Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wichtige konkrete Einzelfälle, in denen Nichtigkeit kraft Gesetzes eintritt, ohne dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 AO geprüft werden muss (absolute Nichtigkeitsgründe), enthält § 125 Abs. 2 AO.

I. Fehlende Behördenbezeichnung

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein schriftlicher oder elektronischer Steuerverwaltungsakt, der die erlassende Finanzbehörde nicht erkennen lässt, ist nichtig (§ 125 Abs. 2 Nr. 1 AO). Zum diesbezüglichen Erfordernis s. § 119 Abs. 3 AO.

II. Unausführbarer Steuerverwaltungsakt

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nichtig ist auch ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann (§ 125 Abs. 2 Nr. 2 AO). Hierunter können nur solche Verwaltungsakte fallen, die von dem Adressaten ein Tun oder Unterlassen verlangen. Entscheidend ist, ob die behördliche Anordnung tatsächlich von irgendjemand befolgt werden könnte, nicht, ob der Adressat konkret dazu in der Lage ist. Die Vorschrift betrifft daher die Fälle der objektiven Unmöglichkeit und ist auf subjektive Unmöglichkeit nicht anwendbar. Objektiv unmöglich ist z. B. die Anforderung einer nicht errichteten notariellen Urkunde oder das Verlangen auf Vorlage einer tatsächlich untergegangenen Sache (verbrannte Geschäftspapiere, Wechsel usw.). Objektiv unmöglich ist ferner die Duldung einer bzw. die Mitwirkung an einer Außenprüfung, für die eine Prüfungsanordnung erst nach Abschluss der Prüfungshandlungen erlassen wurde (s. FG RP v. 18.10.1983, 2 K 29/83, EFG 1984, 380; s. FG Bln v. 11.09.1984, VII 150/83, EFG 1985, 380; a. A. s. FG Mchn v. 27.11.1981, VIII 182/81, EFG 1982, 336) sowie eine Anordnung i. S. des § 141 Abs. 2 Satz 1 AO, die einen Landwirt verpflichtet, ab einem zurückliegenden Zeitpunkt Bücher zu führen (s. BFH v. 17.10.1985, IV R 187/83, BStBl II 1986, 39). Die nur rechtliche Unmöglichkeit reicht nicht aus (z. B. Verlangen nach Sicherungsübereignung eines einem Dritten gehörenden Gegenstands).

III. Verlangen einer rechtswidrigen Tat

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verlangt ein Verwaltungsakt vom Adressaten die Begehung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, so ist er ebenso ohne Weiteres nichtig (§ 125 Abs. 2 Nr. 3 AO). Voraussetzung für Nichtigkeit ist jedoch, dass eine Strafbarkeit nach inländischem Strafrecht vorliegt. Eine mögliche Strafbarkeit der von einem inländischen Steuerpflichtigen verlangten Handlung (z. B. eine Auskunft) nach ausländischem Recht führt dagegen nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes (BFH v. 16.11.2016, II R 29/13, BFHE 256, 364, BStBl II 2017, 413).

IV. Sittenwidriger Steuerverwaltungsakt

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Steuerverwaltungsakte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig (§ 125 Abs. 2 Nr. 4 AO). Das Gesetz übernimmt hier den Grundgedanken des § 138 BGB. Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Dies kann jedoch keine Nichtigkeit von Verwaltungsakten bewirken, die sich auf eine Rechtsvorschrift stützen, deren Folgen der Betroffene als sittenwidrig erachtet. Dass z. B. ein Steuersatz "konfiskatorisch" ist, kann nicht durch Geltendmachung der Nichtigkeit des einzelnen Steuerbescheids behauptet, sondern nur durch verfassungsgerichtliche Klärung der Gültigkeit des Gesetzes festgestellt werden.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge