Fast unbemerkt änderte die Europäische Kommission kürzlich die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL). Seitdem ist ein Nullsteuersatz auf alle lebensnotwendigen Güter, wozu auch Lebensmittel gehören, unionsrechtlich möglich. Daraufhin wurden bereits in Politik, Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft Stimmen für und gegen einen Nullsteuersatz bei Grundnahrungsmitteln laut. Angesichts einer weiterhin hohen Inflationsrate für den gesamten Warenkorb sowie weiteren absehbaren Preissteigerungen könnte ein Nullsteuersatz als dauerhafte Entlastungsmaßnahme für Verbraucher/-innen herangezogen werden. Laut Umfragen befürworten 77 %[2] der Bevölkerung den Nullsteuersatz auf Grundnahrungsmittel und 71 %[3] auf Obst und Gemüse.[4] Nach dem Unionsrecht wurde daher bereits eine Option zur Nullbesteuerung von Nahrungsmitteln in der MwStSystRL geschaffen. Derartige Option zur Nullbesteuerung von "Nahrungsmitteln" ist in der geänderten MwStSystRL zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 durch Nullsteuersatzentlastung von der Mehrwertsteuer nunmehr implementiert worden. So enthält Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL n.F. mittlerweile die Regelung, dass die Mitgliedsstaaten zusätzlich zu den zwei ermäßigten Steuersätzen auf unter höchstens sieben Nummern des Anhang III fallende Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug gewähren können. Diese Besteuerungsoption der Mitgliedsstaaten wird aber nur eingeschränkt gewährt. Der ermäßigte Steuersatz, der unter dem Mindestsatz von 5 % liegt, und die Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug dürfen nur auf die unter die Nr. 1 bis 6 und 10c des Anhang III der MwStSysRL fallenden Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden. Der Anhang III der MwStSysRL enthält hierbei in Nr. 1 den Begriff "Nahrungsmittel" als Anknüpfungspunkt für eine Steuervergünstigung. Die MwStSystRL ist eine Richtlinie der EU, die von jedem Mitgliedsstaat eigenverantwortlich in nationales Recht umgesetzt werden muss. Dabei steht es den nationalen Gesetzgebern frei, welche Ermäßigungstatbestände sie im nationalen Steuerrecht gewähren wollen. Der deutsche Gesetzgeber hat den Tatbestand der Nr. 1 des Anhanges III der MwStSystRL bisher nicht vollständig in das Umsatzsteuergesetz (UStG) übernommen. Vielmehr sind im UStG nur einzelne Unterkategorien von Lebensmitteln aufgeführt. In Nr. 1 der MwStSystRL werden unter den Begriff der Nahrungsmittel auch Getränke mit einbezogen, alkoholische Getränke wiederum aus dem Tatbestand ausgeschlossen. Da auf Grundlage der modifizierten MwStSystRL nunmehr Lebensmittel in Gänze der Nullbesteuerung unterliegen können, ist eine Abgrenzung von Grundnahrungsmitteln innerhalb der Kategorie Lebensmittel nicht erforderlich.[5]

1 Zur Vereinfachung wurde angenommen, dass das Aufkommen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für alle Dezile zu 68 % auf Ausgaben für Lebensmittel basiert.

Quelle: Wirtschaftsdienst

[2] Vgl. Süddeutsche Zeitung, 2022.
[3] Vgl. Civey, 2022.
[4] Vgl. Scholle, Wirtschaftsdienst 2022, S. 492 ff.
[5] Vgl. Deutscher Bundestag v. 29.4.2022 – WD 4 - 3000 - 061/22, m.w.N.

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