A. Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift entspricht inhaltlich § 810 ZPO. S. Abschn. 39, 45 VollzA.

 

Rz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die in § 294 Abs. 1 Satz 1 AO festgestellte Pfändbarkeit von Früchten, die vom Boden noch nicht getrennt sind, bewirkt eine Ausnahme von § 94 BGB, weil diese Früchte bis zu ihrer Trennung als wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens nicht sonderrechtsfähig sind. Die Sonderregelung bewirkt, dass mit der Pfändung ein Pfändungspfandrecht entsteht.

B. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Früchte auf dem Halm

 

Rz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Früchte i. S. der Vorschrift sind nur solche Erzeugnisse des Grund und Bodens, die in wiederkehrenden Abständen (nach Eintritt der Reife, s. § 294 Abs. 1 Satz 2 AO) geerntet zu werden pflegen (s. § 99 Abs. 1 BGB). Kohle, Torf, Steine, Holz usw. fallen daher nicht unter die Vorschrift.

II. Zeitpunkt der Pfändung

 

Rz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Frühester Pfändungszeitpunkt ist gemäß § 294 Abs. 1 Satz 2 AO ein Monat vor der gewöhnlichen Reifezeit. Dabei ist auf den Durchschnitt der örtlichen Verhältnisse abzustellen. Zur Pfändung ist ein landwirtschaftlicher Sachverständiger hinzuzuziehen, wenn anzunehmen ist, dass der Wert der zu pfändenden Gegenstände 1 000 EUR übersteigt (Abschn. 45 Abs. 1 Satz 1 VollzA). Die Vollziehungsanweisung weicht insofern von der gesetzlichen Regelung ab, die eine Hinzuziehung bereits ab 500 EUR vorsieht (§§ 295 AO i. V. m. § 813 Abs. ZPO).

III. Keine Beschlagnahme

 

Rz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Pfändung ist unzulässig, wenn die Früchte durch Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen in Beschlag genommen worden sind. Eine Beschlagnahme kann durch Anordnung der Zwangsversteigerung (§ 20 Abs. 1 ZVG) oder der Zwangsverwaltung (§ 146 Abs. 1 ZVG) erfolgen.

 

Rz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Erfolgt eine Pfändung trotz Beschlagnahme, ist die Pfändung anfechtbar. Sie ist nicht nichtig (Kruse in Tipke/Kruse, § 294 AO Rz. 5). Die Beschlagnahme nach der Pfändung berührt die Pfändung nicht. Der dinglich Berechtigte kann jedoch nach § 262 AO widersprechen (s. Rz. 8).

IV. Keine Unpfändbarkeit

 

Rz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Unzulässigkeit der Pfändung kann sich daraus ergeben, dass der Schuldner die Früchte zur Sicherung seines Unterhalts, seiner Familie und seiner Arbeitnehmer oder zur Fortführung der Wirtschaft bis zur nächsten Ernte gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse benötigt (§ 295 AO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

V. Einwendungen der Realgläubiger (§ 294 Abs. 2 AO)

 

Rz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 294 Abs. 2 AO stellt klar, dass die Früchte trotz der Pfändungsmöglichkeit weiter im Rahmen des unbeweglichen Vermögens haften. Drittwiderspruchsklage gemäß § 262 AO kann erheben, wer gegenüber dem Pfändungspfandrecht ein vorrangiges Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück erhebt. Statt einer Drittwiderspruchsklage kann der Realgläubiger auch die mindere Klage nach § 293 AO erheben und vorrangige Befriedigung aus dem Erlös verlangen. Wer ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück hat und mit welchem Rang, bestimmt zusammenfassend § 10 ZVG:

§ 10 ZVG [Rangordnung der Rechte]

(1) Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstücke gewähren nach folgender Rangordnung, bei gleichem Range nach dem Verhältnis ihrer Beträge:

1. der Anspruch eines die Zwangsverwaltung betreibenden Gläubigers auf Ersatz seiner Ausgaben zur Erhaltung oder nötigen Verbesserung des Grundstücks, im Falle der Zwangsversteigerung jedoch nur, wenn die Verwaltung bis zum Zuschlage fortdauert und die Ausgaben nicht aus den Nutzungen des Grundstücks erstattet werden können;
1a. im Falle einer Zwangsversteigerung, bei der das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet ist, die zur Insolvenzmasse gehörenden Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Feststellung der beweglichen Gegenstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt; diese Kosten sind nur zu erheben, wenn ein Insolvenzverwalter bestellt ist, und pauschal mit vier vom Hundert des Wertes anzusetzen, der nach § 74a Abs. 5 Satz 2 festgesetzt worden ist;
2. bei Vollstreckung in ein Wohnungseigentum die daraus fälligen Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums, die nach § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5 des Wohnungseigentumsgesetzes geschuldet werden, einschließlich der Vorschüsse und Rückstellungen sowie der Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer. Das Vorrecht erfasst die laufenden und die rückständigen Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren. Das Vorrecht einschließlich aller Nebenleistungen ist begrenzt auf Beträge in Höhe von nicht mehr als 5 vom Hundert des nach § 74a Abs. 5 festgesetzten Wertes. Die Anmeldung erfolgt durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Rückgriffsansprüche einzelner Wohnungseigentümer werden von diesen angemeldet;
3. die Ansprüche auf Entrichtung der öffentlichen Lasten des Grundstücks wegen der aus den letzten vier Jahren rückständigen Beträge; wiederkehrende Leistungen, insbesondere Grundsteuern, Zinsen, Zuschläge oder Rentenleistungen, sowie Beträge, die zur allmählichen Tilgung einer Schul...

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