6 % Aussetzungszinsen bei mehrjährigem Zinslauf (noch) nicht verfassungswidrig
Die Kläger hatten eine 1996 erworbene Eigentumswohnung im Jahr 2002 wieder veräußert. Gegen die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns als Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft legten sie Einspruch ein. Das FA gewährte ihnen antragsgemäß AdV und ordnete im Oktober 2004 im Hinblick auf ein Vorlageverfahren beim BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der Spekulationsfrist das Ruhen des Einspruchsverfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO an. Nach Ergehen der Entscheidung des BVerfG im Juli 2010 hob das FA die gewährte AdV auf und setzte auf den ausgesetzten Steuerbetrag, soweit eine Abhilfe in der Sache nicht erfolgte, gemäß §§ 237, 238 AO Aussetzungszinsen von 6 % per anno für den Zeitraum von mehr als 6 Jahren fest.
Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, die konkrete Zinsfestsetzung sei wegen der überlangen Verfahrensdauer verfassungsrechtswidrig. Die Vorschrift des § 237 AO müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass sie bei überlanger Verfahrensdauer nicht anzuwenden sei und schon gar nicht Zinsen i. H. v. 6 % per anno festgesetzt werden dürften.
Dem ist der 2. Senat des FG Hamburgs nicht gefolgt. Die Vorschriften der Abgabenordnung, nach denen auf ausgesetzte Steuerbeträge Zinsen von jährlich 6 % zu zahlen sind, verstoße jedenfalls für einen Zinslauf von 2004 bis 2011 nicht gegen die Verfassung. Die bisherige Rechtsprechung – auch des BVerfG – habe die Verzinsungsregelungen der Abgabenordnung bisher für verfassungsgemäß gehalten. Allerdings führt der 2. Senat aus, dass typisierende Regelungen, wie der Zinssatze, einer Korrektur bedürften, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die Grundlage einer zulässigen Typisierung gewesen seien, durchgreifend geändert haben. Ausdruck einer derartigen Änderung könnte vornehmlich das kontinuierlich gesunkene Zinsniveau sein. Da Zinssätze mit Rücksicht auf wirtschaftliche und politische Implikationen jedoch Schwankungen unterlägen, wie sie sich in der Vergangenheit stets abgebildet hätten, sei dem Gesetzgeber aber eine gewisse Beobachtungszeit vor einer Anpassung des Zinssatzes zuzubilligen.
Der 2. Senat hat die Revision beim BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. beim BFH IX R 31/13).
FG Hamburg, Urteil v. 23.5.2013, 2 K 50/12
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