Schrifttum

S. Schrifttum zu Vor § 115 bis 134 FGO.

A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die in § 118 Abs. 1 FGO geregelte Revisibilität der Rechtsnorm, deren Verletzung mit der Revision gerügt wird, betrifft nicht die Zulässigkeit der Revision. Für sie reicht aus, dass die nach § 115 FGO statthafte Revision fristgemäß eingelegt und begründet worden ist (§ 120 Abs. 1, Abs. 2 FGO), das angefochtene Urteil bezeichnet (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO), einen bestimmten Antrag enthält (§ 120 Abs. 3 Nr. 1 FGO) und spätestens in der Revisionsbegründung die Revisionsgründe angegeben sind (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Wegen der daneben zu beachtenden allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen s. § 124 FGO Rz. 1. Die Revisibilität der verletzten Norm ist vielmehr nur eine der Voraussetzungen für die sachliche Begründetheit der Revision. Betrifft die Revision eine irrevisible Norm, ist die Revision nicht unzulässig, sondern unbegründet.

Zugleich macht die Vorschrift Vorgaben für den Umfang der materiellen Revisionsprüfung (s. § 118 Abs. 2 und Abs. 3 FGO). Dabei wird das Prüfungsrecht einerseits durch die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG beschränkt, andererseits aber durch die Nichtbeschränkung auf die vorgebrachten Revisionsgründe erweitert. In zeitlicher Hinsicht ist – soweit das Verwaltungsverfahrensrecht betroffen ist – nicht der im Zeitpunkt der Revisionseinlegung, sondern der im Zeitpunkt der Entscheidung geltende Rechtszustand maßgebend, sofern nicht einer Übergangsvorschrift etwas anderes zu entnehmen ist. Im Übrigen ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung maßgebend, soweit nicht ausnahmsweise einem Steuergesetz ein anderer Zeitpunkt zu entnehmen ist. Dies kann insbes. bei einem rückwirkenden Inkrafttreten steuerrechtlicher Regelungen problematisch sein.

B. Gegenstand der Revisionsprüfung

I. Beschränkung auf Rechtsverletzungen

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der BFH kann Urteile der FG nur auf Rechtsverletzungen nachprüfen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit korrespondiert, dass er bei dieser Prüfung grundsätzlich an die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH ist also keine Tatsacheninstanz, sodass es wegen des zweistufigen Aufbaus der Finanzgerichtsbarkeit nicht zu einer vollumfänglichen Neuprüfung der FG-Entscheidung kommt. Unbeachtlich ist, ob die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand oder (unzweckmäßig) in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils enthalten sind (BFH v. 07.02.2007, X B 105/06, BFH/NV 2007, 962; BFH v. 27.05.2009, X R 62/06, BFH/NV 2009, 1793). Zu den Feststellungen gehören auch die Ausführungen im Sitzungsprotokoll. Bezugnahmen entfalten nur dann Bindungswirkung, wenn sie hinreichend konkret sind, insbes. muss der Gegenstand der Bezugnahme genau bezeichnet sein. Tatsächliches Vorbringen, das von diesen Feststellungen abweicht, kann der Bundesfinanzhof als Revisionsinstanz nicht berücksichtigen. Ebenso wenig sollen fehlende tatsächliche Feststellungen des FG durch übereinstimmenden – unstreitigen – Tatsachenvortrag der Beteiligten ersetzt werden dürfen (BFH v. 05.10.1999, VII R 152/97, BStBl II 2003, 93). Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn es sich um Tatsachen handelt, die ansonsten durch eine Restitutionsklage geltend gemacht werden könnten (BFH v. 19.05.2010, XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132). Diese strenge Ansicht entspricht der Förmlichkeit des Revisionsverfahrens und trägt dem Grundsatz Rechnung, dass im finanzgerichtlichen Prozess der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass die FG im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Entscheidung nicht von einem unstreitigen Sachverhalt ausgehen dürfen. Wird ein solcher im FG-Urteil festgestellt, ist der BFH an diese Feststellungen gebunden.

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Neue Tatsachen oder Beweismittel, die zur Erhärtung dieser Tatsachen führen sollen, können auf dem Wege der Revision nur dann in das Verfahren Eingang finden, wenn ihre Nichtberücksichtigung in der Entscheidung des FG auf einer Rechtsverletzung beruht, insbes. einem Verfahrensmangel. Ausnahmsweise können allerdings neue Tatsachen dann berücksichtigt werden, wenn sie sich auf Sachurteilsvoraussetzungen beziehen und damit für den Rechtsstreit in seiner Gesamtheit erheblich sind (BFH v. 05.03.1986, 5/84, BStBl II 1986, 462; BFH v. 16.10.2008, IV R 74/06, BFH/NV 2009, 725). Als Beispiele seien erwähnt: Tatsachen, die die Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs oder der Klage (BFH v. 25.03.2015, V B 163/14, BFH/NV 2015, 948) oder die Unterlassung einer notwendigen Beiladung betreffen. Das Gleiche gilt für die Prüfung der wirksamen Bekanntgabe eines (angefochtenen) Verwaltungsakts (BFH v. 11.12.1985, I R 31/84, BStBl II 1986, 474; differenzierend BFH v. 04.10.1989, V R 39/84, BFH/NV 1990, 409; a. A. Ruban in Gräber, § 118 FGO Rz. 46 mit dem Argument, der unwirksame Bescheid sei durch Sachurteil aufzuheben). Als unzulässiges neues tatsächliches Vorbringen ist das Aufgreifen eines Punktes im Revisionsverfahren zu würdigen, zu dem der Rechtsbehelfsf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge