Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die grundsätzliche Gleichstellung mit den in § 34 Abs. 1 AO genannten gesetzlichen Vertretern betrifft jeden, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt.

I. Begriff

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Begriff des Verfügungsberechtigten knüpft an den dem bürgerlichen Recht entnommenen Begriff der Verfügung an. Im Gegensatz zum sog. (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäft wirkt die (dingliche) Verfügung unmittelbar auf die rechtliche Zuordnung eines Gegenstandes ein. In diesem Sinn ist Verfügung insbes. die Übereignung beweglicher und unbeweglicher Sachen, die Abtretung von Rechten, die Belastung eines Gegenstandes mit dinglichen Rechten (z. B. Begründung eines Pfandrechts, des Nießbrauchs) und die Aufhebung von Rechten (z. B. Erlassvertrag). Nur wer das Recht hat, d. h. kraft Gesetzes oder infolge eines zugrunde liegenden Auftragsverhältnisses im weitesten Sinne bevollmächtigt ist, derartige Verfügungen vorzunehmen, ist verfügungsberechtigt (Kontenvollmacht: BFH v. 08.12.2010, VII B 102/01, BFH/NV 2011, 740).

II. Auftreten als Verfügungsberechtigter

 

Tz. 4

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Die Vorschrift stellt nicht auf das wirkliche Innehaben einer derartigen Verfügungsberechtigung ab, sondern darauf, ob jemand als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namenauftritt. Der erste Satzteil der Vorschrift lässt die Annahme zu, sie beträfe auch solche als Verfügungsberechtigte auftretende Personen, die in Wirklichkeit nicht verfügungsberechtigt sind, sei es, dass sie die Verfügungsberechtigung vortäuschen oder irrtümlich annehmen. Die Einschränkung im zweiten Satzteil, dass der als Verfügungsberechtigter Auftretende die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nur hat, "soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann", widerspricht dieser Annahme jedoch. Im Ergebnis werden daher nur solchen Personen die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (s. § 34 Abs. 1 AO) auferlegt, die aufgrund rechtlich bestehender Verfügungsmacht als Verfügungsberechtigte auftreten (BFH v. 16.03.1995, VII R 38/94, BStBl II 1995, 859; BFH v. 27.05.2009, VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 zum schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter).

 

Tz. 5

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Im eigenen Namen tritt als Verfügungsberechtigter auf, wer ein originäres Verfügungsrecht zu haben angibt, ohne Rücksicht darauf, ob dies zutrifft oder nicht (BFH v. 24.04.1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).

 

Tz. 6

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Im fremden Namen tritt als Verfügungsberechtigter auf, wer sich nach außen hin als Inhaber eines abgeleiteten Verfügungsrechts geriert. Es ist nicht erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte als solcher gegenüber der Finanzbehörde aufgetreten ist (BFH v. 29.10.1985, VII R 186/82, BFH/NV 1986, 192). Es genügt das Auftreten gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit (BFH v. 24.04.1991, I R 56/89, BFH/NV 1992, 76).

 

Tz. 7

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Als Verfügungsberechtigte kommen beispielsweise Prokuristen in Betracht (s. § 49 HGB), wenn sie als solche auftreten (BFH v. 29.10.1985, BFH/NV 1986, 192; BFH v. 23.04.2007, VII B 92/06, BStBl II 2009, 622), allerdings nur innerhalb des ihnen zugewiesenen Geschäftsbereichs, soweit sie dessen Rahmen nicht überschreiten (BFH v. 19.07.1984, V R 70/79, BStBl II 1985, 147). In Betracht kommen auch Treuhänder und zur Verwertung des Sicherungsgutes berechtigte Sicherungsnehmer zumindest dann, wenn ihnen Befugnisse zustehen, die über die schlichte Möglichkeit, aus der Sache oder dem Recht Befriedigung zu erlangen, hinausgehen. Dafür reicht es aber nicht aus, dass sich z. B. eine Bank zur Sicherung ihrer Kredite hat Forderungen abtreten lassen und dass sie tatsächlich in der Lage ist, auf die Geschäftsführung des Kreditnehmers Einfluss zu nehmen, wenn sie im Außenverhältnis nicht wirksam für ihn handeln kann (BFH v. 16.03.1995, VII R 38/94, BStBl II 1995, 859; denkbar ist in einem solchen Fall allerdings eine Haftung nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO). Ein Sachwalter kann nach Maßgabe des § 275 InsO die Eigenschaft eines Verfügungsberechtigten haben. Ein Treuhänder ist in der Phase der Restschuldbefreiung nach § 292 InsO insoweit Verfügungsberechtigter, als er vereinnahmte Beträge für Zahlungen an Insolvenzgläubiger einzusetzen hat.

 

Tz. 8

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Ist der Geschäftsführer einer Organmuttergesellschaft nach der Geschäftsverteilung der Unternehmensgruppe faktischer Geschäftsführer anderer Gesellschaften im Konzernverbund und übt er diese Befugnis tatsächlich aus, so ist er Verfügungsberechtigter i. S. der Vorschrift (BFH v. 21.02.1989, VII R 165/85, BStBl II 1989, 491). Verfügungsberechtigter ist auch der beherrschende Gesellschafter, wenn er der wirkliche Oberleiter des Unternehmens ist (BFH v. 16.01.1989, I R 7/77, BStBl II 1989, 526), bzw. der Alleingesellschafter einer GmbH nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers (BFH v. 27.11.1990, VII R 20/89, BStBl II 1991, 284). Verfügungsberechtigter ist im Übrigen auch jeder faktische Geschäftsführer z. B. ein...

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