Schrifttum

S. Schrifttum zu § 204 AO.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die verbindliche Zusage steht unter dem Grundsatz der "rebus clausula sic stantibus" und setzt immanent den Fortbestand der Rechtslage voraus, unter der sie erteilt worden ist. Ändert diese sich, hat dies unter bestimmten Voraussetzungen Auswirkungen auf den Bestand der verbindlichen Zusage. Außerdem setzt die Bindungswirkung der Zusage voraus, dass sich der beurteilte Sachverhalt nicht ändert. § 207 AO regelt, unter welchen Umständen die Zusage ihre Bindungswirkung verliert. Die Vorschrift ist lex specialis gegenüber den sonst einschlägigen §§ 129, 130 f. AO.

B. Änderung von Rechtsvorschriften (§ 207 Abs. 1 AO)

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Werden die Rechtsvorschriften, auf denen die verbindliche Zusage beruht, geändert, tritt vom Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der neuen Rechtsvorschriften an die verbindliche Zusage außer Kraft (§ 207 Abs. 1 AO). Die Bindungswirkung entfällt automatisch, die Finanzbehörde muss die Zusage nicht widerrufen (BFH v. 21.03.1996, XI R 82/94, BStBl II 1996, 518).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unter Rechtsvorschriften sind nur Rechtsnormen, nicht Verwaltungsanweisungen oder eine geänderte Rechtsprechung zu verstehen (AEAO zu § 207, Nr. 1). Wegen ihrer konstitutiven Wirkung steht die Nichtig- oder Unvereinbarkeitserklärung einer Vorschrift durch das BVerfG der Änderung gleich (h. M.; u. a. Seer in Tipke/Kruse, § 207 AO Rz. 3 m. w. N.). Die Änderung der Rechtsvorschrift muss der Beurteilung des Sachverhalts in der Zusage aufgrund der bisherigen Rechtsvorschrift die Grundlage entziehen. Die Finanzbehörde ist nicht verpflichtet, den Stpfl. auf die Änderung der Rechtsnorm hinzuweisen.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Außer-Kraft-Treten der Zusage rechtfertigt regelmäßig auch dann keine Billigkeitsmaßnahme, wenn der Stpfl. im Vertrauen auf die Zusage disponiert hat, weil eine derartige Entwicklung zumindest nicht außerhalb des Möglichen liegt und das Gesetz darauf eine eindeutige Antwort gibt; sachliche Billigkeitsgründe i. S. der §§ 163 und 227 AO sind daher im Allgemeinen nicht erkennbar (Rüsken in Klein, § 207 AO Rz. 1; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 414 m. w. N.; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 207 AO Rz. 7). Aus AEAO zu § 207, Nr. 2 kann nichts anderes geschlossen werden, denn diese Weisung betrifft nach ihrem Wortlaut nur den Fall der Aufhebung oder Änderung der Zusage nach § 207 Abs. 2 AO, und dies zu Recht, weil bei der Aufhebung der Zusage durch die Finanzbehörde dem Vertrauensschutz ein größeres Gewicht beigemessen werden muss als beim Außer-Kraft-Treten nach § 207 Abs. 1 AO.

C. Aufhebung oder Änderung ex nunc (§ 207 Abs. 2 AO)

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde kann eine verbindliche Zusage nach pflichtgemäßem Ermessen mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern (§ 207 Abs. 2 AO), ohne dass dies weiterer Voraussetzungen bedarf. Veranlassung hierzu kann insbes. der materiellrechtlich unzutreffende und damit rechtswidrige Inhalt der Auskunft (BFH v. 02.09.2009, I R 20/09, BFH/NV 2010, 391), eine Änderung der Rechtsprechung oder der Rechtsauffassung der Verwaltung sein. Die Finanzbehörde muss bei ihrer Ermessensentscheidung zum einen ihre Verpflichtung, gesetzmäßig zu handeln, und zum anderen das Interesse des Stpfl. am Bestand der Zusage, ggf. auch die Auswirkungen der Bevorzugung des Stpfl. auf seine Mit-Wettbewerber berücksichtigen. Eine Aufhebung ist ermessensgerecht, wenn das Allgemeininteresse an der Wahrung der Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung das subjektive Vertrauensschutzinteresse des Stpfl. überwiegt (Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 474). Ist die Behandlung des Sachverhalts in der Zusage rechtmäßig, ist daher die Aufhebung oder Änderung nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. Ist sie rechtswidrig, steht die Verpflichtung der Finanzbehörde zur gleichmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung im Vordergrund (Seer in Tipke/Kruse, § 207 AO Rz. 11; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 417 m. w. N.). Die Aufhebung kann zeitlich solange erfolgen, wie die verbindliche Zusage noch nicht in einer Endentscheidung wie der Steuerfestsetzung umgesetzt worden ist. Ist der in der Zusage beurteilte Sachverhalt zwar verwirklicht, aber noch nicht in einer Endentscheidung berücksichtigt worden, kann eine Aufhebung oder Änderung in Betracht kommen; die Tatsache, dass der Sachverhalt verwirklicht worden ist, ist jedoch bei den Ermessenserwägungen zu berücksichtigen (Seer in Tipke/Kruse, § 207 AO Rz. 9 und 11; Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 474).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Hat der Stpfl. im Vertrauen auf den Bestand der Zusage den von der Zusage betroffenen Sachverhalt bereits verwirklicht oder sich einschlägig vertraglich gebunden, kann es aus ausnahmsweise Billigkeitsgründen geboten sein, von der Aufhebung oder Änderung der Zusage abzusehen oder ihre Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Dies ist i. d. R. dann geboten, wenn er sich nicht mehr ohne erheblichen Aufwand bzw. unter beträchtlichen Schwierigke...

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