I. Festsetzung des Steueranspruchs durch Bescheid

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Steuerfestsetzung erfolgt im Anschluss an die Sachaufklärung und ggf. nach Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 91 Abs. 1 Satz 1 AO) durch Steuerbescheid. Form und Inhalt des Steuerbescheids regelt § 157 Abs. 1 AO (s. § 157 AO Rz. 7 ff.). Teil- oder Zwischenentscheidungen sind nicht zulässig (s. Güroff in Gosch, § 155 AO Rz. 9 m. w. N.); ist die Sach- oder Rechtslage nicht abschließend geklärt, besteht die Möglichkeit, die Steuer unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder vorläufig (§ 165 AO) festzusetzen. Nach § 155 Abs. 1 Satz 2 AO ist Steuerbescheid der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt, nicht die bei den Akten der Behörde verbleibende Verfügung oder die Zweitschrift, der Berechnungsbogen o. Ä. Er wird durch Bekanntgabe wirksam, (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO), er entsteht mit seiner Bekanntgabe (s. § 124 AO Rz. 2; BFH v. 25.11.2002, GrS 2/01, BStBl II 2003, 548 m. w. N.). Die Bekanntgabe setzt einen Bekanntgabewillen des nach seiner Stellung zum Erlass eines Verwaltungsakts befugten Bediensteten der Finanzbehörde voraus, wobei Fehler bei der Beachtung der verwaltungsinternen Befugnisse unbeachtlich sind (BFH v. 23.08.2000, X R 27/98, BStBl II 2001, 662 m. w. N.; AEAO zu § 122, Nr. 1.1.2).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 124 Abs. 1 Satz 2 AO wird der Steuerbescheid mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben worden ist. Bei Abweichung des Inhalts vom Gewollten wegen Schreib- oder Rechenfehlern bzw. sonstigen offenbaren Unrichtigkeiten kommt ggf. die Berichtigung nach § 129 AO in Betracht.

II. Bindungswirkung

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Steuerbescheid ist bindend für die Beteiligten und die Finanzbehörde, soweit er nicht aufgehoben oder geändert wird (§ 124 Abs. 2 AO). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den im Bescheid genannten Steuerschuldner, auf die im Bescheid festgesetzte Steuer nach Art und Höhe und bei periodischen Steuern (ESt, KSt, USt) auf den Bemessungs- oder Veranlagungszeitraum. Keine Bindungswirkung entfaltet eine in einem Steuerbescheid zugrunde gelegte Rechtsansicht der Finanzbehörde für künftige Steuerfestsetzungen (Grundsatz der Abschnittsbesteuerung; s. § 4 AO Rz. 58 und 74 m. w. N.).

III. Verpflichtung zur Steuerfestsetzung

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde ist zur Festsetzung der Steuer grundsätzlich verpflichtet (§ 85 AO), sie hat insoweit kein Ermessen. Ausnahmen z. T. mit der Folge einer Ermessensbefugnis der Finanzbehörde ergeben sich aus s. § 156 AO i. V. m. der KBV (s. § 156 AO Rz. 3) bzw. der Möglichkeit, von einer Steuer abzusehen (s. § 156 AO Rz. 4), aus § 163 AO bei einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (s. auch Güroff in Gosch, § 155 AO Rz. 8), aus § 167 Abs. 1 Satz 1 AO bei der Steueranmeldung (s. § 167 AO Rz. 3), aus § 167 Abs. 1 Satz 2 AO bei der Verwendung von Steuerzeichen und Steuerstemplern (s. § 167 AO Rz. 6), aus § 167 Abs. 1 Satz 3 AO bei schriftlichem Anerkenntnis der Zahlungspflicht (s. § 167 AO Rz. 7) und im Verfahren des Steuerabzugs an der Quelle (§§ 38ff., 43 ff., 50a EStG) sowie bei verfahrensrechtlichen Hindernissen wie z. B. bei einem Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (s. § 4 AO Rz. 56 ff. ff. sowie Rz. 76 ff. im Falle der Verwirkung), bei Festsetzungsverjährung wegen Erlöschens der Steuerschuld (s. § 169 AO Rz. 21) und bei Insolvenz (s. § 174 Abs. 1 InsO, § 251 Abs. 2 AO; s. § 251 AO Rz. 26).

IV. Erstattungsansprüche

 

Tz. 8

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Erstattungsansprüche, d. h. Ansprüche, die auf Rückzahlung einer überzahlten Steuer gerichtet sind und die weder die Festsetzung einer Steuer noch die Freistellung von einer Steuer voraussetzen, fallen nicht unter § 155 Abs. 1 Satz 1 AO (AEAO zu § 155, Nr. 3). Sie entstehen mit der begünstigenden Änderung von Steuerbescheiden oder kraft Gesetzes z. B. bei rechtsgrundloser Zahlung, Zahlung bei nichtigem oder unwirksamem Steuerbescheid (s. dazu § 37 Abs. 2 AO) und sind im Erhebungsverfahren geltend zu machen (s. § 37 AO Rz. 6 ff.).

V. Abgrenzung von anderen Bescheiden

 

Tz. 9

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Um Steuerbescheide handelt es sich beim Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid bzw. beim Bescheid über pauschale Lohnsteuer (BFH v. 28.11.1990, V R 115/87, BStBl II 1991, 488 m. w. N.), da der Arbeitgeber nicht für eine fremde Schuld haftet, sondern für eine eigene Schuld einzustehen hat. Da der Begriff des Steuerbescheids die Festsetzung einer Steuer voraussetzt, sind Haftungs- und Duldungsbescheide (§ 191 Abs. 1 AO), Abrechnungsbescheide (§ 218 Abs. 2 AO), Feststellungsbescheide nach § 251 Abs. 3 AO (BFH v. 11.12.2013, XI R 22/11, BStBl II 2014, 332) oder die Errechnung des Steuerbetrags auf Anforderung des FG nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO (s. § 100 FGO Rz. 12 ff.) keine Steuerbescheide.

VI. Sonstige mit dem Steuerbescheid verbundene Entscheidungen

 

Tz. 10

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Mit dem Steuerbescheid im selben Akt verbunden sind i. d. R. weitere Entscheidungen wie die Festsetzung von Annexsteuern (z. B. KiSt, SolZ), der Verspätungszuschlag, die Steuerabrechnung. Sie bilden außerhalb des Steuerbescheids eigenständige Entscheidungen und sin...

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