rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskostenabzug für nicht nachgewiesene Übernachtungsnebenkosten eines an Autobahnraststätten im eigenen Lkw übernachtenden Fernfahrers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die von der Finanzverwaltung festgesetzten Pauschalen für Auslandsübernachtungskosten können nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn einem Arbeitnehmer die Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden ist und die Gewährung der Pauschalen zudem zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Kraftfahrer an Autobahnraststätten in der Schlafkabine seines LKW übernachtet.

2. Weist der Kraftfahrer die ihm an den Autobahnraststätten unstreitig tatsächlich entstandenen Übernachtungsnebenkosten z. B. für Dusche, Toilette, Reinigung der Schlafgelegenheit in der Fahrerkabine nicht nach, so ist die Höhe der Übernachtungsnebenkosten zu schätzen, wobei eine Schätzung der bei einer Übernachtung anfallenden Nebenkosten mit 5 EUR nicht überhöht erscheint (Anschluss an Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 27.9.2012, 5 K 99/12; BFH, Urteil v. 28.3.2012, VI R 48/11).

3. Auf die Vorlage von Einzelnachweisen – auch für einen repräsentativen Zeitraum – kommt es insoweit nicht an. Ebensowenig bedarf es Aufzeichnungen der tatsächlich entstandenen Reisenebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten (gegen BMF, Schreiben v. 4.12.2012, IV C 5-S 2353/12/10009, BStBl 2012 I S. 1249; v. 24.10.2014, IV C 5-S 2353/14/10002, BStBl 2014 I S. 1412).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1; AO § 162 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 25. Febr. 2014 und für 2013 vom 21. Jan. 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Febr. 2015 werden dahingehend abgeändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 880 EUR (2012) und 900 EUR (2013) anerkannt werden.

2. Dem Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2012 und 2013 als Kraftfahrer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. In seinen Einkommensteuererklärungen machte er Aufwendungen für die Benutzung von sanitären Einrichtungen an Autobahnraststätten bzw. eine Übernachtungspauschale i.H.v. 5 EUR für 176 Tage (2012) und für 180 Tage (2013) geltend. Der Erklärung für 2012 fügte er eine Aufstellung der Touren bei (Bl. 6 ESt). Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen in den Einkommensteuerbescheiden für 2012 vom 25. Febr. 2014 (Bl. 10 ESt) und für 2013 vom 21. Jan. 2015 (Bl. 19 ESt) nicht.

Nachdem der Kläger Einspruch eingelegt hatte, forderte das FA ihn auf, die geltend gemachten Kosten über einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten nachzuweisen (durch eine Übersicht der aufgesuchten Rastplätze, Bl. 2 Rb). Der Kl. lehnte dies ab, da seiner Ansicht nach aus dem BFH-Urteil vom 28. März 2012 – VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926 folge, dass ein Aufwand von 5 EUR für Übernachtungskosten auf dem Schätzungswege nicht zu beanstanden sei. Die Einsprüche des Kl. hatten keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 16. Febr. 2015, Bl. 9 Rb).

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für 2012 vom 25. Febr. 2014 und für 2013 vom 21. Jan. 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Febr. 2015 dahingehend abzuändern, dass bei den Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 880 EUR (2012) und 900 EUR (2013) anerkannt werden.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist begründet. Die von dem Kläger geltend gemachten Übernachtungskosten sind als zusätzliche Werbungskosten (§ 9 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG auch beruflich veranlasste Reisekosten abzuziehen. Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen (BFH-Urteil vom 28. März 2012 – VI R 48/11, BFHE 237, 82, BStBl II 2012, 926 Rz. 14).

Ein Ansatz der von der Finanzverwaltung festgelegten Pauschbeträge kommt hier nicht in Betracht. Voraussetzung für die Anerkennung pauschaler Auslandsübernachtungskosten ist, dass die Unterkunft nicht unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 27. Sept. 2012 – 5 K 99/12, EFG 2013, 24 Rz. 19). Die Schlafkabine im LKW stellt eine unentgeltliche Unterkunft dar. Die Pauschbeträge für Auslandsdienstreisen sind zudem nicht der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie dadurch zu einer offensichtlich unzutreffenden Steuerfestsetzung führen würden, dass die tatsächlich angefa...

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