Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelmäßig keine Stundung einbehaltener Kapitalertragsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entrichtung der aufgrund einer Gewinnausschüttung einbehaltenen Kapitalertragsteuer bedeutet regelmäßig keine "erhebliche Härte" i.S. des § 222 Satz 1 AO 1977 für den Dividendenschuldner.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 168, 222 Sätze 1, 3; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Sätze 1, 3, 5, Abs. 2; KStG § 27 Abs. 3 S. 1; KStR 1995 Abschn. 77 Abs. 6

 

Verfahrensgang

FG Köln (EFG 1999, 7; LEXinform-Nr. 0146966)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, deren Einkünfte im Wesentlichen aus den Ausschüttungen zweier Tochter-GmbH stammen.

Am 4. Juli 1996 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, den Gewinn für das Geschäftsjahr 1995 an die Gesellschafter der Klägerin zum 2. September 1996 auszuschütten. Mit Beschluss vom 2. September 1996 wurde als Tag der Ausschüttung der 30. September 1996 bestimmt. U.a. infolge der Körperschaftsteuerminderung aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung rechnete die Klägerin mit einer Erstattung von Körperschaftsteuer für 1995. Mit am 13. September 1996 ergangenem Körperschaftsteuerbescheid für 1995 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Ausschüttungsbelastung mangels Abflusses der Ausschüttung nicht her (Abschn. 77 Abs. 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995KStR 1995―).

Am 9. Oktober 1996 meldete die Klägerin die Kapitalertragsteuer 09/96 an und beantragte deren teilweise Verrechnung mit der aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu erwartenden Körperschaftsteuererstattung (sog. Verrechnungsstundung). Mit geändertem Körperschaftsteuerbescheid vom 4. November 1996 berücksichtigte das FA zwar die Ausschüttungsbelastung, lehnte jedoch die beantragte Verrechnungsstundung ab. Für den Zeitraum vom 11. Oktober 1996 bis 10. Dezember 1996 setzte das FA gegen die Klägerin Säumniszuschläge fest.

Die Klage mit dem Begehren, das FA zu verpflichten, den Antrag auf Verrechnungsstundung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Finanzgerichts (FG) erneut zu bescheiden, hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1999, 7).

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 222 der Abgabenordnung (AO 1977) und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Voraussetzung für eine Stundung von Ansprüchen aus einem Steuerschuldverhältnis ist, dass die Einziehung für den Schuldner eine "erhebliche Härte" bedeuten würde (§ 222 Satz 1 AO 1977). Der Senat lässt im Streitfall dahinstehen, ob unter den Ausdruck "Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis" i.S. des § 222 Satz 1 AO 1977 auch der Abzug und die Entrichtung von für fremde Rechnung einbehaltener Kapitalertragsteuer fällt (verneinend: Senatsurteil vom 24. März 1998 I R 120/97, BFHE 186, 98, BStBl II 1999, 3). Selbst wenn man diese Rechtsfrage bejahen wollte, fehlt es auf Seiten des Entrichtungsschuldners an einer erheblichen Härte i.S. des § 222 Satz 1 AO 1977. Die Kapitalertragsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Ihr Schuldner ist in Fällen wie dem Streitfall der Dividendengläubiger (Anteilseigner und Steuerpflichtiger). Die Klägerin behält als Entrichtungsschuldner die Kapitalertragsteuer lediglich für Rechnung des Anteilseigners ein. Für sie bedeutet die Entrichtung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer die "Abführung fremden Geldes". Die Tatsache, dass der Entrichtungsschuldner nur fremdes Geld abzuführen hat, schließt die Annahme einer "erheblichen Härte" i.S. des § 222 Satz 1 AO 1977 für ihn regelmäßig aus (vgl. Senatsurteil vom 30. Mai 1990 I R 115/86, BFH/NV 1990, 757). Die Ablehnung einer entsprechenden Verrechnungsstundung bedeutet deshalb regelmäßig eine sachgerechte Ermessensausübung durch das FA.

Der Senat pflichtet auch nicht den verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin bei, die in der Versagung der Verrechnungsstundung eine "Erdrosselung des Entrichtungsschuldners" im Falle der verzögerten Erstattung von Körperschaftsteuer infolge der Herstellung der Ausschüttungsbelastung sieht. Die Kapitalertragsteuer ist eine zu Lasten der Gesellschafter erhobene Steuer. Sie entsteht durch die Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses und die ihr folgende Ausschüttung. Eine etwaige "Erdrosselung des Entrichtungsschuldners" beruht deshalb nicht auf der Entrichtungsschuld als solcher, sondern sie entsteht allenfalls schon vorher durch den Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafter. Durch diesen wird Eigenkapital der Gesellschaft in Fremdkapital umgewandelt. Hierin liegt bereits der potentiell erdrosselnd wirkende Eingriff in das Vermögen der Gesellschaft. Erst als Folge dieser Umwandlung entsteht auf Seiten der Klägerin die steuerrechtliche Verpflichtung, das Fremdkapital teilweise zur Erfüllung der Steuerschulden der Gesellschafter verwenden zu müssen. Dieser Entrichtungsschuld kommt für sich genommen keine erdrosselnde Wirkung mehr zu.

Auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung kann keine Stundung rechtfertigen, wenn bereits der Tatbestand des § 222 Satz 1 AO 1977 nicht erfüllt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510228

BFH/NV 2001, 220

BStBl II 2001, 742

BFHE 193, 17

BFHE 2001, 17

BB 2000, 2619

DB 2000, 2565

DStR 2000, 2127

DStRE 2001, 45

HFR 2001, 102

StE 2000, 776

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