Leitsatz

1. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG (i.d.F. seit StBereinG 1999) ist formell verfassungsgemäß.

2. "Gewinn" i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Bilanzgewinn i.S. des § 4 Abs. 1 EStG und nicht der steuerliche Gewinn; § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG erlaubt daher eine Bilanzänderung lediglich in Höhe der sich aus der Steuerbilanz infolge der Bilanzänderung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebenden Gewinnänderung und nicht in Höhe der sich aus einer Bilanzänderung ergebenden steuerlichen Gewinnänderung, die auf einer Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz (hier: § 10 Satz 1 InvZulG a.F.) beruht.

3. Ein Anspruch auf Investitionszulage ist auch vor einer förmlichen Antragstellung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung/Herstellung der betreffenden Wirtschaftsgüter auszuweisen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen mit der Anschaffung/Herstellung erfüllt sind und die (spätere) Antragstellung bereits ernstlich beabsichtigt ist; der Ertrag ist nicht über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf den gesetzlichen Verbleibenszeitraum periodisch abzugrenzen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 2 Satz 1, § 10 Satz 1 InvZulG (1995, 1996), § 4 FöGbG (1995, 1996)

 

Sachverhalt

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbe­klagte (Klägerin), eine AG, war in den Jahren 1995 und 1996 (Streitjahre) mit der Vermietung von Baumaschinen und Baustellenausrüstungen befasst. Sie nahm in den Streitjahren eine Teilwertabschreibung auf ihre Beteiligung an der C-GmbH und von Forderungen gegen die C-GmbH vor, die das FA zunächst nicht anerkannte. Im Rahmen einer sog. tatsächlichen Verständigung einigten sich die Beteiligten im ersten Rechtsgang auf Teilwertabschreibungen in einer bestimmten Höhe.

Die Klägerin nahm daraufhin eine Bilanzänderung vor, um die verbleibenden Gewinnerhöhungen zu kompensieren, indem sie bisher nicht berücksichtigte Sonderabschreibungen nach § 4 FöGbG a.F. in Anspruch nahm. Das FA hielt den Rahmen für eine Bilanzänderung für überschritten, weil eine Zuführung zu den Rückstellungen wegen drohender Rückforderung von Investitionszulagen ungeachtet der nach § 10 Satz 1 InvZulG a.F. angeordneten außerbilanziellen Hinzurechnung den für eine Bilanzänderung i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG maßgeblichen Steuerbilanzgewinn mindere.

Darüber hinaus stritten die Beteiligten über die Aktivierung eines Anspruchs auf Investitionszulage für 1995 und 1996.

Das FG gab der Klage im ersten Rechtsgang teilweise statt. Die Bilanzänderung sei zuzulassen, allerdings auch ein Anspruch auf Investitionszulage zu aktivieren.

Auf die Revisionen der Beteiligten hob der BFH (Urteil vom 16.9.2015, I R 20/13, BFH/NV 2016, 586) das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, in Bezug auf welche konkreten Wirtschaftsgüter die Sonderabschreibungen in welcher Höhe vorgenommen werden sollten.

Die Klägerin bezeichnete daraufhin die Wirtschaftsgüter, die Anschaffungskosten sowie die Abschreibungsbeträge im Einzelnen. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.1.2018, 8 K 8009/16, Haufe-Index 11988193, EFG 2018, 1617) gab der Klage erneut teilweise statt. Daraufhin legten beide Beteiligte nochmals Revision ein.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung wieder auf und verwies den Rechtsstreit zum zweiten Mal an das FG zurück. Das FG muss auf Grundlage der Rechtsauffassung des BFH (nur noch) die Höhe des zutreffenden Änderungsrahmens und die Höhe des zu aktivierenden Anspruchs auf Investitionszulage ermitteln.

 

Hinweis

1. Nachdem der BVerfG-Beschluss vom 15.1.2019, 2 BvL 1/09 (BVerfGE 150, 345, Rz. 60 ff.) mehr als 10 Jahre nach der Vorlage (BFH, Beschluss vom 27.8.2008, I R 33/05, BStBl II 2010, 63) § 54 Abs. 9 Satz 1 KStG i.d.F. des StBereinG 1999 für nichtig erklärt hat, weil der Vermittlungsausschuss mit seiner Änderung das Anrufungsbegehren des Bundesrats überschritten habe, ist fraglich geworden, ob dies in gleicher Weise auch für andere Vorschriften gelten könnte, die erst auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses durch das StBereinG 1999 geändert wurden.

Der BFH hat dies nun für § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 verneint, obwohl auch er im Anrufungsbegehren des Bundesrats nicht genannt ist. Der BFH hat dies u.a. damit begründet, dass eine mögliche Änderung Gegenstand der parlamentarischen Beratungen war, die Vorschrift seit nunmehr rund 20 Jahren in ständiger Rechtsprechung angewandt wird und die Änderung zugunsten der Steuerpflichtigen erfolgt sei.

2. Ist danach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geltendes Recht, erlaubt er eine Bilanzänderung nur, soweit die Auswirkung einer Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG) auf den "Gewinn" reicht.

Was bedeutet nun in diesem Zusammenhang "Gewinn"? Nach dem Besprechungsurteil ist dies der Bilanzgewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und nicht der "steuerliche" Gewinn. Außerbilanzielle Gewinn­erhöhungen werden bei der Ermittlung des Änderungsrahmens nicht berücksichtigt.

3. Da ein Anspruch auf Invest...

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