Ehegattenfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige
Hintergrund: Nichtanwendung des Ehegattenfreibetrags für beschränkt steuerpflichtige Personen - Unionsrechtswidrig?
Eine Steuerpflichtige ist Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. In einem Erbvertrag hatten sie und ihr Ehemann vereinbart, dass sie im Falle des Vorversterbens ihres Ehemannes aus dessen Vermögen eine Reihe näher bezeichneter Vermögenswerte als Vermächtnis erhalten solle. Dazu gehörten Aktien einer in der Schweiz ansässigen AG, Bankguthaben bei einer Schweizer Bank sowie Grundstücke in der Schweiz und in Deutschland. Der Ehemann hatte seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt ebenfalls in der Schweiz.
Der Ehemann der Steuerpflichtigen verstarb am 30.5.2010. Aufgrund des Erbvertrags erhielt die Steuerpflichtige die vermachten Gegenstände. Das Finanzamt setzte gegen die Steuerpflichtige für den Erwerb von Todes wegen nach ihrem verstorbenen Ehemann Erbschaftsteuer fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag in Höhe von 27.811 EUR. Die Höhe dieses Freibetrags ermittelte das Finanzamt, indem es den Ehegattenfreibetrag von 500.000 EUR nur im Verhältnis des inländischen Erwerbs zum Gesamterwerb ansetzte. Mit ihrer Klage begehrt die Steuerpflichtige die Gewährung des vollen in § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für einen Erwerb unter Ehegatten geregelten Freibetrags in Höhe von 500.000 EUR. Das FG gab der Klage statt. Seiner Ansicht nach führt die der beschränkten Steuerpflicht unterliegende Bereicherung der Steuerpflichtigen nicht zu einem steuerpflichtigen Erwerb. Ihr Wert liege mit 376.951 EUR unterhalb des für Ehegatten geltenden Freibetrags in Höhe von 500.000 EUR.
Entscheidung: Der Erwerb aufgrund des Vermächtnisses ist vollständig steuerbefreit
Der BFH entscheidet, dass der Erwerb der Steuerpflichtigen aufgrund des Vermächtnisses ihres Ehemannes unter Berücksichtigung eines entsprechend § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusetzenden Freibetrags in Höhe von 500.000 EUR vollständig steuerbefreit ist.
§ 16 Abs. 2 ErbStG ist auf Fälle der beschränkten Steuerpflicht nicht anwendbar
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt ein Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Sind weder der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes noch der Erwerber im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer Inländer i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG, bezieht sich die inländische Steuerpflicht lediglich auf den Teil des Vermögensanfalls, der in Inlandsvermögen i.S. des § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG).
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bleibt in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht der Erwerb eines Ehegatten in Höhe von 500.000 EUR steuerfrei. In den Fällen der beschränkten Steuerpflicht tritt nach § 16 Abs. 2 ErbStG an die Stelle des Freibetrags nach Abs. 1 ein Freibetrag von nur 2.000 EUR. § 16 Abs. 2 ErbStG verstößt jedoch gegen die nach Art. 63 AEUV garantierte Kapitalverkehrsfreiheit und ist daher auf Fälle der beschränkten Steuerpflicht nicht anwendbar.
Ehegattenfreibetrag ist in voller Höhe zu gewähren
An die Stelle des aus unionsrechtlichen Gründen nicht anwendbaren Freibetrags gem. § 16 Abs. 2 ErbStG tritt entsprechend § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der bei unbeschränkter Steuerpflicht maßgebende Freibetrag. Dieser ist in voller Höhe und nicht nur anteilig nach dem Verhältnis des Werts des steuerpflichtigen Inlandsvermögens (§ 121 BewG) zum Wert des gesamten Erwerbs zu gewähren. Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 1 ErbStG ist eine Minderung des Freibetrags in Fällen beschränkter Steuerpflicht nicht vorgesehen.
Hinweis: Geänderte Rechtslage
Nach den weiteren Ausführungen des BFH war die Anwendung des § 16 Abs. 2 ErbStG im Urteilsfall auch nicht wegen einer möglichen Option zur unbeschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 3 ErbStG (in der Fassung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7.12.2011, BGBl I 2011, 2592 - ErbStG n.F. -) mit Unionsrecht vereinbar. § 2 Abs. 3 ErbStG n.F. wurde durch Art. 4 Nr. 1 Buchst. b des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes – StUmgBG - vom 23.6.2017 (BGBl I 2017, 1682) zwischenzeitlich wieder aufgehoben. Während der Geltungsdauer konnte der Erwerber von beschränkt steuerpflichtigem Vermögen zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren und damit die Anwendung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erreichen. Die Regelung bewirkte im Ergebnis jedoch eine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV untersagte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs.
Der ebenfalls durch das StUmgBG neu eingefügte § 16 Abs. 2 ErbStG, der in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht eine Minderung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 ErbStG um einen im Einzelnen festgelegten Teilbetrag vorsieht, hatte für den vorliegenden Fall keine Bedeutung. Die Vorschrift ist gem. § 37 Abs. 14 ErbStG i.d.F. des Art. 4 Nr. 8 StUmgBG erst auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 24.6.2017 entsteht.
BFH, Urteil v. 10.5.2017, II R 53/14, veröffentlicht am 16.8.2017
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