Leitsatz (amtlich)

Die Voraussetzungen für einen Verlustabzug nach § 10d EStG (Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 oder nach § 5 EStG) werden durch die Ermittlung eines Verlustes aus der Veräußerung im Privatvermögen geführter wesentlicher Beteiligungen nach § 17 EStG nicht erfüllt.

 

Normenkette

EStG §§ 10d, 17 n. F

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verlust aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen im Sinne von § 17 EStG, soweit er bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und seiner Ehefrau nicht ausgeglichen wurde, bei der Einkommensteuerveranlagung 1970 durch Verlustabzug nach § 10d EStG zu berücksichtigen ist.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ließ bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 der Eheleute den von ihnen nach § 17 EStG geltend gemachten Verlust aus der Veräußerung der im Privatvermögen geführten Anteile an einer Aktiengesellschaft zum Ausgleich mit positiven Einkünften zu (Einkommensteuerfestsetzung: 0 DM). Es verblieb ein nicht ausgeglichener Verlustrest von 1 601 779 DM. Für den folgenden Veranlagungszeitraum begehrten die Eheleute eine Berücksichtigung des Restbetrages nicht, weil die Einkommensteuerveranlagung ohnehin wegen hoher Sonderausgaben ein zu versteuerndes Einkommen nicht ergab. Ihren Antrag, bei der Einkommensteuerveranlagung 1970 den Verlustrest, außerdem Veräußerungskosten von 23 465 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte gemäß § 10d EStG abzuziehen, lehnte das FA mit der Begründung ab, der Abzug sei nach dem Wortlaut des § 10d EStG nicht gerechtfertigt.

Mit der Sprungklage begehrte der Kläger unter Vorlage einer neu erstellten Verlustberechnung Abzug eines verbliebenen Verlustes von 1 607 194 DM. Die Vorinstanz wies die Klage als unbegründet ab. Sie hielt den vom Kläger beanspruchten Verlustabzug nach § 10d EStG ebenfalls für nicht gerechtfertigt. Das FG stützte seine Entscheidung im wesentlichen auf Wortlaut, Sinn und Zweck des § 10d EStG unter Ablehnung der begehrten weiten Auslegung.

Die Revision des Klägers, die das Klagebegehren weiterverfolgt und unter Aufhebung der Vorentscheidung Festsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM beantragt, hilfsweise Ermittlung des Veräußerungsverlustes nach § 4 Abs. 1 EStG, rügt Verletzung materiellen Rechts (§§ 17, 10d EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Ablehnung des beanspruchten Verlustabzugs nach § 10d EStG durch das FG für den im Rahmen des § 17 EStG geltend gemachten, bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 des Klägers und seiner Ehefrau nicht ausgeglichenen Verlustrest enthält - entgegen der Ansicht der Revision - keine Verletzung materiellen Rechts.

Die Vergünstigung des § 10d EStG setzt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung voraus. Die Gewinnermittlung nach § 17 EStG entspricht diesen Voraussetzungen nicht. Die Auffassung des Klägers, es handele sich bei der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG um eine Sonderregelung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG, ist mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbaren.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Wesentliches Merkmal dieser Gewinnermittlung ist also der Vergleich betrieblicher Vermögensbestände, wie sie sich zu Anfang und Ende eines Wirtschaftsjahres ergeben. Das bedeutet, daß die im Laufe des einzelnen Wirtschaftsjahres eingetretenen Schwankungen in Wert und Menge der Bestände gewinnmäßig erfaßt werden. Nach der Bestimmung des § 17 Abs. 2 EStG ist dagegen Gewinn aus der Veräußerung einer im Privatvermögen geführten wesentlichen Beteiligung der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Es fehlt demnach hinsichtlich der im Privatvermögen geführten wesentlichen Beteiligung an der gewinnmäßigen Erfassung ihres Bestandes nach Wert und Menge durch eine auf das Wirtschaftsjahr abgestellte Bestandsvergleichsrechnung. Daraus folgt, daß wert- und mengenmäßige Bestandsveränderungen einer - wie im Streitfall - mehrere Veranlagungszeiträume lang bestehenden Beteiligung in diesen Veranlagungszeiträumen gewinnmäßig ohne steuerliche Auswirkung bleiben, also die in dieser Weise eingetretenen Nachteile und Vorteile einzelner Veranlagungszeiträume sich mit denen der folgenden Veranlagungszeiträume ohne Besteuerung nach § 17 Abs. 2 EStG saldieren können, während nach § 4 Abs. 1 EStG die Bestandsveränderungen für jeden Veranlagungszeitraum gewinnmäßig erfaßt werden. Diese die genannten Gewinnermittlungen jeweils prägenden Merkmale (§ 4 Abs. 1 EStG: Gewinnmäßige Erfassung der Bestandsveränderungen nach dem Wirtschaftsjahr, § 17 Abs. 1 EStG: Fehlen solcher Erfassung) verbieten es, die eine Gewinnermittlung als Sonderregelung (ausgegrenzten Teil) der anderen aufzufassen.

