Rz. 119

[Autor/Stand] Eine mitbestrafte Nachtat ist anzunehmen, wenn durch die neue Tat die durch die Vortat erlangten Vorteile lediglich verwertet oder gesichert werden sollen (s. § 370 Rz. 885 ff.)[2]. Bei derartigen Konstellationen liegt innerhalb des Gesamtgeschehens der Schwerpunkt des Unrechts bei der ursprünglichen Rechtsgutverletzung, so dass es keiner Strafe für die nachfolgende Rechtsgutverletzung bedarf. Ein solches mitbestraftes Tatverhalten kommt im Steuerstrafrecht insb. dann in Betracht, wenn der Stpfl. seine unrichtigen Angaben, die er bereits in der Steuererklärung gemacht hat, gegenüber der FinB durch weitere folgerichtig wahrheitswidrige Behauptungen fortsetzt. Diese weiteren Verschleierungsmaßnahmen können dabei sowohl bei einer Betriebsprüfung oder einer abschließenden Prüfung noch nicht endgültiger Bescheide als auch im Rechtsbehelfsverfahren und im Zusammenhang mit Auskunftsbegehren des FA bei beabsichtigter Änderung von Bescheiden zuungunsten des Stpfl. erfolgen[3]. Die Nachtat bleibt regelmäßig, doch nicht stets straflos.

 

Rz. 120

[Autor/Stand] Straflos ist die Nachtat zunächst nur, wenn sie sich auf die Sicherung und Auswertung der bereits erlangten Vorteile beschränkt, nicht aber, wenn sie den eingetretenen Schaden erweitert[5]. Insoweit ist streitig, in welchem Verhältnis Umsatzsteuervoranmeldung und gleichlautende Umsatzsteuerjahreserklärung stehen. Während teilweise (s. § 370 Rz. 893) vertreten wird, der Voranmeldung komme gegenüber der Jahreserklärung kein eigenständiger Unrechtsgehalt zu, so dass sie mitbestrafte Vortat sei, wird von der Rspr. eine eigenständige Bedeutung der (falschen) Jahresumsatzsteuererklärung angenommen[6]. Der für die Verjährung maßgebliche Zeitpunkt der Beendigung ist nach der Rspr. mit Abgabe der Jahreserklärung bzw. mit Fristablauf für die Jahreserklärung eingetreten, während zudem jede einzelne Umsatzsteuervoranmeldung gesondert verjährt[7]. Die Gegenansicht würde allein auf die Jahressteuererklärung abstellen.

 

Rz. 121

[Autor/Stand] Die Nachtat bleibt nach dem herrschenden Konzept auch nur dann straflos, wenn sie "mitbestraft" werden kann, was die Möglichkeit einer Sanktionierung der Haupttat voraussetzt[9]. Bleibt die Haupttat jedoch z.B. infolge eingetretener Verjährung straffrei, entfalle der Grund für die Straflosigkeit der Nachtat und ihre Strafbarkeit lebe wieder auf[10]. Dann wäre die Verjährung für die Nachtat gesondert festzustellen. Eine solche Situation sei bspw. denkbar, wenn Täter im Anschluss an die unerkannt unrichtige Steuererklärung im sich über Jahre hinziehenden Einspruchs- und Finanzgerichtsverfahren Täuschungshandlungen begehen und seit Bekanntgabe des unrichtigen Steuerbescheids bereits fünf Jahre vergangen sind. Die Verschleierungsmaßnahmen könnten dann wieder selbständig als Steuerhinterziehung verfolgt werden[11].

 

Rz. 122

[Autor/Stand] Die vorstehenden Grundsätze gelten auch bei der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Verschweigen von Vorschenkungen (zur Erbschaft- und Schenkungsteuer vgl. § 370 Rz. 1517.2). Die zuvor hinterzogene Schenkungsteuer bleibt mitbestraft, allerdings nur so lange, wie ihr Verschweigen bei der neuen Schenkung nicht zu zusätzlichem Unrecht – wie die Vermeidung eines höheren Schenkungsteuersatzes – geführt hat[13].

[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[2] Fischer68, vor § 52 StGB Rz. 65; Jäger in SK9, vor § 52 StGB Rz. 103.
[3] Vgl. Rainer/Schwedhelm, NWB 1989, Fach 13, 751; zur strafrechtlichen Relevanz von Täuschungshandlungen bei einer Außenprüfung Kuhlmann, wistra 1987, 281; zur Verjährung von Steueransprüchen im Zusammenhang mit einer Außenprüfung vgl. auch BFH v. 4.11.1992 – XI R 32/91, BStBl. II 1993, 425 m. Anm. Wolf, FR 1994, 147.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[5] Vgl. Joecks in JJR8, § 369 AO Rz. 121.
[6] BGH v. 11.5.1982 – 5 StR 181/82, UR 1983, 193 = wistra 1982, 145 = NStZ 1982, 335; BGH v. 10.12.1991 – 5 StR 536/91, BGHSt 38, 165 = UR 1992, 183; BGH v. 2.11.1995 – 5 StR 414/95, wistra 1996, 106; für Fortsetzungszusammenhang dagegen Joecks in JJR8, § 370 AO Rz. 725.
[7] A.A. Joecks in JJR8, § 376 AO Rz. 38.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021
[9] BGH v. 27.10.1992 – 5 StR 517/92, NStZ 1993, 96.
[10] BGH v. 26.5.1993 – 5 StR 190/93, UR 1993, 393 = wistra 1993, 223 f.; BGH v. 23.8.1968 – 5 StR 384/68, NJW 1968, 2115; a.A. Stree, JZ 1993, 475; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder30, vor §§ 52 ff. StGB Rz. 136; OLG Braunschweig v. 28.6.1963 – Ss 264/62, JZ 1964, 524 m. abl. Anm. Kohlmann, JZ 1964, 492.
[11] Dagegen Bülte in HHSp., § 376 AO Rz. 88; mit anderer Begründung ebenso Wulf in MünchKomm/StGB3, § 376 AO Rz. 36; vgl. dazu auch Kuhlmann, wistra 1987, 281; Wulf, PStR 2010, 13 (16); Witte, Gibt es eine Steuerhinterziehung nach der vollendeten Steuerhinterziehung?, 2005, S. 74 ff.
[Autor/Stand] Autor: Heerspink, Stand: 01.04.2021

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