Rz. 68

[Autor/Stand] Der RFH hat entschieden, dass der notierte Kurs von Aktien dann nicht als Kurswert maßgebend ist, wenn er nachweislich auf Verkäufen beruht, bei denen außergewöhnliche Verhältnisse mitgewirkt haben.[2] Im Streitfall war der Kurs von einem Konsortium künstlich hochgehalten worden.

 

Rz. 69

[Autor/Stand] Im Urteil vom 26.7.1974[4] hat der BFH diese Rechtsauffassung fortentwickelt. Danach kommt es nicht auf die Geschäftslage außerhalb der Börse an. Ein festgestellter Kurs kann deshalb nur unter den Voraussetzungen unbeachtet bleiben, unter denen nach dem Börsengesetz (§ 29 Abs. 3) die Streichung des Kurses verlangt werden kann. Auch wenn der BFH "nicht ausdrücklich darüber zu befinden" hatte, ob ein Börsenkurs unbeachtlich ist, wenn er nicht "der wirklichen Geschäftslage des Verkehrs an der Börse entspricht" (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG), so kann dieser Entscheidung doch die Tendenz entnommen werden, dass Kurse, die nicht gestrichen sind, Bewertungsgrundlage i.S.d. § 11 Abs. 1 BewG sind.[5] Diese Auffassung entspricht allein den tatsächlichen Gegebenheiten, dass es für einen Außenstehenden – sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzbehörde – unmöglich ist, die Verhältnisse an der Börse dahin beurteilen zu können, eine bestimmte Kursfeststellung verstoße gegen § 24 Abs. 2 BörsG. Deshalb können allgemeine politische Risiken in Bezug auf bestimmte Aktien nicht rechtfertigen, vom Kurswert abzugehen.[6] Gegenüber den Kursen im Freiverkehr, die bewertungsrechtlich nach der Rechtsprechung eine schwächere Wirkung als die amtlichen Börsenkurse haben, kann jedoch eingewendet werden, ein Geldkurs habe einem Kaufangebot innerhalb des 30-Tage-Zeitraums des § 11 Abs. 1 BewG nicht zugrunde gelegen.[7]

 

Rz. 70

[Autor/Stand] Gegen den Börsenkurs kann nicht eingewendet werden, dass er nicht dem inneren Wert der Aktien entspricht. Denn Abweichungen des inneren Werts von dem jeweiligen Börsenkurs sind dem "deutschen Börsenrecht immanent".[9] Aktienrecht und Umwandlungsrecht sehen u.a. bei Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen, bei Eingliederung oder Verschmelzung eine "angemessene (Bar-)Abfindung" der außenstehenden Aktionäre vor (z.B. § 305 AktG, §§ 29, 207 UmwG). Angemessen ist eine Abfindung, die dem vollen Wert der Aktien des außenstehenden Gesellschafters entspricht. Als voller Wert wird der echte innere Wert angesehen.[10] Die zivilrechtliche Rechtsprechung hat es bisher abgelehnt, den Börsenkurs für die Ermittlung der angemessenen Abfindung heranzuziehen.[11] Das Bayerische ObLG hat jedoch mit Beschluss vom 29.9.1998[12] in einem aktienrechtlichen Spruchstellenverfahren (§ 306 AktG) unter bestimmten Voraussetzungen den Börsenkurs als Untergrenze der angemessenen Abfindung angesehen. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 27.4.1999[13] entschieden, es verstoße gegen Art. 14 GG, wenn die Abfindung niedriger ist als der Börsenkurs. Zu den Bedenken gegen diese Entscheidung s. Großfeld[14] mit Beispielen aus der Abfindungspraxis. Aus dieser zivilrechtlichen Kontroverse über die Ermittlung des inneren Werts einer Aktie muss für das Bewertungsrecht der Schluss gezogen werden, dass es bei der vorgeschriebenen Bewertung notierter Aktien mit dem Börsenkurs nicht möglich ist, von diesem Kurs mit der Begründung abzuweichen, dass er nicht dem inneren Wert der Aktie entspricht.

 

Rz. 71

[Autor/Stand] Der Kurs vom Stichtag bleibt auch dann maßgebend, wenn kurze Zeit nach dem Stichtag eine Wertminderung aufgrund von Kursrückgängen eintritt.[16] Das Stichtagsprinzip gilt somit auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen. Das FA handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es einen Steuererlass aufgrund eines nach dem Stichtag gesunkenen Kurses ablehnt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kursrisiko durch rechtzeitige Umschichtung des Depots hätte vermieden werden können.[17] Anders kann die Rechtslage sein, wenn der Steuerpflichtige in der Verfügung über die Wertpapiere durch Maßnahmen beschränkt ist, die außerhalb der Zustimmung Mitberechtigter liegen, z.B. durch eine einstweilige Verfügung eines Dritten, der (letztlich erfolglos) Rechte an den Wertpapieren erstreitet. Hätte der Dritte mit seiner Prozessführung Erfolg, so dass er Berechtigter an den Wertpapieren am Stichtag ist, so müsste auch für diesen Fall ein (Teil-)Erlass erwogen werden, denn das Verfahren stellt jeweils die Verhältnisse vom zurückliegenden Stichtag fest, der zwar maßgebender Bewertungsstichtag bleibt, zu dem aber keine der Streitparteien den Wert realisieren konnte.

 

Rz. 72

[Autor/Stand] Der BGH hat für die Abfindung außenstehender Aktionäre gemäß §§ 304, 305 AktG bei Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags entschieden, dass der als Untergrenze der Barabfindung zu Grunde zu legende Referenzkurs (s. oben Anm. 70) aus dem Mittel der Börsenkurse der letzten drei Monate vor dem Stichtag gebildet wird.[19] Danach kommt der Börsenpreis nicht als Bewertungsmaßstab in Betracht, wenn

a) über längere Zeit kein Börsenhandel...

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