Rz. 68

Die im steuerlichen Bereich bestehenden Probleme bei der vollständigen Ermittlung der Einkünfte stellen sich gleichermaßen in Verfahren, die auf eine Inanspruchnahme sozialer Transferleistungen, der Bekämpfung von Straftaten oder der Vollstreckung sonstiger öffentlicher Forderungen abzielen. Auch in diesem Bereich bietet das Kontenabrufverfahren ein präventiv wirkendes und effektives Instrument, das einen gleichmäßigen Vollzug von Sozialleistungs-, Strafgesetzen und der Verwaltungsvollstreckung unterstützt. Bis zum Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 sah § 93 Abs. 8 AO vor, dass die Finanzbehörden auf Ersuchen von Behörden und Gerichten einen Kontenabruf auch dann durchzuführen haben, wenn die von den ersuchenden Stellen anzuwendenden Gesetze an Begriffe des EStG anknüpfen. AEAO, zu § 93 Nr. 3.2 (mittlerweile aufgehoben) zählte sodann abschließend auf, in welchen Verfahren ein Kontenabruf für nichtsteuerliche Zwecke in Betracht kam. Danach durfte ein Kontenabruf insbes. in Verfahren über die Bemessung des Arbeitslosengeldes II nicht durchgeführt werden.[1]

 

Rz. 69

Nach BVerfG v. 13.6.2007, 1 BvR 1550/03 u. a., NJW 2007, 2464 verstößt die alte Gesetzesfassung gegen das Gebot der Normenklarheit und -bestimmtheit. Dieser Bestimmtheitsmangel der gesetzlichen Vorschrift könne auch nicht durch den jederzeit von der Verwaltung änderbaren AEAO behoben werden (vgl. auch Rz. 48).

 

Rz. 70

Nunmehr enthält § 93 Abs. 8 S. 1 AO eine Aufzählung derjenigen außersteuerlichen Zwecke, für die ein Kontenabruf zur Überprüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen zulässig ist. Hierzu zählen in der bis zum 25.6.2017 gültigen Fassung[2] neben der Sozialhilfe, der Ausbildungs- und Aufstiegsfortbildungsförderung und des Wohngelds jetzt auch die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Neu ist außerdem, dass das Kontenabrufersuchen nicht mehr von der Finanzbehörde, sondern von der für die Verwaltung der Sozialleistung zuständigen Behörde unmittelbar an das BZSt zu richten ist. Diese Verfahrensstraffung ist notwendig geworden, weil die Anzahl der Kontenabrufe für außersteuerliche Zwecke durch die Aufnahme des Arbeitslosengeldes II aller Voraussicht nach spürbar zunehmen wird.

 

Rz. 70a

§ 93 Abs. 8 S. 2 AO in der bis zum 25.6.2017 gültigen Fassung, nach dem für andere als die in S. 1 genannten Zwecke ein Abrufersuchen an das BZSt nur zulässig ist, soweit dies durch ein Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist, soll sicherstellen, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen der neu eingefügten Abs. 9 und 10 grds. zu beachten sind.[3]

Eine solche bundesgesetzliche Regelung wurde durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.7.2009, BGBl I 2009, 2258 m. W. v. 1.1.2013 in § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO geschaffen. Danach darf ein Gerichtsvollzieher, wenn der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft[4] nicht nachkommt oder bei der Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten ist, das BZSt um einen Kontenabruf ersuchen. Das Ersuchen ist aber nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 EUR betragen. Zudem muss die beitreibende Gläubigerin diese Voraussetzung auf Grundlage eines von Ihr beigebrachten Schuldnerverzeichnisses glaubhaft machen. Der Verweis auf ein bereits abgenommenes Schuldnerverzeichnis eines anderen Gläubigers, aus dem sich vermeintlich die Unterdeckung des erklärten Vermögens ergibt, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 802l ZPO, da allein die der Gläubigerin erteilte Auskunft Anhaltspunkt dafür sein kann, ob die angegebenen Vermögenswerte eine Befriedigung der Forderung erwarten lassen.[5] Damit aber ist der isolierte Antrag auf Einholung einer Drittauskunft unzulässig. Über das Ergebnis des Ersuchens ist der Gläubiger unverzüglich und der Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt in Kenntnis zu setzen.[6]

 

Rz. 70b

Im Laufe des Jahres 2017 wurde § 93 Abs. 8 AO dann gleich durch drei Gesetzesvorhaben innerhalb kürzester Zeit mehrfach geändert. Durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz[7] wurde der Umfang der durch das BZSt mitzuteilenden Daten an die Mitteilungen an Finanzbehörden, die Daten zu steuerlichen Zwecken abrufen[8], angeglichen. Die steuerliche Identifikationsnummer[9] unterliegt hierbei einem besonderen Schutz und darf nur bei Ersuchen von Finanzbehörden an die ersuchende Stelle weitergeleitet werden. Als Folgeänderung zur Anpassung des § 154 AO trat diese Änderung zwar bereits zum 25.6.2017 in Kraft, ist aber erst ab dem 1.1.2020 anzuwenden.[10] Durch das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionen v. 23.6.2017[11] wurde die Aufzählung der Abrufanlässe und Bedarfsträger der außersteuerlichen Kontenabrufe neu geordnet und erweitert. Zu den Be...

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