Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Nichtanerkennung des Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten allein mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragsteilen bestehende eheliche Gemeinschaft verletzt das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 03.05.1960; Aktenzeichen I 105/60 - FG 11)

 

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt. Seine Ehefrau war in der Praxis mit Buchführung, Abrechnung, Führung der Kartei und Entwickeln von Röntgenaufnahmen beschäftigt. Die ihr gezahlte Vergütung (294 DM monatlich) ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1957 vom Finanzamt nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden. Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Im Urteil des Finanzgerichts wird unter Anlehnung an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1957 – 1 105/57 U – (BFHE 66, 178) ausgeführt, daß kein Ehegatte den anderen Ehegatten als seinen Arbeitnehmer ansehe, weil derartige Arbeitsverhältnisse allein in den persönlichen Ehebeziehungen begründet lägen. Auch die Voraussetzungen eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen den Ehegatten werden verneint.

2. Die Verfassungsbeschwerde rügt eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG durch den Steuerbescheid und die Entscheidungen des Steuerausschusses und des Finanzgerichts: Durch die Nichtanerkennung eines nachgewiesenen und durchgeführten Arbeitsverhältnisses werde der Ehegatte als Arbeitgeber gegenüber einem sonstigen Arbeitgeber benachteiligt.

Der Bundesminister der Finanzen hält in einer Äußerung vom 28. Februar 1961 die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

Der Beschwerdeführer hat auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Bei einem Streiwert von 29 DM war mit dem Urteil des Finanzgerichts der Rechtsweg erschöpft (§ 286 AO).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.

a) Das Bundesverfassunggericht hat im Urteil vom 24. Januar 1962 – 1 BvL 32/57 – (BVerfGE 13, 290) für den Bereich der Gewerbesteuer ausgesprochen, daß mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten wegen Besonderheiten, die nicht auf wirtschaftlichem Gebiete liegen, steuerrechtlich nicht ungünstiger behandelt werden dürfen als vergleichbare Arbeitsverhältnisse sonstiger Personen. In dieser Entscheidung wird namentlich festgestellt (aaO S. 303 ff.), daß sachgerechte Gründe, die die Nichtanerkennung nachweislich abgeschlossener, ernst gemeinter und vereinbarungsgemäß vollzogener Arbeitsverträge unter Ehegatten rechtfertigen würden, aus dem Wesen der Ehe nicht hergeleitet werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner mit Urteil vom 24. Januar 1962 – 1 BvR 232/60 – (BVerfGE 13, 318) entschieden, daß im Einkommensteuerrecht Art. 6 Abs. 1 GG die Berücksichtigung angemessener Vergütungen aus Ehegattenarbeitsverträgen gebietet (aaO S. 326 ff.).

b) Im vorliegenden Fall haben Finanzamt, Steuerausschuß und Finanzgericht die Anerkennung des Arbeitsverhältnisses allein mit Rücksicht auf die zwischen den Vertragsteilen bestehende eheliche Gemeinschaft abgelehnt und dadurch das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt. Die angegriffenen Entscheidungen müssen daher aufgehoben werden.

 

Fundstellen

BVerfGE, 241

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