Leitsatz (amtlich)

Ein zur Verwendung als Belegschaftsheim erworbenes Landhausgrundstück gehört auch dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn daneben eine nicht ins Gewicht fallende teilweise private Benutzung durch den Unternehmer vorgesehen ist, die betriebliche Verwendung indes später aus Gründen scheitert, die vom Unternehmer nicht zu beeinflussen waren.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, 4, § 5

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1957 bis 1962, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein im Handelsregister eingetragener Bauunternehmer in A (Niedersachsen), ein von ihm erworbenes Anwesen, das früher als landwirtschaftlicher Betrieb diente, als gewerbliches Betriebsvermögen behandeln und dementsprechend die mit diesem Besitz verbundenen Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehen kann (§ 4 Abs. 4, § 5 EStG).

Der Kläger hatte das 22 820 qm große Anwesen, das in B (Bodenseegegend) gelegen ist, im Jahre 1957 erworben. Er hat es erstmals in der Bilanz zum 31. Dezember 1957 mit den Anschaffungskosten ausgewiesen, und zwar unter der Bezeichnung "Belegschaftsheim". Die geringfügigen Entgelte aus der Vermietung zweier Wohnungen in diesem Anwesen hat der Kläger als Betriebserlöse seines Bauunternehmens behandelt. Die weitaus höheren Aufwendungen buchte er als Betriebsausgaben. Im Jahre 1967 veräußerte der Kläger das Anwesen.

Nach einer Betriebsprüfung, die im Jahre 1963 stattfand, vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Auffassung, daß es sich nicht um ein zum Betriebsvermögen rechnendes "Belegschaftsheim". sondern um Privatvermögen des Klägers handle. Dementsprechend wurden in den angefochtenen Steuerbescheiden 1957 bis 1962 u. a. die Gewinne berichtigt. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Im finanzgerichtlichen Verfahren machte der Kläger geltend, es sei beabsichtigt gewesen, den Betriebsangehörigen günstige Urlaubsaufenthalte in dem Belegschaftsheim zu ermöglichen. Dieses Ziel sei nicht erreicht worden, weil sich der allgemeine Urlaubstrend auf außerdeutsche Ziele gerichtet habe. Es liege eine Fehlinvestition vor. Die Betriebsangehörigen seien nicht interessiert gewesen.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, das Anwesen sei kein notwendiges Betriebsvermögen gewesen, da es nicht ausschließlich dem Betriebe, z. B. als Betriebserholungsheim, zu dienen bestimmt gewesen sei. Die Annahme gewillkürten Betriebsvermögens scheide von vornherein aus. Die nach eigenem Eingeständnis des Klägers in den Anfängen steckengebliebenen Instandsetzungsund Verbesserungsarbeiten an dem Landhaus und die Bepflanzung des Grundstücks könnten letztlich auch zum Zwecke der privaten Nutzung durch den Kläger, seine Familienangehörigen und Privatgäste veranlaßt worden sein (§ 12 Abs. 1 EStG). Dafür spreche auch eine Bemerkung, die der Kläger dem Betriebsprüfer gegenüber gemacht habe, wonach er das Anwesen später einmal als Altersruhesitz zu nutzen beabsichtige. In den Streitjahren hätten nur vereinzelte, betrieblich bedingte Besuche in B stattgefunden. Abgesehen von diesen wenigen Fällen hätten sich nur der Kläger selbst und seine Ehefrau in dem Anwesen aufgehalten. Es sei möglich, daß der Kläger einzelnen Belegschaftsangehörigen Urlaubsaufenthalte deshalb erst von 1959 an angeboten habe, weil das Landhaus noch entsprechend habe hergerichtet werden müssen. Ebensogut sei indes denkbar, daß der Kläger das Landhaus mit den dazugehörigen Grundstücken ursprünglich zum Zwecke der eigenen Erholung angeschafft und dessen betriebliche Nutzung erst später ins Auge gefaßt habe. Die Bezeichnung als "Belegschaftsheim" in der Bilanz zum 31. Dezember 1957 sei jedenfalls unzutreffend, da der Kläger zu jener Zeit etwaige Pläne über die Errichtung eines betrieblichen Ferienheimes noch mit keinem seiner Arbeitnehmer erörtert, geschweige denn ein solches Heim überhaupt geschaffen habe. Der Kläger habe weder in einer Betriebsversammlung noch durch Absprache mit dem Betriebsrat versucht, über die Schaffung eines Belegschafts-Ferienheimes eine Betriebsvereinbarung herbeizuführen. Es blieben deshalb erhebliche Zweifel an dem betrieblichen Charakter der Maßnahmen des Klägers.

