Leitsatz

Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" i.S. des § 6a GrEStG ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Unerheblich ist, ob bei mehrstufigen Beteiligungen das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

 

Normenkette

§ 6a GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war bis zum 15.8.2011 zu 100 % an der grundbesitzenden D‐GmbH beteiligt. Gesellschafterin der Klägerin war zu 100 % die E‐GmbH, deren Anteile wiederum vollständig durch die F‐AG gehalten wurden. Zum 15.8.2011 wurde die D‐GmbH als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Im Zeitpunkt der Verschmelzung hatten die o.g. Beteiligungen ununterbrochen seit mehr als fünf Jahren bestanden.

Am 5.7.2013 veräußerte die F‐AG 26,8 % ihrer Anteile an der E‐GmbH. Daraufhin erließ das FA einen geänderten Feststellungsbescheid, mit dem es die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG abweichend von der bisherigen Handhabung nicht mehr gewährte. Die Voraussetzungen des § 6a Satz 1 GrEStG seien nach § 6a Satz 4 GrEStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren sei nicht eingehalten worden. Die F‐AG als herrschendes Unternehmen sei nicht länger mittelbar über die E‐GmbH zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt. Das FG gab der auf Aufhebung des Feststellungsbescheids gerichteten Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.5.2020, 7 K 820/17 GE, Haufe-Index 14038118, EFG 2020, 1332).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG durch die Veräußerung der Anteile der F‐AG an der E‐GmbH innerhalb von fünf Jahren seit der Verschmelzung nicht nachträglich weggefallen seien.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen bei mehrstufigen Beteiligungen die Steuerbegünstigung des § 6a GrEStG nachträglich wegfällt.

1. Der durch eine Verschmelzung bewirkte Übergang des Eigentums an einem Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG der GrESt. Es handelt sich um einen gesetzlichen Eigentumswechsel, dem kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und der auch keiner Auflassung bedarf.

2. Nach § 6a Satz 1 Halbs. 1 GrEStG in der im Jahr 2011 geltenden Fassung wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben.

a) § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG betrifft die Verschmelzung, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung und § 1 Abs. 1 Nr. 3 UmwG die Vermögensübertragung. Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist nicht auf Unternehmen i.S.d. UStG beschränkt.

b) § 6a Sätze 3, 4 GrEStG verlangen ferner ein Abhängigkeitsverhältnis in Gestalt von bestimmten Beteiligungsverhältnissen zwischen den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist).

Die Vor- und die Nachbehaltensfrist müssen abweichend vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung nur insoweit eingehalten werden, als sie in dem betreffenden Umwandlungsvorgang auch eingehalten werden können.

In Fällen der Verschmelzung zwischen einer abhängigen Gesellschaft und einem herrschenden Unternehmen muss daher nur die Vorbehaltensfrist eingehalten werden. Das qualifizierte Beteiligungsverhältnis muss vor der Verschmelzung fünf Jahre Bestand gehabt haben. Das gilt sowohl für die Verschmelzung auf die abhängige Gesellschaft als auch für die Verschmelzung auf das herrschende Unternehmen. Die Nachbehaltensfrist kann und muss bei der Verschmelzung nicht eingehalten werden.

Bei Umwandlungsvorgängen, bei denen eine beteiligte Gesellschaft neu entsteht, wie z.B. bei einer Abspaltung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 2 Nr. 2, §§ 124ff. UmwG) oder Ausgliederung zur Neugründung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 123 Abs. 3 Nr. 2, §§ 124ff. UmwG), kann die Vorbehaltensfrist aus rechtlichen Gründen nicht eingehalten werden und muss dies daher auch nicht. Die Nachbehaltensfrist kann und muss demgegenüber eingehalten werden.

c) Die Nichterhebung der GrESt setzt nach § 6a Satz 3 GrEStG weiter voraus, dass an dem Umwandlungsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG beteiligt sind.

Welches Unternehmen "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaft "abhängige Gesellschaft" im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Soweit das Gesetz von einem herrschenden Unternehmen spricht, ist zunächst – ­soweit vorhanden –...

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