Leitsatz

Die subjektiven und objektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung gem. § 169 Abs. 2 Satz 2, § 370 AO sind dem Grund nach auch bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten immer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dies gilt auch für die Verletzung sog. erweiterter Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerpflichten nach § 90 Abs. 2 AO.

 

Normenkette

§ 162, § 169 Abs. 2 Satz 2, § 370, § 378 AO, § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Auf ein Auskunftsersuchen im Oktober 1999 erklärte der Kläger, ein Notar, im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsabschlagsteuer im Jahr 1993 habe er Wertpapiere mit einem Nominalwert von ca. 450.000 DM im Ausland angelegt, es jedoch bislang unterlassen, die daraus erzielten Zinserträge zu versteuern. Die ESt-Erklärung für 1991 hatte er 1993 und die für 1992 im Jahr 1994 beim FA eingereicht.

Zum Nachweis der Auslandsanlagen reichte der Kläger eine Bestätigung einer Schweizer Bank zu den Beständen zum 31.12.1994 mit 580.983 DM bis zum 31.12.1998 mit 883.114 DM ein. Die Bank teilte darin ferner mit, für 1994 sei keine Erträgnisaufstellung erstellt worden, da das Konto erst am 21.7.1994 eröffnet worden sei. Des Weiteren reichte der Kläger für die Zeit von 1992 bis 1994 eine Erträgnisaufstellung einer Luxemburger Bank ein. Danach hatte der Kläger 1992 einen Wertpapierbestand von 39.000 DM und 1993 i.H.v. 728.000 DM neben weiteren inländischen Investmentzertifikaten.

Gegenüber der Steuerfahndung erklärte er, aus dem Verkauf eines ererbten Hauses sei ihm 1993 ein Betrag von 300.000 DM zugeflossen, der seiner Erinnerung nach angelegt worden sei. Später korrigierte der Kläger diese Angabe unter Vorlage eines Kontoauszugs und einer Bankanweisung dahingehend, der Verkaufserlös für das Reihenhaus habe 299.242,64 DM betragen, außerdem habe er über ein Privatkonto bei einer inländischen Bank über ca. 370.000 DM verfügt.

Die Steuerfahndung ging im Schätzungsweg bei den Einkünften aus Kapitalvermögen von einem Anfangsvermögen des Klägers zum 1.1.1987 von 247.954 DM sowie jährlichen Ansparraten von 30.000 DM zuzüglich der Wiederanlage der Zinsen aus. Der Einspruch gegen die entsprechend für 1987 bis 1992 geänderten ESt-Bescheide hatte keinen Erfolg. Vor dem FG legte der Kläger eine Entwicklung der Kapital- und Finanzkonten seines Notariats für 1992 vor, wonach er 1992 1.117.881 DM entnommen hatte. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des FA wies der BFH als unbegründet zurück.

 

Entscheidung

Zwar habe das FG nicht deutlich zwischen den Maßstäben für die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren einerseits und deren genauer Höhe andererseits differenziert. Indes habe das FG im Ergebnis zutreffend angenommen, dass eine Steuerhinterziehung dem Grund nach auch bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten immer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden müsse und nach diesem Maßstab das Vorliegen einer Steuerstraftat verneint. Verfahrensrügen gegen diese nicht zu beanstandenden Feststellungen seien indes nicht erhoben worden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

 

Hinweis

1. Der objektive wie auch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder einer leichfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) ist für die Anwendung einer Reihe von Verfahrensvorschriften von Bedeutung, so für die Haftung nach § 71 AO, die auf 10 Jahre verlängerte Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, die Änderung von aufgrund von Außenprüfungen ergangenen bestandskräftigen Steuerbescheiden nach § 173 Abs. 2 AO oder die Verzinsung hinterzogener Steuern nach § 235 AO.

2. Der Beweismaßstab, der für die Feststellung einer Steuerhinterziehung im Besteuerungsverfahren gilt, ist vom Großen Senat des BFH im Beschluss vom 5.3.1979, GrS 5/77 (BStBl II 1979, 570) klargestellt worden. Trotzdem finden sich in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung immer wieder zumindest missverständliche Formulierungen. Auch das wiederholt als gegenteiliger Beleg herangezogene Urteil des IV. Senats des BFH vom 2.7.1998, IV R 39/97 (BStBl II 1998, 28) geht, wie der Senat – in Übereinstimmung mit den Entscheidungsgründen – auf Anfrage bestätigt hat, von diesem Maßstab aus.

3. Es gelten nicht die strafprozessualen Grundsätze, mithin auch nicht der Grundsatz "in dubio pro reo". Denn Besteuerungs- und Strafverfahren stehen als eigenständige Verfahren nach § 393 Abs. 1 Satz 1 AO nebeneinander. Gleichwohl erlangt der Grundsatz im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren in der Weise Geltung, dass die Finanzbehörde als Steuergläubigerin die objektive Feststellungslast für die steuerbegründenden Tatsachen trägt.

4. Für deren Feststellung besteht zwar kein höherer Grad an Gewissheit als für andere Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt. Andererseits mindert sich aber bei unbehebbaren Zweifeln auch nicht das Beweismaß, insbesondere darf eine Steuerstraftat nicht dem Grund nach mit Hilfe einer Schätzung angenommen werden. Vielmehr muss das FG nach § 96 Abs. 1 Satz...

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