Entscheidungsstichwort (Thema)

(Forderungsverzicht eines beherrschenden Gesellschafters)

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Forderungsverzicht eines beherrschenden Gesellschafters kann nur dann auf einen nicht-durchgeführten Vertrag rückgeschlossen werden, wenn die äußeren Umstände des Verzichtes den Rückschluß auf das Fehlen einer von Anfang an ernstlich gewollten Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft erlauben.

 

Orientierungssatz

Der Forderungsverzicht muß nicht schriftlich vereinbart werden.

 

Normenkette

KStG 1984 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 12.10.1993; Aktenzeichen VI 138/91)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine am 2. September 1981 mit einem Stammkapital von 51 000 DM gegründete GmbH. Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von nominal 50 000 DM wurde C, der auch zum Geschäftsführer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestellt wurde.

Die Klägerin schloß mit C am 1. Januar 1982 einen Anstellungsvertrag. Danach erhielt C ein monatliches Gehalt von 3 000 DM. Außerdem schloß sie am 2. Januar 1984 mit C eine ergänzende Tantiemevereinbarung. Danach stand C eine Gewinntantieme in Höhe von 40 v.H. des Jahresüberschusses vor Abzug der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer, höchstens jedoch 150 000 DM zu.

Für das Streitjahr betrug die Gewinntantieme des C 50 915 DM. Tatsächlich bildete die Klägerin jedoch in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1987 nur eine Rückstellung über 30 000 DM. Nur diesen Betrag zahlte sie in 1988 an C aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, daß C im Rahmen der Besprechung der Bilanz zum 31. Dezember 1987 auf seine Forderung in Höhe von 20 915 DM verzichtet habe. Er vertrat deshalb die Auffassung, daß die Tantiemevereinbarung vom 2. Januar 1984 nicht durchgeführt worden sei und nahm eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984 in Höhe des Rückstellungsbetrages von 30 000 DM an. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ die Revision zu.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1984.

Es beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Niedersächsischen FG vom 12. Oktober 1993 VI 138/91 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 8 Abs.1 KStG 1984 bestimmt sich das, was als Einkommen einer Kapitalgesellschaft gilt und wie es zu ermitteln ist, u.a. nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Zu diesen gehören §§ 4 Abs.1 und 5 Abs.1 EStG. Danach ist Gewinn einer Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs.1 Satz 1 EStG). Als Betriebsvermögen ist jeweils das anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs.1 EStG).

Auf diesem rechtlichen Hintergrund ist für die Entscheidung über den Streitfall von Bedeutung, daß die Klägerin am 31. Dezember 1987 eine Verbindlichkeit über 50 915 DM gegenüber C aufgrund einer von vornherein abgeschlossenen und rechtlich wirksamen Vereinbarung hatte. Auf einen Teil dieser Forderung "verzichtete" C erst nach dem Bilanzstichtag im Rahmen einer Bilanzbesprechung der Klägerin. Das FG hat dem "Forderungsverzicht" Rückwirkung auf den Bilanzstichtag beigemessen. Dies ist fehlerhaft. Der Forderungsverzicht des C läßt die Existenz einer Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber C zum Bilanzstichtag in Höhe von 50 915 DM unberührt. Diese Verbindlichkeit hätte in der Handelsbilanz angesetzt werden müssen. Wegen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes schlägt diese Behandlung auch auf den Ansatz der Verbindlichkeit in der Steuerbilanz durch.

2. Für die in Höhe von 50 915 DM in 1987 anzusetzende Gewinnminderung ist allerdings die Frage zu beantworten, ob ihr eine auf § 8 Abs.3 Satz 2 KStG zu stützende Gewinnkorrektur in gleicher Höhe gegenübersteht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn C --was unstreitig ist-- beherrschender Gesellschafter der Klägerin war und wenn die Tantiemevereinbarung vom 2. Januar 1984 tatsächlich nicht durchgeführt worden sein sollte. Insoweit ist es steuerrechtlich unbedenklich, daß die tatsächliche Durchführung eines von der Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter abgeschlossenen Vertrages an Hand von Umständen beurteilt wird, die zeitlich gesehen erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums angefallen sind. Die Frage betrifft die tatsächliche Feststellung, ob dem Vertrag von Anfang an ein Mangel an Ernstlichkeit der vereinbarten Leistungsverpflichtungen und ihrer synallagmatischen Verbindung anhaftet. Beurteilt wird deshalb nur der im Streitjahr verwirklichte Sachverhalt.

