Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Voraussetzung für die Gewährung einer Stundung ist, dass die Einziehung bei Fälligkeit für den Steuerschuldner eine erhebliche Härte bedeuten würde (§ 222 Satz 1 AO). Eine erhebliche Härte i. S. der Vorschrift ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Entrichtung der Steuer oder sonstigen Geldleistungen am Fälligkeitstag dazu führen würde, dass im geschäftlichen oder im persönlichen Bereich des Schuldners finanzielle Einengungen eintreten, die über das mit dem Geldabfluss normalerweise verbundene Ausmaß wesentlich hinausgehen und vom Schuldner auch nicht durch geeignete Vorsorge abgewendet werden konnten.

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei der Prüfung ist außer der Zahlungsfähigkeit auch der Zahlungswille des Stpfl. zu berücksichtigen (BFH v. 02.08.1962, IV 152/59, HFR 1963, 86). Der Schuldner braucht seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht den Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten einzuräumen, er darf sie aber auch nicht gegenüber diesen willkürlich zurückstellen. Die Aufnahme von Kredit zwecks Tilgung von Steuerschulden ist grundsätzlich zumutbar (BFH v. 25.08.1960, IV 317/59, HFR 1961, 17; s. auch BFH v. 08.03.1990, IV R 34/98, BStBl II 1990, 673). Die sofortige Einziehung von nicht ohne Weiteres voraussehbaren Ansprüchen (z. B. Nachzahlungsansprüchen nach einer Außenprüfung) kann eine erhebliche Härte bedeuten. Sind Abschlusszahlungen aufgrund der abgegebenen Steuererklärungen jedoch für den Stpfl. rechtzeitig erkennbar, können sie nur gestundet werden, wenn der Schuldner aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund zum Fälligkeitszeitpunkt über die erforderlichen Mittel nicht verfügt und auch nicht in der Lage ist, sich diese Mittel auf zumutbare Weise zu beschaffen (BFH v. 21.08.1973, VIII R 8/68, BStBl II 1974, 307).

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Wege der Verrechnungsstundung (auch sog. technische Stundung) können Steueransprüche gestundet werden, wenn und soweit der Steuerschuldner zugleich Erstattungsansprüche gegenüber dem FA hat. Hierbei ist nicht zwingend Voraussetzung, dass die Steuererklärung bereits dem FA vorliegt (BFH v. 12.06.1996, II R 71/94, BFH/NV 1996, 873; BFH v. 12.11.1997, XI R 22/97, BFH/NV 1998, 418). Andererseits genügt nicht, dass nur eine ungewisse oder unbestimmte Aussicht auf Steuererstattung besteht. Eine erhebliche Härte i. S. von § 222 Satz 1 AO liegt nur dann vor, wenn der Gegenanspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und in absehbarer Zeit fällig werden wird; d. h. der Gegenanspruch muss zur Zeit der Steuereinziehung bereits nach Grund und Höhe rechtlich wie tatsächlich schlüssig belegt sein und in naher Zeit fällig werden (BFH v. 06.10.1982, I R 98/81, BStBl II 1983, 397; BFH v. 29.11.1984, V B 44/84, BStBl II 1985, 194; s. hierzu Sangmeister, DStZ 1984, 504).

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein vom Finanzamt bisher nicht anerkannter Vorsteuerüberschuss rechtfertigt für sich allein keine Stundung (BFH v. 07.03.1985, IV R 161/81, BStBl II 1985, 449). Eine Verrechnungsstundung einbehaltener Kapitalertragsteuer mit aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu erwartender Körperschaftsteuererstattung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die ausschüttende Körperschaft als Entrichtungsschuldner nur fremdes Geld abzuführen hat (BFH v. 15.12.1999, I R 113/98, BFH/NV 2000, 1066; BFH v. 23.08.2000, I R 107/98, BStBl II 2001, 742). Der aus § 242 BGB abgeleitete Grundsatz "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est" ist ein allgemeiner und begründet keine über die steuerliche Spezialregelung des § 222 AO hinausgehende Stundungsmöglichkeit (BFH v. 24.03.1998, I R 120/97, BStBl II 1999, 3).

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des den Anspruch festsetzenden Verwaltungsakts können grundsätzlich im Stundungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Sie sind Gegenstand des Einspruchsverfahrens und berühren die damit zusammenhängende Frage der Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO). Im Übrigen können die "erhebliche Härte" i. S. von § 222 AO und die "unbillige Härte" i. S. von § 361 AO nicht gleichgesetzt werden. An das Vorliegen einer erheblichen Härte sind mindere Anforderungen zu stellen (BFH v. 09.12.1999, III B 16/99, BFH/NV 2000, 885).

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