In seiner Revision beantragt der Kläger, die Vorentscheidung aufzuheben und die Behandlung des Grundstücks als Betriebsvermögen anzuerkennen. Er rügt, daß das FG den Sachverhalt unrichtig gewürdigt habe. Er habe von Anfang an die Absicht gehabt, das Grundstück für betriebliche Urlaubs- und Erholungszwecke herzurichten. Er bestreite, daß er dem Prüfer gegenüber die Absicht geäußert habe, das Anwesen später als Alterssitz zu behalten. Eine solche Absicht habe niemals bestanden. Wegen notwendiger Baumaßnahmen (Anlage einer Wasserleitung, sanitäre Einrichtungen) habe sich erst 1959 die Möglichkeit ergeben, das Gebäude als betriebliches Wohnheim zu nutzen. Es seien 10 Schlafstellen in 4 Räumen hergerichtet worden, dazu eine Küche und ein Badezimmer. Damit hätte das Haus als Belegschaftsheim dienen können. Aber die Lage und die Beschaffenheit des Grundstücks - nicht des Gebäudes - hätten bewirkt, daß die Arbeitnehmer des Betriebes von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hätten. Deshalb sei schon im Jahr 1961 der Entschluß gefaßt worden, das Anwesen wieder zu veräußern. Eine wesentliche private Nutzung habe - schon bedingt durch die große Entfernung - zu keiner Zeit stattgefunden. Das Grundstück sei nach alledem notwendiges Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs in A gewesen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Nach den bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des FG kann eine betriebliche Veranlassung des Erwerbs und damit die Eigenschaft des Anwesens als notwendiges Betriebsvermögen nicht verneint werden.

Notwendiges Betriebsvermögen sind alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582). Zum Betrieb in diesem Sinne rechnen nicht nur die dem technischen und verwaltungsmäßigen Ablauf des eigentlichen Betriebsprozesses gewidmeten Einrichtungen, sondern auch alle diejenigen, die sich sonstwie unmittelbar auf diesen Betriebsablauf beziehen und ihm zu dienen bestimmt sind, auch wenn sie für den Betrieb nicht notwendig sind. Hierzu rechnen auch die sozialen Einrichtungen des Unternehmens, gleichgültig, ob sie sich am Betriebsort oder entfernt von ihm befinden. Ein "Belegschaftsheim" gehört seiner Zweckbestimmung nach - ohne Rücksicht auf die Art der bilanzmäßigen Behandlung - zum notwendigen Betriebsvermögen. Betrieblich veranlaßt sind alle Aufwendungen, die zur Schaffung und Unterhaltung einer solchen Einrichtung gemacht werden, auch wenn sich in der Folgezeit herausstellt, daß der Zweck nicht erreicht werden kann und es sich um eine Fehlinvestition handelt (vgl. Urteil des BFH vom 27. März 1974 I R 44/73, BFHE 112, 265, BStBl II 1974, 488).

Nicht erforderlich ist, daß das Wirtschaftsgut ausschließlich dem Betrieb im vorstehenden Sinne zu dienen bestimmt ist. Es kann auch dann zum (notwendigen) Betriebsvermögen gehören, wenn es in unwesentlichem Umfang auch privat genutzt wird (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; BFH-Urteil I R 44/73, mit weiteren Rechtsprechungsangaben). Mit dieser Rechtsprechung stimmt die Vorentscheidung nicht überein, da in ihr ausgeführt ist, daß das vom Kläger erworbene Anwesen nur dann Betriebsvermögen hätte sein können, wenn es ausschließlich dem Betrieb zu dienen bestimmt worden wäre, weil - so das FG - nur in diesem Falle sowohl der Erwerb als auch die spätere Unterhaltung eindeutig der betrieblichen Sphäre des Unternehmers zugerechnet werden könnten.

Das FG hat ausgeführt, es wäre denkbar, daß der Kläger das Landhaus mit den dazugehörigen Grundstücken ursprünglich zum Zwecke der eigenen Erholung angeschafft und erst später seine betriebliche Nutzung ins Auge gefaßt habe. Das FG hat damit die Eignung des Objekts auch für betriebliche Zwecke für möglich gehalten. Die Vorinstanz hätte deshalb näher prüfen müssen, ob der Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb Maßnahmen getroffen oder zumindest eingeleitet hatte, die einen Schluß darauf zulassen, daß er eine im wesentlichen betriebliche Nutzung des Anwesens beabsichtigte. Aus der Tatsache, daß der vom Kläger behauptete Zweck nicht erreicht wurde, kann nicht geschlossen werden, daß er nicht angestrebt worden sei. Insbesondere hätte der Kläger veranlaßt werden müssen, durch geeignete Unterlagen - z. B. Baupläne und Originalskizzen - vor allem darzutun, welche Baumaßnahmen er im einzelnen beabsichtigte und wie die geplanten Unterkünfte hiernach beschaffen sein sollten. Bedeutung kommt auch der Behauptung des Klägers zu, daß ein leitender Angestellter seines Unternehmens an Betriebsangehörige wegen einer Benutzung des Anwesens für Urlaubsaufenthalte herangetreten sei. Das FG wird den Sachverhalt in dieser Richtung näher aufzuklären haben.

Sollte das FG bei der erneuten Prüfung wiederum zu dem Ergebnis gelangen, daß die Voraussetzungen für die Annahme notwendigen Betriebsvermögens zu verneinen seien, so könnte das Anwesen nur als notwendiges Privatvermögen behandelt werden. Gewillkürtes Betriebsvermögen scheidet, wie das FG zutreffend dargelegt hat, im Streitfall aus.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71734

BStBl II 1976, 179

BFHE 1976, 141

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