Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die in § 172 Abs. 1 AO geregelten Korrekturtatbestände verfügen jeweils über gemeinsame geschriebene und ungeschriebene Tatbestandsmerkmale.

I. Gemeinsame Voraussetzungen (§ 172 Abs. 1 Satz 1 1. HS AO)

1. Steuerbescheide und gleichgestellte Bescheide

 

Tz. 6

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Der Anwendungsbereich der vorliegenden Bestimmung beschränkt sich auf Steuerbescheide i. S. des § 155 AO und auf die ihnen durch Gesetz ausdrücklich gleichgestellten Bescheide (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 6 f.).

 

Tz. 7

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Die Vorschrift gilt demnach nicht für Haftungs- und Duldungsbescheide oder für Bescheide über Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO, s. AEAO zu § 172, Nr. 1), da es sich bei diesen Bescheiden um sonstige Steuerverwaltungsakte handelt (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 5). Für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, insbes. Zölle, enthält der UZK von der AO unabhängige europarechtliche Sonderregelungen (s. § 1 AO Rz. 14 ff.).

2. Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide

 

Tz. 8

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Die Rechtswidrigkeit der Steuerbescheide und der ihnen gleichgestellten Bescheide ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für deren Aufhebung und Änderung (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 8 f.; hierzu ausführlich von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 44 ff.).

3. Bestandskräftige Steuerbescheide

 

Tz. 9

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Der zu korrigierende Bescheid muss grds. materiell bestandskräftig sein, d. h. nicht nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen (s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 12) oder nach § 165 AO vorläufig sein. Insoweit finden die Korrekturvorschriften keine Anwendung. Im Falle der Vorläufigkeit ist eine Änderung nach § 172 AO allerdings dann zulässig, wenn der Änderungsanlass nicht Gegenstand der Ungewissheit, mithin nicht der Grund für die Vorläufigkeit ist (von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 34; im Übrigen s. Vor §§ 172–177 AO Rz. 10 ff.). Eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist jedoch vor Eintritt der Bestandskraft nicht ausgeschlossen.

4. Zuständige Behörde

 

Tz. 10

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Die für die Aufhebung bzw. Änderung sachlich und örtlich zuständige Behörde ergibt sich mangels Sonderregelung aus den allgemeinen Grundsätzen (§§ 12, 17 FVG, §§ 16ff. AO). Auch hier gilt die Regel, wonach die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, für dessen Aufhebung oder Änderung zuständig ist. Ist jedoch durch eine Veränderung der die (örtliche) Zuständigkeit begründenden Umstände gem. § 26 AO oder eine Zuständigkeitsvereinbarung (§ 27 AO) nach Erlass des ursprünglichen Bescheids eine andere Behörde zuständig geworden, fällt auch ihr die Befugnis zu den in den §§ 172ff. AO geregelten Maßnahmen zu (auch s. § 367 Abs. 1 Satz 2 AO). Dies kann allerdings in dem besonders gelagerten Fall des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO nicht gelten: Der von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassene Bescheid kann, soweit seine Aufhebung oder Änderung auf diese sachliche Unzuständigkeit gestützt wird, nur von der sachlich zuständigen Behörde aufgehoben oder geändert werden (Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO Rz. 43).

II. Korrektur von Verbrauchsteuerbescheiden (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO)

1. Anwendungsbereich und Tatbestand

 

Tz. 11

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Auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern (s. § 3 AO Rz. 40) lässt § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde ohne weitere Voraussetzungen eine Aufhebung oder Änderung der unter die Vorschrift fallenden Bescheide zu. Alleiniger Grund für eine Änderung nach dieser Vorschrift ist die Fehlerhaftigkeit des Verbrauchsteuerbescheids. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO kommt nur Bedeutung für Verbrauchsteuern zu, die auf einem rein innerstaatlichen Vorgang beruhen, insbes. die Herstellung von Waren oder durch ihre Entfernung vom Steuerlager (Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO Rz. 11; von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 7; Rüsken in Klein, § 172 AO Rz. 11). Die Verbrauchsteuergesetze ordnen die Anwendbarkeit des UZK an, soweit Verbrauchsteuern dadurch entstehen, dass solche Waren aus einem Drittland unmittelbar in das Steuergebiet verbracht werden oder sich die Waren in einem Zollverfahren, in einer Freizone oder in einem Freilager befanden (§§ 19, 21 TabStG, § 13 BierStG, § 147 BranntwMonG, §§ 17, 23 SchaumwZwStG, § 13 KaffeeStG, § 21 Abs. 2 UStG für die EUSt), sodass § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dann nicht zur Anwendung kommt. Zum UZK s. § 1 AO Rz. 14 ff.

2. Rechtsfolge

 

Tz. 12

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Die Aufhebung oder Änderung des Bescheids steht als Rechtsfolge im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (s. § 5 AO Rz. 3 ff.; BFH v. 11.10.2017, IX R 2/17, BFH/NV 2018, 322 m. w. N.; von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 713; a. A. Koenig in Koenig, § 172 AO Rz. 15; von Groll in HHSp, § 172 AO Rz. 56 f.). Der BFH hat in st. Rspr. die Ablehnung der Aufhebung bzw. Änderung einschlägiger Bescheide nach § 172 AO dann nicht für ermessensmissbräuchlich erklärt, wenn der Stpfl. die Gründe für die Fehlerhaftigkeit der Festsetzung rechtzeitig erfahren hat bzw. erkennen konnte und Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) wegen Versäumung der Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Bescheid nicht vorliegen (BFH v. 31.03.1981, VII R 1/79, BStBl II 1981, 507; BFH ...

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