Fahrtaufwendungen bei Ausbildungsdienstverhältnis

Eine vom Arbeitgeber getragene Fachschule auf dem Betriebsgelände ist - anders als eine private Lerngemeinschaft - regelmäßige Arbeitsstätte.

Hintergrund

Das Urteil ist zum Kindergeld ergangen, hat aber allgemeine Bedeutung für den Anwendungsbereich der Entfernungspauschale. Der BFH hatte zu entscheiden, ob für den Kindergeldanspruch im Rahmen der Berechnung der bis 2011 maßgeblichen Grenze der Einkünfte/Bezüge des Kindes die Fahrtkosten mit der Entfernungspauschale oder nach Dienstreisegrundsätzen anzusetzen sind, wenn die Ausbildungs-Beschäftigung sowie die schulische Ausbildung und auch eine private Lerngemeinschaft am selben Ort stattfinden.

X befand sich in 2011 in einem dualen Ausbildungsverhältnis zur Krankenpflegerin. Der praktische Teil der Ausbildung fand im Klinikum statt, mit dem der Ausbildungsvertrag geschlossen wurde. Der theoretische Teil wurde in der 200 m vom Klinikum entfernten Berufsfachschule vermittelt. X fuhr in 2011 an 143 Tagen zum Klinikum, an 77 Tagen zur Berufsfachschule und an 15 Tagen zu einer Lerngemeinschaft im Wohnheim des Klinikums.

Die Familienkasse setzte für die Fahrten lediglich die Entfernungspauschale an. Damit war der Jahresgrenzbetrag von 8.004 EUR überschritten und der Kindergeldanspruch hinfällig. Ebenso entschied das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Die Aufwendungen für die Fahrten zum Klinikum sind nur mit der Entfernungspauschale abzusetzen. Eine Ausbildungsstätte kann im Rahmen eines Dienstverhältnisses bei beruflichen Lehrgängen, Ausbildungsverhältnissen, Abordnungen oder Fortbildungsmaßnahmen den Charakter einer regelmäßigen Arbeitsstätte haben, wenn es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt und der Arbeitnehmer diese dauerhaft, d.h. über einen längeren Zeitraum aufsucht. Anders ist es nur, wenn eine berufliche Bildungsmaßnahme außerhalb eines Dienstverhältnisses durchgeführt wird. Dementsprechend war das Klinikum regelmäßige Arbeitsstätte. Es bildete den Kern des gesamten Ausbildungsverhältnisses, so dass es sich als ortsgebundener Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der X darstellte.

Auch die Fahrten von der Wohnung zur Berufsfachschule sind nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen. Zum einen handelte es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers. Zum anderen befand sich die Schule innerhalb eines zusammenhängenden Geländes des Arbeitgebers. Auch ein größeres räumlich geschlossenes Gebiet kann regelmäßige Arbeitsstätte sein.

Anders verhält es sich mit den Fahrten zur Lerngemeinschaft im Wohnheim des Klinikums. Hierbei handelte es sich nicht um eine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung in einer arbeitgebereigenen Bildungseinrichtung, sondern um eine zwar beruflich veranlasste, aber außerhalb des Dienstverhältnisses durchgeführte Veranstaltung. Dass sich das Wohnheim auf dem Klinikgelände befindet, ist unerheblich. Denn der Begriff der Arbeitsstätte ist nur erfüllt wenn es sich um eine im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrachte Leistung handelt. Das liegt hier nicht vor, da in soweit kein Direktionsrecht des Arbeitgebers besteht.

Da sich auch bei einer Verdoppelung der für die private Lerngemeinschaft angesetzten Fahrtkosten (2 x 0,30 EUR/km statt 1 x 0,30 EUR/km) eine Überschreitung des Grenzbetrags ergab, musste die Revision zurückgewiesen werden.

Hinweis

Die Entscheidung ist auch für die neue Rechtslage ab 2014 bedeutsam, d.h. nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts v. 20.2.2013 (BGBl I, 2013, 285). Der Begriff "regelmäßige Arbeitsstätte" wurde durch das Merkmal "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt. Von einer dauerhaften Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte ist danach u.a. dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer "für die Dauer des Dienstverhältnisses" an dieser Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Wie der BFH ausführt, ist dementsprechend der Ausbildungsbetrieb stets erste Tätigkeitsstätte, auch wenn das Ausbildungsdienstverhältnis naturgemäß befristet ist.

Nach der Neuregelung gilt als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses vollzeitig aufgesucht wird. Auch hier ist nur der Abzug der Entfernungspauschale möglich. Anders ist es jedoch, wenn eine Bildungseinrichtung (voll- oder teilzeitig) im Rahmen eines Dienstverhältnisses besucht wird. Das kann allerdings nicht gelten, wenn die Bildungseinrichtung - wie im Streitfall - innerhalb des örtlichen Bereichs der ersten Tätigkeitsstätte liegt.

Für den Sachverhalt des vorliegenden Urteils ist somit durch die Neuregelung keine Änderung eingetreten. Das gilt auch für die Fahrten zur privaten Lerngemeinschaft. Da es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung handelt, stellt sie keine erste Tätigkeitsstätte dar.

Urteil v. 10.4.2014, III R 35/13, veröffentlicht am 9.7.2014

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