1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 28 AO regelt das verwaltungsinterne Verfahren[1] zur Auflösung positiver und negativer Kompetenzkonflikte mehrerer Finanzbehörden und zur Beseitigung sonstiger Zuständigkeitszweifel.

Abs. 1 sieht in S. 1 die Entscheidung der gemeinsamen fachlich zuständigen Aufsichtsbehörde vor. Für den Fall, dass eine gemeinsame Aufsichtsbehörde fehlt, ordnet er in S. 2 die entsprechende Anwendung des § 25 S. 2 AO an, sodass die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam treffen.[2]

Abs. 2 bestimmt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 7 FVG unberührt bleibt. Daraus folgt, dass Zuständigkeitskonflikte und -zweifel, die die Besteuerung nicht im Inland ansässiger Personen betreffen, durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) entschieden werden.

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 2; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 1.

1.2 Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 2

§ 28 AO betrifft ausschließlich die örtliche Zuständigkeit und nur solche Fälle, in denen sich aus den gesetzlichen Regelungen die örtliche Zuständigkeit einer Finanzbehörde ergibt.[1]

Sind nach dem Gesetz mehrere Behörden örtlich zuständig, greift § 25 AO ein. Fehlt es an einer ausdrücklichen Zuständigkeitsregelung, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 24 AO. Bis zur Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde(n) können unaufschiebbare Maßnahmen auf der Grundlage von § 29 AO getroffen werden.[2] Ist es im Fall eines positiven Kompetenzkonflikts zu widerstreitenden Steuerfestsetzungen gekommen, ist dieser Widerstreit nach § 174 AO aufzulösen.[3]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 2; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 6.
[2] Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 28 Rz. 1.
[3] Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 28 Rz. 1.

2 Fälle des Zuständigkeitsstreits

 

Rz. 3

Ein positiver Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn sich mehrere Finanzbehörden für zuständig halten, ein negativer, wenn sich mehrere Finanzbehörden für unzuständig halten. Als Ursache solcher Kompetenzkonflikte kommen in erster Linie unterschiedliche Beurteilungen der für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse in Betracht, in den Fällen des § 21 Abs. 1 S. 1 AO z. B. der Frage, im Bezirk welches FA der Unternehmer sein Unternehmen ganz oder überwiegend betreibt.[1] In der Verwaltungspraxis treten dabei vorwiegend negative Kompetenzkonflikte, also die Situation auf, dass mehrere Finanzbehörden auf ihrer Unzuständigkeit beharren.[2]

Zuständigkeitszweifel aus anderen Gründen können etwa hinsichtlich der Frage auftauchen, welche Handlungen einer Behörde noch zur Fortführung eines Verfahrens nach § 26 S. 2 AO gehören. Daneben kommen Zuständigkeitszweifel in einem Verfahrensstadium in Betracht, in dem es noch nicht zu einem Kompetenzkonflikt gekommen ist.[3]

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 7.
[2] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 3; Tormöhlen/Klepsch, DStZ 2005, 221 (223).
[3] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 18; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 9.

3 Entscheidung der Aufsichtsbehörde

3.1 Zur Entscheidung berufene Behörde

3.1.1 Gemeinsame Aufsichtsbehörde (Abs. 1 S. 1)

 

Rz. 4

Nach § 28 Abs. 1 S. 1 AO ist in erster Linie die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit berufen. Sind Aufsichtsbehörden auf verschiedenen Verwaltungsebenen vorhanden, ist die unterste gemeinsame Aufsichtsbehörde zuständig.[1] Welche dies im konkreten Fall ist, richtet sich nach den Vorschriften des FVG bzw. der aufgrund des FVG ergangenen Rechtsverordnungen. Soweit in den Ländern Mittelbehörden bestehen und die beteiligten FÄ zum Bezirk derselben Mittelbehörde gehören, ist die jeweilige Mittelbehörde zur Entscheidung berufen. Ist aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 2a FVG auf Mittelbehörden verzichtet worden oder gehören die beteiligten FÄ zu Bezirken unterschiedlicher Mittelbehörden, ist die oberste Landesfinanzbehörde (Finanzministerium bzw. in den Stadtstaaten Finanzsenator) zuständig.[2] Sind FÄ verschiedener Länder beteiligt und betrifft der Streit eine Steuer, die die Länder nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG im Auftrag des Bundes verwalten, so ist nach Art. 85 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 108 Abs. 3 S. 2 GG das BMF die einzige gemeinsame Aufsichtsbehörde.[3] Betrifft der Zuständigkeitsstreit keine Bundesauftragsangelegenheit, richtet sich das Verfahren nach § 28 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 25 S. 2 AO.[4] Bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen mehreren HZÄ entscheidet die Generalzolldirektion.

[1] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 13; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 10; Koenig/Pätz, AO, 4. Aufl. 2021, § 28 Rz. 8.
[2] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 13; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 10f.; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 28 AO Rz. 3.
[3] Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 28 AO Rz. 11; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 28 AO Rz. 3.
[4] Wackerbeck, in HHSp, AO/FGO, § 28 AO Rz. 13.

3.1.2 Fehlen einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde (Abs. 1 S. 2)

 

Rz. 5

Sind FÄ verschiedener Länder an dem Zuständigkeitsstreit beteiligt und betrifft dieser eine Steuer, die von den Ländern nicht im Auftrag des Bundes verwaltet wird, fehlt eine gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde. I...

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