A. Einführung

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die in § 375 Abs. 1 AO vorgesehenen Ehrenstrafen setzen – wie sich aus der Hauptstrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsentzug ergibt – eine Steuerstraftat voraus, die im Unrechtsgehalt einem Verbrechen gleichkommt (s. § 12 Abs. 1 StGB), ohne dass es sich um ein Verbrechen handeln muss. Betroffen werden die schwereren Fälle der in § 375 Abs. 1 AO genannten Straftaten. Ein besonders schwerer Fall muss nicht vorliegen. Demgegenüber ist die in § 375 Abs. 2 AO vorgesehene Einziehung nicht von einer Bestrafung und demnach auch nicht von einer Bestrafung in bestimmter Mindesthöhe abhängig. Sie kann auch selbstständig im objektiven Verfahren angeordnet werden, wenn aus tatsächlichen Gründen die Ermittlung und Strafverfolgung des Täters nicht möglich ist.

 

Tz. 2

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Sowohl den Ehrenstrafen des § 375 Abs. 1 AO wie der Einziehung gem. § 375 Abs. 2 AO ist gemeinsam, dass sie in das pflichtmäßige Ermessen des Gerichts gestellt sind (Kann-Vorschrift). Beide Nebenfolgen sind dem Strafregister zur Eintragung mitzuteilen, und zwar eine Einziehung auch dann, wenn sie neben einem Freispruch oder selbstständig angeordnet wird (s. § 5 Abs. 1 Nr. 7 BZRG).

B. Nebenstrafen an der Ehre

 

Tz. 3

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Als Nebenstrafen an der Ehre sieht § 375 Abs. 1 AO unter den dort bezeichneten Voraussetzungen die zeitliche Aberkennung der Fähigkeit vor, öffentliche Ämter zu bekleiden oder Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen. Ob es sich um Ämter oder Positionen handelt, die besoldet sind oder Ehrenfunktionen darstellen, macht keinen Unterschied. Das aktive Wahlrecht wird wegen Steuerstraftaten nicht entzogen, weil § 375 Abs. 1 AO nicht auf § 45 Abs. 5 StGB verweist.

 

Tz. 4

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§ 375 Abs. 1 AO findet aufgrund von Verweisungen bspw. auf folgende nichtsteuerliche Straftaten Anwendung: § 14 Abs. 3 Satz 1 5. VermBG, § 8 Abs. 2 Satz 1 WoPG. Gemäß § 6 JGG findet § 375 Abs. 1 AO keine Anwendung auf Jugendliche; bei Heranwachsenden s. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 106 Abs. 2 Satz 2 JGG.

 

Tz. 5

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Die Dauer der vorgesehenen Ehrenstrafe bestimmt das Gericht innerhalb des in § 45 Abs. 2 StGB vorgesehenen Rahmens von 2 bis 5 Jahren. Mit dem Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, verliert der Verurteilte zugleich die entsprechenden Rechtsstellungen und Rechte, die er innehat (s. § 45 Abs. 3 StGB). Entsprechendes gilt für den Verlust der Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (s. § 45 Abs. 4 StGB). Wegen des Eintritts und der Berechnung des Verlustes s. § 45a StGB. Eine Wiederverleihung von Fähigkeiten und Rechten vor dem Fristablauf sieht § 45b StGB vor.

C. Einziehung

I. Allgemeines

 

Tz. 6

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Der in § 375 Abs. 2 AO behandelten Einziehung von Gegenständen, auf die sich die Tat bezieht, und von Beförderungsmitteln, die zur Tat benutzt worden sind, kommt im Bereich der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (s. § 3 Abs. 3 AO und Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK; Zölle, EWG-Abschöpfungen, Einfuhrumsatzsteuer) und der Verbrauchsteuern erhebliche Bedeutung zu. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften für die Einziehung sind in den §§ 73ff. StGB geregelt; zur Neuregelung der Einziehung s. Rettke, wistra 2017, 417; Korte, wistra 2018, 1. Die auf § 375 Abs. 2 AO gestützte Einziehung hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise eine ihm gehörende Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH v. 23.08.2016, 1 StR 204/16, NStZ 2017, 361).

 

Tz. 7

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Die Einziehungsvorschrift des § 375 Abs. 2 AO ergänzt die allgemeine Einziehungsregelung der §§ 73ff. StGB (BGH v. 11.05.2016, 1 StR 118/16, NStZ 2016, 731). Die Einziehung erstreckt sich auf Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel) (s. § 74 Abs. 1 StGB). § 375 Abs. 2 AO ermöglicht die Einziehung von Schmuggelware und Beförderungsmitteln. Auch vorausfahrende oder nachfolgende Begleitfahrzeuge, die einen Transport unversteuerter Zigaretten lotsen oder absichern sollen, sind Beförderungsmittel im Sinne des § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO (BGH v. 11.05.2016, 1 StR 118/16, NStZ 2016, 731). Die Verweisung auf § 74a StGB ermöglicht die in den Fällen des Schmuggels besonders bedeutsame Anordnung der Einziehung gegen Hinter- oder Mittelsmänner des Täters (BGH v. 31.10.1994, 5 StR 608/94, wistra 1995, 30).

 

Tz. 8

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Die Regelungen des Verfalls in den §§ 73ff. StGB sind entfallen.

 

Tz. 9

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Die Einziehung bei Steuerordnungswidrigkeiten ist in der AO nicht gesondert geregelt. Es gelten die §§ 22 bis 29a, § 87 OWiG. Im Gegensatz zu den §§ 73f...

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