rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Umrechnung einer in Schweizer Franken erhaltenen Kinderzulage in Euro zur Ermittlung des Differenzkindergelds im Zeitraum von April 2012 bis Dezember 2014 nach dem am jeweiligen Auszahlungstag der Kinderzulage gültigen Wechselkurs (Nachfolgeentscheidung nach Vorabentscheidungsersuchen des FG Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.5.2018, 3 K 3144/15 zum EuGH und EuGH, Urteil v. 4.9.2019, C-473/18

 

Leitsatz (redaktionell)

Arbeitet ein deutsches Ehepaar in der Schweiz, erhält der Ehemann für die Kinder monatlich in der Schweiz Kinderzulage und beantragt die Ehefrau in Deutschland Differenzkindergeld (streitiger Zeitraum: April 2012 bis Dezember 2014), so ist maßgeblich für die Währungsumrechnung der Schweizer Kinderzulage der jeweilige Tag, an dem der zuständige Träger des Beschäftigungsstaats (hier: in der Schweiz) die Zahlung der fraglichen Familienleistungen vorgenommen hat und nicht der erste Tag des Monats vor dem Monat, in dem die Berechnung des Differenzkindergelds erfolgt (Anschluss an EuGH, Urteil v. 4.9.2019, C-473/18; gegen Verwaltungsanweisung der Familienkassen DA-üzV 214.63). Dadurch ergibt sich bei monatlicher Auszahlung der Schweizer Kinderzulage ein von Monat zu Monat variierendes Differenzkindergeld.

 

Normenkette

EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EGV Nr. 883/2004 Art. 68 Abs. 2 Sätze 1-3, Abs. 1 Buchst. a; EGV Nr. 987/2009 Art. 90; Beschluss Nr. H3 v. 15.10.2009 über den Bezugszeitpunkt für die Festlegung der Umrechnungskurse gemäß Art. 90 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 8. September 2015 und 27. September 2016 sowie unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2015 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum April 2012 bis Dezember 2014 Differenzkindergeld in Höhe von insgesamt 1.303,22 EUR zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin für den Zeitraum April 2012 bis Dezember 2014 (Streitzeitraum) ein Anspruch auf Differenzkindergeld zusteht.

Zwischen den Beteiligten bestand zu Recht Einigkeit, dass dies davon abhängig ist, wie der Beschluss Nr. H3 vom 15. Oktober 2009 über den Bezugszeitpunkt für die Festlegung der Umrechnungskurse gemäß Art. 90 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates – Beschluss Nr. H3 – (ABl EU 2010, Nr. C 106, 56) auszulegen ist und welcher Umrechnungskurs (vgl. Terminologie im Beschluss Nr. H3) bzw. welcher Wechselkurs (vgl. Terminologie in Art. 90 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – VO Nr. 987/2009 –, ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) hiernach im Streitfall anzuwenden ist. Der Senat hatte das früher unter dem Aktenzeichen 3 K 3144/15 geführte Klageverfahren durch Beschluss vom 17. Mai 2018 ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet. Der EuGH entschied hierüber durch Urteil vom 4. September 2019 C-473/18 (ABl EU 2019, Nr C 383, 32).

Die Klägerin und ihr Ehemann haben zwei Kinder, den am xx.xx. 2009 geborenen Sohn A und den am xx.xx. 2012 geborenen Sohn B. Beide Eheleute waren im Streitzeitraum in der Schweiz unselbständig erwerbstätig. Für die Kinder erhielt der Ehemann in der Schweiz seit Februar 2012 zwei Kinderzulagen von monatlich jeweils 200 Schweizer Franken (CHF), insgesamt also 400 CHF pro Monat (vgl. den „Entscheid über Familienzulagen” der Ausgleichskasse Swissmem vom 5. März 2012, Kindergeldakte Bl. 21).

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Differenzkindergeld. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten der Anspruch auf Differenzkindergeld dem Grunde nach. Streit besteht indes für die Zeit ab April 2012 der Höhe nach wegen der Frage, welcher Bezugszeitpunkt nach den für die Festlegung des Wechsel- bzw. Umrechnungskurses (CHF in Euro) maßgeblichen Vorschriften zur Anwendung gelangt.

Der Referenzwechselkurs der Europäischen Zentralbank – EZB – in den Jahren 2012 bis 2014 lag bei 1,20 EUR/CHF oder darüber (Maximum 1,2599 EUR/CHF am 22. Mai 2013; vgl. zur Kursentwicklung im Streitzeitraum Gerichtsakte Bl. 236). Zu Beginn des Jahres 2015 fiel der Wechselkurs kurzzeitig auf ca. 1,00 EUR/CHF (Minimum 0,9816 EUR/CHF am 23. Januar 2015).

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