Aufwendungen zur Sanierung eines Entwässerungskanals
Hintergrund: Sanierung eines Abwasserkanals im Zusammenhang mit einem Neubau
Der an einem bebauten Einfamilienhausgrundstück erbbauberechtigte A errichtete nach dem Abriss des Gebäudes ein zur Vermietung vorgesehenes Zweifamilienhaus. In 2014 trug A Aufwendungen in Höhe von 10.070 EUR für die Beseitigung eines durch Wurzeleinwuchs entstandenen Schadens in dem (bereits vorhandenen) Abwasserkanal auf öffentlichem Grund, die Erneuerung des Kontrollschachts auf dem Grundstück sowie die Hauseinführung des Abwasserrohrs. Die Stadt hatte A zur Sanierung des Anschlusskanals (Kanal vom öffentlichen Straßenkanal bis einschließlich der ersten Reinigungs- bzw. Prüföffnung auf dem Grundstück) auf eigene Kosten aufgefordert.
A machte diese Aufwendungen für 2014 vergeblich als vorab entstandene WK bei den Einkünften aus VuV geltend. Das FG wies die Klage ab. Es handele sich um HK, da ohne die Sanierung des Anschlusskanals die vorhandene Entwässerungsleitung für das neu errichtete Gebäude nicht hätte genutzt werden können.
Entscheidung: Die Kosten der Sanierung eines vorhandenen Kanals sind WK
Der BFH widersprach dem FG und gab der Klage - bis auf einen kleinen Teilbetrag - statt. Als Erbbauberechtigter erzielt A aus der Nutzungsüberlassung aus eigenem Recht Einkünfte aus VuV, bei denen Erschließungsaufwendungen berücksichtigt werden können.
Grundsätze für die Zuordnung von Erschließungskosten
Für die steuerliche Zuordnung von Erschließungsaufwand zu den AK/HK bzw. WK hat der BFH folgende Grundsätze entwickelt:
- Aufwendungen für eine erstmalige Erschließungsmaßnahme gehören regelmäßig den AK von Grund und Boden. Denn der erstmalige Anschluss an öffentliche Einrichtungen erhöht die Nutzbarkeit des Grundstücks und damit dessen Wert. Als Voraussetzung für die Bebaubarkeit des Grundstücks gehören sie nicht zu den HK des Gebäudes (BFH v. 20.7.2010, IX R 4/10, BStBl II 2011 S. 35).
- Daher können Aufwendungen für eine nachträgliche Erschließungsmaßnahme und Aufwendungen für eine (zusätzliche) Zweiterschließung im Einzelfall auch sofort als WK abziehbar sein, wenn der Zustand des Grundstücks durch die neue Erschließungsmaßnahme nicht verändert wird, weil er sich nicht wesentlich von der bisherigen Erschließung unterscheidet. Eine Werterhöhung steht dem Sofortabzug nicht entgegen (BFH v. 22.3.1994, IX R 52/90, BStBl II 1994 S. 842).
- Aufwendungen für die Erst- oder Zweitherstellung von Zuleitungsanlagen eines Gebäudes zum öffentlichen Kanal (sog. Hausanschlusskosten) einschließlich der sog. Kanalanstichgebühr gehören zu den HK des Gebäudes, soweit die Kosten für Anlagen auf privatem Grund und nicht für Anlagen der Gemeinde außerhalb des Grundstücks entstanden sind (BFH v. 24.11.1967, VI R 302/66, BStBl II 1968 S. 178).
- Aufwendungen für die Ersetzung, Modernisierung oder Instandsetzung einer vorhandenen Kanalisation sind als WK sofort abziehbar, da sie nicht zu den AK/HK zählen, sondern lediglich der Erhaltung des Grundstücks dienen (BFH v. 13.9.1984, IV R 101/82, BStBl II 1985, 49). Das gilt unabhängig davon, ob die Kosten für Anlagen auf privatem oder auf öffentlichem Grund entstanden sind (BFH v. 13.9.1984, IV R 101/82, BStBl II 1985 S. 49).
Im Streitfall liegen sofort abziehbare WK vor
Hiervon ausgehend sind die streitigen Aufwendungen im Wesentlichen als WK abziehbar. Denn auf dem Grundstück des A war bereits ein Abwasserkanal vorhanden, der das bisherige Gebäude mit dem öffentlichen Abwassernetz verbunden hatte. Die Aufwendungen für die Instandsetzung und teilweise Erneuerung dieses vorhandenen und (zumindest noch teilwiese) funktionsfähigen Abwasserrohrsystems sind als WK bei VuV abziehbar. Sie dienen lediglich der Erhaltung des Grundstücks. Sie stellen keine HK dar, da sie weder der Herstellung eines neuen, bisher nicht vorhandenen Abwasserrohrsystems noch der Wiedererstellung eines zerstörten oder unbrauchbar gewordenen Rohrsystems dienten und auch nicht das Grundstück in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert haben.
Kosten der "Hauseinführung" sind HK
Lediglich die Aufwendungen für die Verbindung des sanierten Abwasserkanals mit dem neuen Gebäude ("Hauseinführung mittels Diamantkern-Bohrung einschl. Wandeindichtung, Isolierung und Dämmung") in Höhe von 535,50 EUR dienten der Herstellung des auf dem Erbbaugrundstück errichteten Zweifamilienhauses. Sie sind als HK lediglich im Rahmen der AfA zu berücksichtigen. Ein Abzug von AfA war allerdings im Streitjahr 2014 noch nicht möglich, da das Gebäude noch nicht fertiggestellt war.
Hinweis: Berücksichtigung von Erschließungsaufwand beim Erbbauberechtigten
Der Erbbauberechtigte (hier: A) ist zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes. Aus der Nutzungsüberlassung an Dritte erzielt er aus eigenem Recht Einkünfte aus VuV, bei denen Erschließungsaufwendungen berücksichtigt werden können.
Die Revision wurde vom BFH – offenbar wegen Abweichung des FG-Urteils von der BFH-Rechtsprechung des BFH – nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zugelassen. Mit dieser Entscheidung hält der BFH seine bisherigen Grundsätze aufrecht, die von der Verwaltung (H 6.4 EStH) und im Schrifttum anerkannt werden.
BFH Urteil vom 03.09.2019 - IX R 2/19 (veröffentlicht am 13.02.2020)
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