Schrifttum

Schützeberg, Die Schätzung im Besteuerungs- und im Strafverfahren, StBp 2009, 33;

Coen, Ankauf und Verwertung deliktisch beschaffter Beweismittel in Steuerstrafverfahren aus völkerrechtlicher Sicht, NStZ 2011, 433;

Kaiser, Zulässigkeit des Ankaufs deliktisch erlangter Steuerdaten, NStZ 2011, 383;

Schenkewitz, Aktuelles zu steuerstrafrechtlichen Behandlung fingierter Ausfuhrlieferungen gem. § 6 UStG, BB 2011, 350;

Gehm, Problemfeld Schätzung im Steuer- und Steuerstrafverfahren, NZWiSt 2012, 408;

Höring, Die Verwertung einer angekauften Steuerdaten-CD im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, DStZ 2015, 341;

Wähnert, Verteilungsbasierte Schätzung im Steuer(straf)recht, StBp 2015, 92.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Steuerliche und strafrechtliche Ermittlungen laufen in der Praxis häufig parallel (s. § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Das Verhältnis dieser Verfahren zueinander regelt § 393 Abs. 1 AO. Danach gelten für das Besteuerungsverfahren die Vorschriften der AO, für das Strafverfahren gelten hingegen die strafprozessualen Regelungen. Damit finden für Besteuerungszwecke die Beweisregelungen der §§ 92ff. AO und auch die Möglichkeit der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO Anwendung. Eine Verurteilung zu einer Strafe kann hingegen nur insoweit erfolgen, als die objektiven und subjektiven Merkmale des Tatbestands und der eingetretene Taterfolg ausreichend sicher festgestellt sind. Die StPO spricht von "für erwiesen erachteten Tatsachen" (s. § 267 Abs. 1 StPO). Es gilt der Grundsatz "in dubio pro reo". Eine Verurteilung ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind und es hieran keine vernünftigen Zweifel gibt (BGH v. 06.12.1994, 5 StR 491/94, HFR 1995, 603). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen aus den Tatsachenfeststellungen müssen möglich, nicht aber unbedingt zwingend sein (BGH v. 24.10.2002, 5 StR 600/01, NJW 2003, 446, 450). Eine Beweiswürdigung darf nicht lückenhaft oder widersprüchlich sein. Es muss dargelegt werden, dass sich die Entscheidung mit allen wesentlichen – nicht zu fernliegenden – Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (BGH v. 11.11.2007, 5 StR 213/07, wistra 2008, 22: fehlerhafter Freispruch). Die Beweiswürdigung muss sich mit den einzelnen Indizien auseinandersetzen und ihren jeweiligen Beweiswert prüfen, sie muss aber auch eine Gesamtabwägung aller für und wider eine Täterschaft sprechenden Umstände vornehmen (BGH v. 27.04.2010, 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108).

 

Tz. 5a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Von Verfassungs wegen besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre (BVerfG v. 02.07.2009, 2 BvR 2225/08, NJW 2009, 3225). Ein Beweisverwertungsverbot stellt unter Abwägung der Interessen – nämlich auf der einen Seite des unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung und auf der anderen Seite der Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen – die Ausnahme dar, die entweder ausdrücklich gesetzlich geregelt sein muss oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall folgt (BVerfG v. 16.03.2006, 2 BvR 954/02, NJW 1006, 2684). Die Möglichkeit, dass sich der Staat Daten verschafft hat, die Dritte in rechtswidriger Weise erworben haben, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot in Bezug auf solche Daten (BVerfG v. 09.11.2010, 2 BvR 2101/09, wistra 2011, 61, zum Ankauf einer CD, auf der Kundendaten einer Liechtensteiner Bank gespeichert waren; s. auch VGH RP v. 24.02.2014, B 26/13, NJW 2014, 1434).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen, wie sie § 162 AO für das Besteuerungsverfahren zulässt, ist im Strafverfahren nur eingeschränkt Raum. Eine Bestrafung wegen einer Steuerverkürzung kann nur insoweit erfolgen, als sicher feststeht, dass eine der Tatbestandsalternativen des § 370 Abs. 1 AO erfüllt ist und dass dadurch ein Verkürzungserfolg i. S. des § 370 Abs. 4 AO bewirkt ist. Auf Schätzungen, die im Steuerinteresse gerechtfertigt sein mögen, und die sich der Pflichtige besonders dann gefallen lassen muss, wenn er Aufzeichnungs- und Nachweispflichten missachtet und dadurch die sichere Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vereitelt hat, kann eine strafrechtliche Tatbestandsfeststellung nicht gegründet werden. Ist allerdings auch nur ein minimaler Erfolg nach dem allgemeinen Grundsatz des "in dubio pro reo" sicher festgestellt, steht objektiv das Vorliegen einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach fest (BGH v. 29.01.2014, 1 StR 561/13, NStZ 2014, 337; BGH v. 10.11.2009, 1 StR 283/09, wistra 2010, 148 zur Schätzung bei der Zahlung von Schwarzlöhnen in Bereichen der Baubranche).

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Beweisgrundsätze des ordentlichen Strafverfahrens gehen nicht so weit, dass nur solche Steuerverkürzungen geahndet werden können, die sich in einer jeden Zweifel ausschließ...

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