Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Nachzahlungszinsen

 

Leitsatz (redaktionell)

Nachzahlungszinsen sind wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, soweit sie auf einen Zeitraum entfallen, für den nach einem BMF-Schreiben zu den Auswirkungen des Coronavirus ein Anspruch auf zinsfreie Stundung der Steuernachzahlung bestanden hat.

 

Normenkette

FGO §§ 101-102; AO §§ 233a, 227

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erlass der Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer 2018 aus sachlichen Billigkeitsgründen hat.

Am 13.05.2020 erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger den Körperschaftsteuerbescheid für 2018. Die festgesetzte Körperschaftsteuer betrug … €. Mit demselben Bescheid setzte der Beklagte Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer 2018 in Höhe von … € für den Monat April 2020 fest. Die Zinsfestsetzung war hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes von 0,5 % je Monat vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nummer 3 der Abgabenordnung (AO).

Mit Schreiben vom 20.05.2020 beantragte der Kläger die zinsfreie Stundung aller Zahlungsansprüche aus dem Körperschaftsteuerbescheid für 2018. Zur Begründung verwies er auf das BMF-Schreiben vom 19.03.2020 über „Steuerliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus (COVID-19/SARS-CoV-2)” (BStBl I 2020, 262). Der Kläger führte aus – was unter den Verfahrensbeteiligten unstreitigist –, dass sein Geschäftsbetrieb durch die von der Landesregierung NRW erlassenen Corona-Maßnahmen erheblich eingeschränkt sei.

Darüber hinaus beantragte der Kläger den Erlass der Nachzahlungszinsen in Höhe von … € wegen sachlicher Unbilligkeit. Die Veranlagung für 2018 habe der Beklagte aufgrund der bislang technisch nicht umsetzbaren, vorgelagerten Veranlagung für 2017 nicht durchführen können. Die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2017 habe der Kläger am 19.02.2019 eingereicht; die Veranlagung sei erst am 13.05.2020 erfolgt. Wenn die Veranlagung für 2018 vor dem 01.04.2020 erfolgt wäre, wären keine Nachzahlungszinsen angefallen und die Steuernachforderung wäre unter die Stundungsregelung im BMF-Schreiben vom 19.03.2020 gefallen.

Die zinsfreie Stundung der Körperschafsteuernachzahlung sowie der angefallenen Nachzahlungszinsen hat der Beklagte antragsgemäß gewährt. Den Antrag auf Erlass der Nachzahlungszinsen lehnte er jedoch mit Bescheid vom 26.06.2020 ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.07.2021, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Am 26.07.2021 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Erhebung der Nachzahlungszinsen sachlich unbillig sei. Die Verzinsung von Steuernachforderungen gem. § 233a AO solle nach dem Willen des Gesetzgebers einen Ausgleich für Liquiditätsvorteile schaffen. Der Gesetzeszweck des § 233a AO werde jedoch verfehlt, wenn zweifelsfrei feststehe, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung bzw. Fälligkeit keinen Vor- oder Nachteil gehabt habe. Dies sei hier der Fall. Wenn der Körperschaftsteuerbescheid für 2018 bereits im März 2020 erlassen worden wäre, wäre zwar auch die Nachzahlung entsprechend früher fällig geworden. Allerdings wäre dem Kläger in diesem Fall auch die zinsfreie Stundung der Körperschaftsteuer-Nachzahlung zeitlich früher gewährt worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 26.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.07.2021 zu verpflichten, dem Kläger die Zinsen zur Körperschaftsteuer 2018 in Höhe von … € wegen sachlicher Unbilligkeit gem. § 227 AO zu erlassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht sachlich unbillig, wenn Nachzahlungszinsen für Steuernachzahlungen erhoben würden, die im Anschluss zinsfrei gestundet werden. Der Kläger habe es in der Hand gehabt, die Entstehung der Nachzahlungszinsen zu vermeiden. Er habe rechtzeitig eine Erhöhung der Körperschaftsteuervorauszahlungen beantragen können. Weiterhin habe er noch vor Erlass des Körperschaftsteuerbescheides für 2018 freiwillige Zahlungen auf die zu erwartende Steuernachforderungen leisten können. Der Anfall der Nachzahlungszinsen sei nicht unmittelbar durch die Corona-Pandemie verursacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Ablehnung des Billigkeitserlasses der Nachzahlungszinsen zur Körperschaftsteuer 2018 ist ermessenswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte wird mit dem vorliegenden Urteil verpflichtet, den Billigkeitserlass zu gewähren, da jede andere Entscheidung des Beklagten ermessenswidrig wäre (sog. Ermessensreduktion auf Null, §§ 101 Satz 1, 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

I. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu diesen Ansprüchen gehören auch Ansprüche auf steuerlic...

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