Betriebsprüfung: Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers

Eine Aufforderung des Betriebsprüfers zur Überlassung eines Datenträgers zu Beginn einer Betriebsprüfung ist unverhältnismäßig und damit aufzuheben, wenn diese lediglich auf die GDPdU verweist und keine Regelungen enthält, ob, wo und wie lange die durch die Überlassung des angeforderten Datenträgers erhaltenen Daten gespeichert werden sollen.

Der schlichte Verweis auf die GDPdU kann die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Verwertung und Speicherung von Daten des Unternehmens in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht ausreichend begründen.

Aufforderung zur Überlassung eines Datenträgers durch Prüfungsanordnung 

Die Klägerin ist eine Rechtsanwaltspartnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung. Sie ermittelt ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung. Der Betrieb der Klägerin war nach der Betriebsprüfungsordnung (BPO 2000) als Großbetrieb eingestuft. Zusammen mit der Prüfungsanordnung bat der Prüfer um Überlassung eines Datenträges nach der GDPdU zu Beginn der Betriebsprüfung. Gegen die Prüfungsanordnung legte die Klägerin Einspruch ein und vertrat die Auffassung, dass der uneingeschränkt geforderte Datenzugriff rechtswidrig sei. Die ablehnende Einspruchsentscheidung wurde mit der Klage angefochten und seitens der Klägerin darauf verwiesen, dass die Prüfungsanordnung zum einen deshalb rechtswidrig sei, weil die Einschränkung fehle, dass die Herausgabe der Daten nur zur Speicherung und Auswertung auf dem Rechner des Prüfers während der Prüfung in den Geschäftsräumen der Klägerin oder zur Mitnahme durch den Prüfer für die Speicherung und Auswertung der Daten durch den Prüfer in den Diensträumen des Finanzamts bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens erfolgt. Zum anderen sei die Prüfungsanordnung auch nicht verhältnismäßig, weil der Beklagte keine zutreffende Interessensabwägung zwischen dem mit der erforderlichen Anonymisierung von mandantenbezogenen Daten verbundenen Aufwands auf Seiten der Klägerin und dem Anspruch des Beklagten auf elektronischem Datenzugriff vorgenommen habe.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 

Die zulässige Klage ist begründet. Nach der Auffassung des Gerichts geht im Streitfall die Aufforderung zur Überlassung des Datenträgers über die in § 147 Abs. 6 AO eingeräumte Befugnis hinaus und ist daher rechtswidrig.  Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde nach der Überzeugung des Gerichts vom Beklagten nicht ausreichend beachtet. Dieser gebietet, dass die Finanzverwaltung in Ausübung ihres legitimen Interesses an einer Überlassung digitalisierter Daten im Rahmen der Außenprüfung nicht übermäßig in die Rechte des Steuerpflichtigen eingreifen darf und deshalb ihre Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO nur in dem durch die Zwecke der Außenprüfung gebotenen zeitlichen und sachlichem Umfang unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Steuerpflichtigen am Schutz ihrer persönlichen Daten ausüben kann. Unter Berücksichtigung dessen lässt die schlichte Aufforderung des Beklagten, einen Datenträger nach den GDPdU zu Beginn der Prüfung zu überlassen, nicht erkennen, wo der Datenzugriff und die Auswertung erfolgen soll, etwa nur bei der Klägerin oder auch in den Räumen des Beklagten. Die Aufforderung enthält auch keine Regelung darüber, ob, wo, und wie lange die durch die Überlassung des angeforderten Datenträgers erhaltenen Daten gespeichert werden sollen. Auch der Verweis auf die GDPdU in dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt vermag die Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit hinsichtlich Verwertung und Speicherung von Daten der Klägerin in zeitlicher und örtlicher Hinsicht nicht ausreichend zu begründen, weil auch diese Regelungen nichts darüber aussagen, wie und wo die Auswertung eines überlassenen Datenträgers erfolgen soll. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat der Beklagte nämlich dafür zu sorgen, dass die auf einem Datenträger komprimierten Daten außerhalb der Geschäftsräume des Klägers oder der Diensträume des Beklagten etwa infolge eines Diebstahls des Prüfer-Laptops nicht in fremde Hände geraten. Nach der Auffassung des Gerichts ist dieses Bedürfnis nur dann ohne nennenswerte Beeinträchtigung einer rechnergestützten Außenprüfung ausgemessen berücksichtigt, wenn die Daten des Steuerpflichtigen nur in seinen Geschäftsräumen oder auch an Amtsstelle erhoben werden. Im Übrigen dürfen die überlassenen Daten nach dem tatsächlichen Abschluss der Prüfung nicht weiter auf dem Laptop des Prüfers gespeichert bleiben, sondern nur noch bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens in den Diensträumen der Finanzverwaltung gespeichert bleiben.

Das Gericht hat die Revision im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren X R 8/18 zugelassen.

Folgen der Rechtsprechung in der Praxis 

Die praktische Umsetzung des Besprechungsurteils dürfte für die Finanzverwaltung erhebliche Probleme auslösen. Das gilt vor allem, weil im Vorgriff nicht immer eindeutig bezeichnet werden kann, wo und wie der Datenzugriff erfolgen soll. In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits mit Urteil v. 16.12.2014 (Az.: VIII R 52/12, BFH/NV 2015 S. 1455) entschieden, dass die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung die Herausgabe digitalisierter Steuerdaten zur Speicherung und Auswertung auf mobilen Rechnern der Prüferinnern und Prüfer nur verlangen kann, wenn Datenzugriff und -auswertung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder in den Diensträumen der Finanzverwaltung stattfinden. Des Weiteren ist nach der vorgenannten Rechtsprechung die Speicherung von Daten über den tatsächlichen Abschluss der Prüfung hinaus durch § 147 Abs. 6 Satz 2 AO nur gedeckt, soweit und solange die Daten noch für Zwecke des Besteuerungsverfahrens (z. B. bis zum Abschluss etwaiger Rechtsbehelfsverfahren) benötigt werden. Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert und im Rahmen eines Klimagesprächs mit dem Bundesfinanzhof erörtert, dass der Bundesfinanzhof eine Veröffentlichung dieses Urteils im Bundessteuerblatt nicht anmahnen wird. Eine Veröffentlichung war auch durch die Finanzverwaltung nicht mehr vorgesehen. Die Finanzverwaltung (vgl. hierzu OFD Karlsruhe v. 21.8.2017, S 1445 - St 422, StEd 2017 S. 587) vertritt hierzu folgende Auffassung:

Nach der Überzeugung der Finanzverwaltung ist das BFH-Urteil v. 16.12.2014 (Az.: VIII R 52/12, BFH/NV 2015 S. 1455)  dahingehend auszulegen, dass die Daten, die im Rahmen einer Außenprüfung in digitaler Form überlassen wurden, für den Zeitraum der Prüfung auf dem Notebook der Prüferin/des Prüfers verbleiben dürfen. Dies gilt auch z. B. für Fahrten zwischen Wohnung und Amtsstelle außerhalb der Dienstzeit in einem privaten Pkw und in einer Wohnung bzw. im Privatbereich, sofern an diesen Orten die Daten nicht erhoben bzw. verarbeitet werden. Im Übrigen steht § 200 Abs. 2 Satz 1 AO i. V. m. § 6 BpO 2000 einer Außenprüfung am Heimarbeitsplatz nicht entgegen. Durch die Genehmigung des Finanzamtes, wonach die Prüferin/der Prüfer Außenprüferaufgaben oder prüfungsbegleitende Tätigkeiten in der eigenen Wohnung am Heimarbeitsplatz verrichten darf, wird der Heimarbeitsplatz den Diensträumen des Finanzamtes gleichgestellt – in Verbindung mit der Erklärung zum Steuergeheimnis und zum Datenschutz.

Revision beim BFH 

Im Übrigen ist hinsichtlich des Besprechungsurteils zu beachten, dass der entscheidende Senat die Revision im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof unter X R 8/18 anhängige Verfahren zugelassen hat. In diesem Verfahren ist strittig ob und in welchem Umfang ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, verpflichtet ist, Aufzeichnungen zu führen und/oder Unterlagen aufzubewahren. Des Weiteren ist strittig, welche Unterlagen und Aufzeichnungen im Falle einer Betriebsprüfung dann auch auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden müssen.  

FG München, Urteil v. 27.6.2018, 1 K 2318/17, Haufe Index 12475102

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