Eine begünstigte Praxisveräußerung erfordert, dass alle wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der freiberuflichen Tätigkeit, vor allem Mandantenstamm und Praxiswert, entgeltlich und definitiv auf einen anderen übertragen werden. Darüber hinaus muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis "wenigstens für eine gewisse Zeit" einstellen.[1]

Das Erfordernis der zeitweiligen Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit am bisherigen örtlichen Wirkungskreis beruht auf der Überlegung, dass bei fortdauernder Tätigkeit des Freiberuflers in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eine weitere Nutzung der persönlichen Beziehungen zu den bisherigen Mandanten für Rechnung des "Veräußerers" nahe liegt und es dadurch nicht zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen der Praxis auf den Erwerber kommt.[2]

Dies steht einer echten Übertragung der wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Praxis, vor allem des Praxiswerts als in funktionaler Hinsicht bedeutsamste Betriebsgrundlage, auf den Erwerber entgegen.

Den Begriff der "gewissen Zeit," für die die Tätigkeit nach einer Praxisveräußerung einzustellen ist, hat der BFH nicht näher bestimmt. Die vorübergehende Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit für einen Zeitraum von 5 Monaten genügt jedenfalls nicht.[3]

Welcher Zeitraum unter den Begriff der "gewissen Zeit" fällt, hängt nach Ansicht des BFH von den Umständen des Einzelfalls ab, wie z. B. der räumlichen Entfernung der wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, der Vergleichbarkeit der Betätigung oder der Art und Struktur der Mandate.[4]

 
Hinweis

Wartezeit von 3 Jahren ausreichend

Der BFH führt aus, eine Zeitspanne von 3 Jahren, die in etwa der Nutzungsdauer eines erworbenen Praxiswerts entspreche, könne als ausreichende Wartezeit dafür angesehen werden, dass nicht mehr von einer Praxisverlegung, sondern von einer Neueröffnung auszugehen sei.[5] Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass bei einer Zeitspanne von mehr als 3 Jahren "im Allgemeinen" eine ausreichende Wartezeit angenommen werden kann.[6]

Die gelegentlich im Schrifttum genannte Frist von 1 Jahr ist dagegen eindeutig zu kurz.[7] Der Steuervergünstigung steht auch eine nur vorübergehende Wiederaufnahme nach einer kurzfristigen Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit entgegen.[8]

 
Hinweis

Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit nach Praxisveräußerung

Unabhängig vom Zeitraum der Tätigkeitseinstellung nach der Veräußerung lässt eine weitere oder erneute Betätigung die Anerkennung der Steuerprivilegien des Veräußerungsgewinns unberührt, wenn diese weitere oder neue Betätigung mit den bisherigen Mandanten- bzw. Patientenbeziehungen nichts zu tun hat, z. B. weil es sich um eine sachlich andere Tätigkeit handelt oder die neue Tätigkeit in einem sich örtlich nicht überschneidenden Wirkungskreis ausgeübt wird.[9]

Das ist aber nicht der Fall, wenn ein Allgemeinmediziner 3 Monate nach der Veräußerung seiner Praxis im örtlichen Einzugsbereich eine Praxis für Naturheilverfahren eröffnet. Das gilt auch, wenn er in seiner neuen Praxis weder Kassenpatienten noch Notfälle behandelt und keine Hausbesuche vornimmt.[10]

 
Achtung

Wiedereröffnung einer Einzelpraxis

Die Wiederöffnung einer Einzelpraxis nach 22 Monaten in derselben Stadt mit einem Teil der früheren Mitarbeiter verhindert im Fall des Verkaufs einer Steuerberatungspraxis die definitive Übertragung des Mandantenstamms, zumal der Verkäufer im Urteilsfall seine früheren Mandanten während der 22 Monate bis zur Wiedereröffnung als angestellter Steuerberater des Käufers betreute. Unter diesem Gesichtspunkt reicht nach Auffassung des BFH die Zeitspanne zwischen Veräußerung und Wiederöffnung der Praxis nicht aus. Der BFH weist darauf hin, dass in einem solchen Fall die Tatbestandsmerkmale des § 18 Abs. 3 EStG nicht nachträglich entfallen, sondern die Verwirklichung des Tatbestands des § 18 Abs. 3 EStG sich erst nach einem gewissen Zeitablauf abschließend beurteilen lässt.[11]

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