3. Für die revisionsrechtliche Beurteilung des Streitfalls ist davon auszugehen, daß die Tantiemevereinbarung vom 2. Januar 1984 zwischen der Klägerin und C durchgeführt wurde. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

a) Das Steuerrecht anerkennt, wenn ein Gesellschafter zu Gunsten seiner inländischen Kapitalgesellschaft Nutzungs- oder Dienstleistungseinlagen erbringt (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348). Es anerkennt ferner, wenn ein Gesellschafter auf eigene Forderungen gegen seine Kapitalgesellschaft "verzichtet" (vgl. BFH-Urteile vom 24. Mai 1984 I R 166/78, BFHE 141, 176, BStBl II 1984, 747, und vom 19. Mai 1993 I R 34/92, BFHE 171, 286, BStBl II 1993, 804). Aus dem "Forderungsverzicht" eines Gesellschafters kann deshalb nicht generell auf einen "nicht durchgeführten Vertrag" rückgeschlossen werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob die äußeren Umstände des Verzichtes den Rückschluß auf das Fehlen einer von Anfang an ernstlich gewollten Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft erlauben. Dabei liegt die Beurteilung der äußeren Umstände weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Insoweit ist das Revisionsgericht an die Beurteilung durch das FG gebunden (§ 118 Abs.2 FGO). Entscheidend ist deshalb letztlich, daß das FG wirtschaftlich vernünftige Gründe festgestellt hat, die für ein Abweichen von der Tantiemevereinbarung sprechen. Der Senat versteht die entsprechenden Feststellungen dahin, daß sie zur Überzeugung des FG gegen das Fehlen einer von Anfang an ernstlich gewollten Verbindlichkeit sprechen.

b) Das FG hat zwar seine Entscheidung auf die BFH-Urteile vom 12. Dezember 1973 I R 183/71 (BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179), vom 2. Mai 1974 I R 194/72 (BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585) und vom 5. Oktober 1977 I R 230/75 (BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234) gestützt. Die Urteilssachverhalte sind jedoch mit dem Streitfall unvergleichbar. Dort stand nicht die Rechtsfrage zur Entscheidung an, ob ein "endgültiger Forderungsverzicht" eines Gesellschafters gegenüber seiner Kapitalgesellschaft einen "nicht-durchgeführten Vertrag" begründet. Vielmehr ging es um die steuerliche Beurteilung von Veränderungen der Fälligkeit und des Zeitpunktes der Durchsetzung von Forderungen. Dennoch hat der BFH auch in den genannten Entscheidungen letztlich darauf abgestellt, ob aus den äußeren Umständen der Veränderungen auf einen Mangel an Ernstlichkeit der vereinbarten Leistungsverpflichtung geschlossen werden kann. Es darf deshalb nicht nur nach dem Fehlen wirtschaftlich vernünftiger Gründe für den Forderungsverzicht gefragt werden. Vielmehr ist letztlich allein entscheidend, ob die äußeren Umstände des Forderungsverzichtes den Rückschluß auf einen Mangel an Ernstlichkeit der vereinbarten Tantiemezahlungsverpflichtung der Klägerin erlauben. Die Frage muß für den Streitfall verneint werden, weil das FG in tatsächlicher Hinsicht und den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellt hat, daß die Tantieme ernstlich vereinbart war und der spätere Verzicht eine ernstlich entstandene Forderung betrifft.

c) Zu Unrecht verneint das FA die tatsächliche Durchführung des Vertrages unter Hinweis auf eine nur in Höhe von 7 893 DM oder 0,7 v.H. der Bilanzsumme durch den Forderungsverzicht eingetretene Liquiditätsverbesserung. Die Höhe der Liquiditätsverbesserung läßt keinen Rückschluß auf das Fehlen einer von Anfang an ernstlich gewollten Verbindlichkeit zu. Die höhere Körperschaft- und Gewerbesteuer spricht dafür, daß dem "Forderungsverzicht" keine Gewinnverlagerungsabsichten zugrunde lagen. Im übrigen läßt der offene Ausweis eines Gewinns sehr wohl Rückschlüsse auf die Rentabilität und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens zu, weshalb der "Forderungsverzicht" nicht nur unter Liquiditätsverbesserungsgesichtspunkten gesehen werden darf. Auch ist zu berücksichtigen, daß die höhere Körperschaftsteuer EK-56-Guthaben auslöste. Soweit das FA seine Revision auf das Ausschüttungsverhalten der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1988 stützt, wird ein neuer Sachverhalt vorgetragen, der vom FG nicht festgestellt wurde. Er kann deshalb revisionsrechtlich nicht berücksichtigt werden.

d) Zu Unrecht verweist das FA auf das Fehlen einer schriftlichen Vertragsänderung. Die Vereinbarung der Schriftform für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages betrifft regelmäßig nur die wechselseitigen schuldrechtlichen Verpflichtungen der Vertragspartner. Die schuldrechtlichen Verpflichtungen sind jedoch durch den später vereinbarten "Forderungsverzicht" unverändert geblieben. Dazu kann dahinstehen, wie der Forderungsverzicht zivilrechtlich zu beurteilen und ob ihm Erfüllungswirkung beizumessen ist. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß die vertragliche Schriftformvereinbarung sich auch auf einen Forderungsverzicht erstreckte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64946

BFH/NV 1994, 88

BStBl II 1994, 952

BFHE 175, 253

BFHE 1995, 253

BB 1994, 2198

BB 1994, 2198 (L)

DB 1994, 2320-2321 (LT)

DStR 1994, 1736-1737 (KT)

DStZ 1995, 52-53 (KT)

HFR 1995, 84-85 (LT)

StE 1994, 656 (K)

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