BFH Kommentierung: Eindeutigkeit einer Abfindungsklausel

Lässt sich eine Abfindungsklausel dahin auslegen, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende sog. Sterbetafel trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt ist, ist die Pensionsrückstellung anzuerkennen.

Hintergrund: Betriebliche Altersversorgung mit Abfindungsklausel

Zu entscheiden war, ob die in einer Pensionszusage gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft enthaltene Abfindungsklausel das sog. Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG in den Streitjahren 2009 bis 2011 dadurch verletzt, dass die für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendende Sterbetafel nicht ausdrücklich benannt ist.

Die X-GmbH sagte ihren beiden Gesellschafter-Geschäftsführern in 1998 eine betriebliche Altersversorgung zu. In einer Abfindungsklausel heißt es:

Das Unternehmen behält sich vor, bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze bzw. Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes anstelle der Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung zu gewähren. Hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus der Pensionszusage einschließlich einer etwaigen Hinterbliebenenrente. … Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages sind ein Rechnungszinsfuß von 6 von Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden … ". 

Der Posten "Pensionsrückstellung" (Stand 31.12.2009) wurde in 2010/2011 erhöht. Die Bewertung erfolgte jeweils mit einem Rechnungszins von 6 % auf der Grundlage der sog. Heubeck-Richttafeln.

Das FA löste die entsprechenden Pensionsrückstellungen mit der Begründung auf, die Abfindungsklausel enthalte keine Angaben dazu, welche Sterbetafel für die Berechnung des Barwerts der Rentenverpflichtung zu verwenden sei. Das Schriftformerfordernis sei nur erfüllt, wenn das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe (einschließlich der zu verwendenden Sterbetafel) eindeutig und präzise fixiert sei. Das FG hielt dagegen die konkrete Festlegung der anzuwendenden Sterbetafel nicht für erforderlich und gab der Klage statt.

Entscheidung: Der Verweis auf die "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik genügt dem Eindeutigkeitsgebot

Der in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG verwendete Begriff "eindeutige Angabe(n)" lässt offen, ob sich alle Berechnungsparameter für die Höhe der Abfindung (hier: die anzuwendende Sterbetafel) wörtlich aus der schriftlichen Pensionszusage ergeben müssen oder ob es ausreicht, dass nach einer Auslegung des Wortlauts der Zusage keine Zweifel an diesen Maßgaben verbleiben.

Pensionszusagen sind nach der zu § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG i.d.F. vor dem StÄndG 2001 ergangenen Rechtsprechung des BFH anhand der allgemein geltenden Auslegungsregeln auszulegen. Die Einfügung des Eindeutigkeitsgebots in § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG hat daran nichts geändert, da es sich lediglich um eine Klarstellung handelt. Erforderlich ist damit, dass sich der Inhalt der Zusage zweifelsfrei feststellen lässt.

Mit dem Verweis sind die Rechnungsgrundlagen eindeutig bestimmt

Das FG hat die Abfindungsklausel dahin ausgelegt, dass für die Berechnung der Abfindung auf die Anwendung der Heubeck-Tafeln zurückzugreifen ist. Damit ist die anzuwendende Sterbetafel hinreichend bestimmt i.S.v. § 6a Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG. Die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspricht in langjähriger Verwaltungspraxis den "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik". Berechnungen auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln, die üblicherweise auch in der Handelsbilanz herangezogen werden, können daher auch aufgrund der langjährig anerkennenden Verwaltungspraxis als entsprechend einer "Verkehrssitte" erfolgt anzusehen sein. Die Anwendung der im Abfindungszeitpunkt (bzw. zum letzten Stichtag der Pensionsrückstellung vor diesem Zeitpunkt) aktuell geltenden Richttafel ist als für die Anerkennung unschädliche "Unsicherheit" zu qualifizieren.

Hinweis: Auffassung des BMF zur Abfassung von Abfindungsklauseln

Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsauffassung. Das BMF-Schreiben v. 6.4.2005, BStBl I 2005, 619 Tz. 3, verweist zum Schriftformerfordernis für Abfindungsklauseln auf die Verwaltungsanweisung für Pensionszusagen in dem BMF-Schreiben v. 28.8.2001, BStBl I 2001, 594. Danach sind neben dem Rechnungszinsfuß auch die anzuwendenden biometrischen Ausscheidewahrscheinlichkeiten (Sterbetafel) schriftlich festzulegen. Der BFH sieht es als ausreichend an, wenn sich der Hinweis auf die Heubeck-Richttafeln aufgrund einer Auslegung der Abfindungsklausel ermitteln lässt. Damit sind die Rechtsgrundlagen eindeutig bestimmt. Hiervon ausgehend konnte es der BFH offen lassen, ob die gesetzliche Regelung zum Eindeutigkeitsgebot (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG) einschränkend dahin auszulegen ist, dass die Festlegung der für die Höhe der Kapitalabfindung maßgeblichen Sterbetafel in der Abfindungsklausel bereits vom Gesetz nicht verlangt wird.  

Im Fall des Parallelurteils v. 23.7.2019, XI R 48/17, wurde nicht auf die "anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik", sondern auf die "gültigen Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen" verwiesen. Das sah der BFH wegen der möglichen unterschiedlichen Ansätze auch im Wege der Auslegung nicht als hinreichend konkretisiert an.

BFH Beschluss vom 10.07.2019 - XI R 47/17 (veröffentlicht am 04.10.2019)

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