin und einer der in § 1 KStG genannten Körperschaften bisher bejaht hat, weitere Feststellungen zur Frage der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht zu treffen haben. Sodann wird das FG der Frage nachzugehen haben, ob und inwieweit das DBA-Luxemburg 1958/1973 den deutschen Besteuerungszugriff begrenzt.
Hinweis: Bedeutung des Urteils für im Ausland ansässige Kapitalgesellschaften
Das Urteil hat vor allem Bedeutung für im Ausland ansässige Kapitalgesellschaften ohne deutsche Betriebsstätte, deren Geschäftsführer sich nachhaltig im Inland aufhalten, um z.B. Kaufs- und Verkaufsgeschäfte zu tätigen.
BFH Urteil vom 23.10.2018 - I R 54/16 (veröffentlicht am 17.04.2019)
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