A. Finanzbehörde als Staatsanwaltschaft

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Rahmen der ihr durch § 386 Abs. 2 AO eingeräumten Ermittlungskompetenz hat die Finanzbehörde die Rechte und Pflichten, die der Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zustehen. Das heißt, dass die Finanzbehörde im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahrnimmt. Damit ist immer da, wo das Gesetz die Staatsanwaltschaft anspricht, auch die Finanzbehörde gemeint. § 400 AO erlaubt auch die Beantragung eines Strafbefehls durch die Behörde. Muss im konkreten Einzelfall Anklage erhoben werden, muss die Behörde das Verfahren spätestens nach dem Abschluss der Ermittlungen, der in den Akten zu vermerken ist (s. § 169a StPO) zur Anklageerhebung an die Staatsanwaltschaft abgeben, da diese nicht mehr zum Ermittlungsverfahren gehört.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Soweit aufgrund von § 387 Abs. 2 AO für die Bereiche mehrerer Finanzbehörden gemeinsame Strafsachenstellen gebildet worden sind (s. § 387 AO Rz. 3), stehen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft diesen Stellen zu. Jedoch behalten die Finanzbehörden, für deren Bereich eine gemeinsame Strafsachenstelle besteht, sowohl das Recht wie auch die Pflicht, bei dem Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um eine Verdunkelung der Sache zu verhindern (§ 399 Abs. 2 AO). Dazu gehören – Gefahr im Verzug vorausgesetzt – insbes. Beschlagnahmen, Durchsuchungen und Notveräußerungen. Die Finanzbehörde wird dabei im Rahmen der Vorschriften tätig, die für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) gelten (s. §§ 98, 105, 111 e, f, l StPO). Über die Fortdauer einer nach § 399 Abs. 2 AO getroffenen Maßnahme befindet die Strafsachenstelle, die erforderlichenfalls die Bestätigung des Gerichts einholt.

B. Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Tätigkeit der Finanzbehörde bei der Ermittlung von Steuerstraftaten unterliegt dem Legalitätsprinzip (s. § 152 StPO). Das bedeutet, dass die Finanzbehörden wegen der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Steuerstraftaten ausnahmslos zum Einschreiten gesetzlich verpflichtet sind. Die Finanzbehörde muss einschreiten, sobald sie von dem Verdacht einer Steuerstraftat Kenntnis erhält (s. § 160 StPO; s. § 397 AO Rz. 2), gleichgültig auf welche Weise dies geschieht. In Betracht kommen eingehende Anzeigen oder eigene Wahrnehmungen. Vage Vermutungen reichen nicht aus. Es müssen Tatsachen bekannt werden, die das Vorliegen einer Steuerstraftat hinreichend konkretisieren. Die Person des Täters braucht noch nicht festzustehen. § 398 AO erlaubt jedoch die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen. Weitere Einschränkungen des Legalitätsprinzips ergeben sich aus den §§ 153, 153 a, § 154 Abs. 1, § 154a Abs. 1 und § 154c StPO.

 

Tz. 4

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Das Legalitätsprinzip hat keine Geltung, soweit es sich um die Ermittlung von Steuerordnungswidrigkeiten handelt. Ihre Verfolgung liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde (Opportunitätsprinzip, s. § 47 OWiG). Dasselbe gilt für Zollstraftaten im Reiseverkehr über die Grenze (s. § 32 ZollVG).

C. Art der Ermittlungen

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zur Erforschung des Sachverhaltes kann die Finanzbehörde gegen Tatverdächtige Ermittlungen entweder selbst anstellen oder durch die Angehörigen des Steuer- und Zollfahndungsdienstes (s. § 404 AO) sowie in Ausnahmefällen durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes ausführen lassen (s. § 161 StPO). Die Finanzbehörde kann Personen, die als Zeugen und Sachverständige in Betracht kommen, vernehmen sowie Auskünfte von Behörden, Banken und sonstigen Stellen einholen (s. §§ 161a, 163a StPO). Die Behörde kann auch das zuständige Gericht um die Vornahme von Vernehmungen und von Vereidigungen ersuchen (s. § 162 StPO), was in Anbetracht der nur dem Richter zustehenden Zwangsbefugnisse zweckmäßig sein kann (s. §§ 51, 70, 133, 134 StPO) oder auch mit Hinblick auf die Unterbrechung der Verjährung (s. § 78c Abs. 1 Nr. 2 StGB). Eigene Zwangsmittel hat die Finanzbehörde im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht. Bezüglich des Beschuldigten unterstreicht das § 393 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO. Auch Zwang gegenüber Dritten, die nicht als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommen, kann nur der Richter anordnen.

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine vorläufige Festnahme von Personen durch die Finanzbehörde ist nach Maßgabe des § 127 StPO möglich, also wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird. Diese Möglichkeit ist in der Praxis allenfalls in den Fällen der §§ 372 bis 374 AO von Bedeutung. Eher denkbar sind Fälle, bei denen Gefahr in Verzug gegeben ist und die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen (s. §§ 112, 127 Abs. 2 StPO). Erwähnt sei noch § 164 StPO, wonach eine vorübergehende Festnahme von Personen statthaft ist, die Amtshandlungen stören.

D. Beschlagnahme und Durchsuchung

Schrifttum

Joecks, Die Stellung der Kreditwirtschaft im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren, WM Beilage ...

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