Besteuerungsverfahren und Vorsteuer-Vergütungsverfahren

Ein im Ausland ansässiger Unternehmer, der eine USt-Erklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, ist berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr abziehbaren Vorsteuerbeträge in dieser Steuererklärung geltend zu machen (entgegen Abschn. 18.15. Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Hintergrund

Die im EU-Ausland ansässige Speditionsunternehmen X führte im Inland im Streitjahr 2002 ausschließlich Transportleistungen durch, für die die Leistungsempfänger die Steuer schuldeten. Die Leistungsempfänger erteilten der X Gutschriften mit gesondertem Steuerausweis.

X reichte für das Streitjahr eine USt-Erklärung ein, in der sie sowohl die Umsätze mit offenem Steuerausweis als auch Vorsteuerbeträge erklärte. Abweichend davon erfasste das FA im USt-Bescheid die Steuer aus den erklärten Umsätzen, berücksichtigte jedoch nicht die Vorsteuer. Das FA vertrat die Auffassung, die Vorsteuerbeträge könnten im allgemeinen USt-Festsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Der ausländische Unternehmer sei insoweit auf das Vorsteuer-Vergütungsverfahren, das dem allgemeinen Besteuerungsverfahren vorgehe, beschränkt. Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Mit der Revision wandte sich X gegen den Vorrang des Vergütungsverfahrens.

Entscheidung

Der BFH widerspricht dem FG. Entgegen der Meinung des FA und des FG ist der im Ausland ansässige Unternehmer, der eine USt-Erklärung für das Kalenderjahr abzugeben hat, berechtigt und verpflichtet, alle in diesem Kalenderjahr entstandenen Vorsteuerbeträge in der USt-Jahreserklärung geltend zu machen.

Das besondere Vorsteuer-Vergütungsverfahren gilt u.a. für den ausländischen Unternehmer, der - wie im Streitfall X - nur Umsätze ausgeführt hat, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (§ 59 Nr. 2 EStDV). Diese Regelung entfaltet jedoch nach Auffassung des BFH bei unionsrechtkonformer Auslegung keine Sperrwirkung für gleichzeitig geltend gemachte Vorsteuerbeträge gegenüber dem allgemeinen Besteuerungsverfahren. Die abweichende Sachbehandlung durch das FA verstößt gegen den Grundsatz, dass die Steuerpflichtigen, je nachdem, in welchem Mitgliedstatt sie ansässig sind, nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen (Achte Richtlinie 79/1072/EWG, Erwägungsgrund 5). Außerdem würde es nicht der Vereinfachung dienen, den ausländischen Unternehmer, der eine USt-Jahreserklärung abzugeben hat, daneben zur Geltendmachung der Vorsteuer auf das Vergütungsverfahren zu verweisen.

Die Sache wurde an das FG zurückverwiesen, das noch die Abziehbarkeit der geltend gemachten Vorsteuerbeträge zu prüfen hat.

Hinweis

Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsregelung in Abschnitt 18.15 Abs. 1 des USt-Anwendungserlasses. Danach kann, wenn die Voraussetzungen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens erfüllt sind und der im Ausland ansässige Unternehmer die Steuer im allgemeinen Besteuerungsverfahren schuldet, die Vergütung der Vorsteuer nur im Vergütungsverfahren durchgeführt werden.

Das Vergütungsverfahren ist allerdings nur eröffnet, wenn - bezogen auf den Streitfall - ausschließlich Umsätze ausgeführt werden, für die der Empfänger Steuerschuldner ist. Werden daneben andere Umsätze ausgeführt, war schon nach der Verwaltungsregelung das allgemeine Besteuerungsverfahren durchzuführen.

Urteil v. 28.8.2013, XI R 5/11, veröffentlicht am 16.10.2013

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