Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist setzt Antrag voraus

Nach Änderung eines Grundlagenbescheids wird die Zwei-Jahres-Frist für die Anpassung des Folgebescheids nur gehemmt, wenn der vom Folgebescheid Betroffene selbst die Änderung beantragt. 

Hintergrund

Die Entscheidung betrifft die Festsetzungsverjährung bei der Anpassung eines Folgebescheids an einen geänderten Grundlagenbescheid. Streitig war die Vermögensteuer (VSt) auf 1.1.1990. Zu entscheiden war, ob das FA verpflichtet ist, den VSt-Bescheid an die geänderte Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an einer Gesellschaft anzupassen. Das Urteil hat - über die seit 1997 weggefallene VSt hinaus - allgemeine Bedeutung für die Problematik der Anpassung eines Folgebescheids an einen Grundlagenbescheid.

Die X-GmbH war an der A-AG beteiligt, die ihrerseits eine Beteiligung an der R-AG hielt. Nach Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der R-AG auf den 31.12.1989 durch ein FG-Urteil aus 1999 erließ das FA im Mai 2000 einen geänderten Bescheid über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der A-AG auf den 31.12.1989 und minderte den Wert dieser Anteile entsprechend. Die Folgeanpassung des VSt-Bescheids für die X-GmbH auf den 1.1.1990 unterblieb jedoch.

Im März 2006 änderte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens für die R-AG auf den 1.1.1990. Der Antrag der R-AG, auch die Anteilsbewertung auf den 31.12.1989 zu ändern, erledigte sich durch Klagerücknahme. Im Januar 2008 beantragte die X-GmbH, im VSt-Bescheid auf den 1.1.1990 die Änderungen aus dem gegenüber der R-AG ergangenen Urteil aus 1999 umzusetzen. Diesen Antrag lehnten das FA und ihm folgend das FG wegen Festsetzungsverjährung ab.

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass im Streitfall Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die reguläre vierjährige Festsetzungsfrist für die VSt der X-GmbH, die mit der Erklärungsabgabe in 1991 begonnen hatte, war im Mai 2000, als der geänderte Feststellungsbescheid gegenüber der A-AG erging, bereits abgelaufen (§ 170 Abs. 2 AO).

Aufgrund dieses geänderten Feststellungsbescheids war der Ablauf der Festsetzungsfrist für die VSt allerdings bis Mai 2002 gehemmt. Denn nach Ergehen eines Grundlagenbescheids endet die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids (§ 171 Abs. 10 AO). Eine Änderung der VSt-Festsetzung ist jedoch bis Mai 2002 nicht erfolgt.

Der Streit ging nun darum, ob der Ablauf der Zwei-Jahres-Frist durch einen rechtzeitigen Antrag der X-GmbH auf Änderung der VSt-Festsetzung gehemmt wurde. Denn wenn vor Fristablauf ein Änderungsantrag gestellt wird, läuft die Frist nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden wurde (§ 171 Abs. 3 AO). Hierzu betont der BFH, dass ein solcher Antrag nur von dem betroffenen Steuerpflichtigen selbst gestellt werden kann. Dementsprechend hemmt die Anfechtung der Anteilsbewertung durch eine Kapitalgesellschaft nicht den Ablauf der Festsetzungsfrist für die VSt des Anteilseigners.

Für den Streitfall bedeutet dies, dass der von der R-AG im Einspruchs- und Klageverfahren gestellte Antrag die zweijährige Anpassungsfrist nicht hemmen konnte, auch wenn dieser Antrag letztlich auf die Minderung der Bemessungsgrundlage für die VSt der X-GmbH abzielte. Denn die R-AG hat nicht stellvertretend für die X-GmbH die Änderung des VSt-Bescheids beantragt. Zudem betraf dieser Antrag die Bewertung auf den 31.12.1989 und somit nicht die VSt auf den 1.1.1990. Der erst im Januar 2008 gestellte Änderungsantrag der X-GmbH war somit verspätet.

Hinweis

Die Übertragung der Entscheidung auf das Verhältnis von Gewinnfeststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) und ESt-Bescheid (Folgebescheid) bedeutet, dass der Änderungsantrag für den ESt-Bescheid gestellt werden muss. Ein für den Gewinnfeststellungsbescheid gestellter Antrag bzw. eine Anfechtung genügt für die Fristhemmung nicht.

Ergänzend betont der BFH noch die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für das Verwaltungsverfahren, insbesondere für die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit. Wenn kein rechtzeitiger Änderungsantrag gestellt wird, kann dem FA nicht vorgeworfen werden, seiner Anpassungspflicht an den Grundlagenbescheid nicht rechtzeitig nachgekommen zu sein. Die bloße Untätigkeit des FA nach Ergehen eines Grundlagenbescheids kann eine Verpflichtung zur Bescheidänderung nicht begründen.

Urteil v. 27.11.2013, II R 57/10, veröffentlicht am 26.2.2014