Dem Umstand, daß § 2 Abs. 4 Nr. 1 EStG als der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit den Gewinn (§§ 4 bis 7 e) nennt, ohne neben den §§ 4 bis 7e die Vorschrift des § 17 Abs. 2 EStG zu erwähnen, ist entgegen der Ansicht des Klägers nichts Wesentliches für die Beantwortung der Streitfrage zu entnehmen. Insbesondere rechtfertigt das Fehlen einer Erwähnung des § 17 Abs. 2 EStG nicht den Schluß, daß hierdurch die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG im Rahmen der Gewinnermittlungen nach § 4 ff. EStG einer bestimmten von diesen zugeordnet worden ist, etwa - wie der Kläger meint - der (mit dem Hinweis auf §§ 4 ff. EStG in Bezug genommenen) Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und nicht der (in gleicher Weise in Bezug genommenen) Gewinnermittlung nach § 5 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG, die durch § 10d EStG nicht begünstigt ist. Eine Charakterisierung der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG als Sonderregelung des § 4 Abs. 1 EStG ist dadurch nicht erfolgt. Dahinstehen kann, ob die Ansicht des erkennenden Senats im Streitpunkt durch die im Urteil des BFH vom 17. Oktober 1957 IV 64/57 U (BFHE 90, 544, BStBl III 1957, 443) vertretene Auffassung maßgeblich gestützt wird (wie die Vorinstanz angenommen hat und der Kläger verneint), da den Ausführungen dieser Entscheidung ein entscheidendes Gegenargument jedenfalls nicht zu entnehmen ist, abgesehen davon, daß sie den erkennenden Senat nicht bindet (§ 184 Abs. 2 Nr. 5 FGO: keine Veröffentlichung des Urteils nach § 64 AO a. F.).

Wenn die Vorinstanz auf eine hilfsweise begehrte Ermittlung des Veräußerungsverlustes nach § 4 Abs. 1 EStG nicht eingegangen ist, so wird die Richtigkeit der Vorentscheidung im Ergebnis dadurch nicht berührt. Denn der in der Revision wiederholte Hilfsantrag kann und konnte nicht zu einer Zubilligung des Verlustabzugs nach § 10d EStG führen. Die Ersetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Gewinnermittlung für im Privatvermögen geführte wesentliche Beteiligungen nach § 17 Abs. 2 EStG durch eine andere oder die Vornahme von Anfang an einer anderweitigen Gewinnermittlung ist mangels gesetzlicher Grundlage - zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen - nicht zulässig. Der Kläger und seine Ehefrau gehören, soweit es sich um die Besteuerung des in Rede stehenden Verlustes handelt, auch nicht zum Kreis der Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG ermitteln müssen oder können. Zu letzteren rechnen Land- und Forstwirte, Angehörige freier Berufe und Gewerbetreibende, nicht jedoch Steuerpflichtige, deren Besteuerung wie hier lediglich nach § 17 EStG hinsichtlich des Veräußerungsgewinnes oder -verlustes aus im Privatvermögen geführten Beteiligungen erfolgt.

Die Einführung des Verlustausgleichs durch den Steuergesetzgeber (Steueränderungsgesetz 1965 vom 14. Mai 1965, BGBl I 1965 S. 377, BStBl I 1965, 217, Art. 1 Nr. 8 und Nr. 20, § 52 Abs. 16 Satz 1: Streichung des § 17 Abs. 5 EStG a. F.) ist als Zulassung des wesentlich anders gearteten Verlustabzugs nach § 10d EStG nicht aufzufassen (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., 1971/72, Rdnr. 7, 48 zu § 17 EStG). Die Ausführungen der Vorinstanz hierzu sind rechtlich unbedenklich.

Eine Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 10d EStG sowie des gesetzlichen Zusammenhangs, in den diese Vorschrift gestellt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wie der Kläger nicht verkennt, ist § 10d EStG nach Sinn und Zweck - unter Beachtung seines gesetzlichen Zusammenhangs insbesondere mit den Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes - dazu bestimmt, den Abzug von Verlusten, soweit sie bei der Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung sich nicht auswirken konnten, in späteren Veranlagungszeiträumen mit steuerminderndem Erfolg zu ermöglichen. Es wird dadurch in begrenztem Rahmen eine Durchschnittsbesteuerung für mehrere Jahre herbeigeführt (BFH-Gutachten vom 25. Januar 1951 I D 4/50 S, BFHE 55, 182, BStBl III 1951, 68; vgl. auch BFH-Urteile vom 8. Januar 1958 I 131/57 U, BFHE 66, 250, BStBl III 1958, 97; vom 28. Juni 1968 VI R 214/66, BFHE 93, 278, BStBl II 1968, 774). Da der Gesetzgeber jedoch die genannte Durchschnittsbesteuerung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10d EStG auf die Verlustermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG bzw. 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung beschränkt hat, obgleich ihm andere Verlustermittlungen nach dem Einkommensteuergesetz, wie etwa durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 oder durch Errechnung nach § 17 Abs. 2 (vgl. auch § 23 Abs. 4) bekannt waren, so läßt das mangels Entgegenstehens besonderer Umstände, die nicht zu ersehen sind, nur den Schluß zu, daß er andere als die in § 10d EStG genannten Erfolgsermittlungen weder begünstigt wissen wollte noch begünstigt hat.

Insoweit kann vom Vorliegen einer dem Gesetzgeber etwa unbewußten und nach den Vorstellungen des Klägers auszufüllenden Lücke im Gesetz nicht ausgegangen werden. Ebensowenig bleibt die Rechtsmöglichkeit zur begehrten weiten Auslegung und Anwendung des § 10d EStG, da diese vom Wortlaut, Sinn und Zweck der Bestimmung sowie vom Gesetzeszusammenhang nicht mehr getragen würde. Die Entwicklungsgeschichte des § 10d EStG ergibt hierzu nichts Wesentliches. Soweit die Vorinstanz eine weite Auslegung des § 10d EStG auch unter Hinweis auf Entstehungsgründe, Sinn und Zweck des § 17 EStG abgelehnt hat, handelt es sich um eine Erwägung, die mit Rücksicht auf den vom Kläger behaupteten sachlichen Zusammenhang zwischen § 17 EStG und § 10d EStG nicht abwegig war und zu einem entscheidungserheblichen Rechtsirrtum nicht geführt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70963

BStBl II 1974, 567

BFHE 1974, 459

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