Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug nach dem Ende der ersten Organschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Vorsteuer aus Leistungen, die die Organgesellschaft während des Bestehens einer Organschaft bezogen hat, für die die Rechnung aber erst in dem Zeitpunkt zugeht, in dem die Organgesellschaft bereits zu neuen Organträger gehört, steht nicht dem neuen Organträger zu.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 15
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Vorsteuer aus Rechnungen an ihre Organtochter zusteht, bei denen die entsprechenden Leistungen zu einem Zeitpunkt erbracht worden sind, als die Organtochter noch zu einem anderen Organträger gehörte. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Durch Geschäftsanteilskaufvertrag vom 11. November 1997 ist die ...gesellschaft mbH (X) mit Wirkung vom 01. Februar 1998 aus dem Organkreis der Y eG i. L. ausgeschieden und in den Organkreis der Klägerin aufgenommen worden. Die X bezog im Kalenderjahr 1997 und im Januar 1998 Leistungen von der Z, über die erst in den Monaten März bis August 1998 abgerechnet worden ist. Die Klägerin befindet sich im Besitz der für diese Leistungen erteilten Rechnungen und machte die Vorsteuer aus diesen Rechnungen in ihren Voranmeldungen und auch in der Jahreserklärung für das Streitjahr geltend. Das Finanzamt lehnte eine Geltendmachung der Vorsteuer aus diesen Rechnungen ab und erließ nach einer Betriebsprüfung am 04. November 2003 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Den Einspruch der Klägerin wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 mit folgender Begründung zurück:
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) setze die Vorsteuerabzugsberechtigung einen Leistungsbezug für das Unternehmen des berechtigten Unternehmers voraus. Die Leistung, für die die Klägerin hier einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG beanspruche, sei an die X noch während des Bestehens der Organschaft zur Y ausgeführt worden. Dieser Leistungsbezug sei nicht der Klägerin, sondern könne nur der bisherigen Organträgerin zugerechnet werden. Zudem sei nach ständiger Rechtsprechung über den Vorsteuerabzug sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unter Berücksichtigung der Verwendung der Eingangsleistung gegebenenfalls der Verwendungsabsicht bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu entscheiden. Auf diesen Zeitpunkt sei entscheidend abzustellen. Da gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie das Recht auf Vorsteuerabzug bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs entstehe, müssten auch zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sein. Die Abzugsfähigkeit gemäß § 15 UStG richte sich nach den Außenumsätzen der Organgesellschaft bzw. Verwendung innerhalb des Organkreises. Maßgeblich könnten hier insoweit nur die Verhältnisse bei der Y im Zeitpunkt der Leistungsausführung sein, weshalb dieser auch die Vorsteuerabzugsberechtigung trotz des Organträgerwechsels noch vor der Abrechnung über die bezogenen Leistungen zuzusprechen sei. Die Klägerin habe die fragliche Leistung nicht für ihr Unternehmen bezogen und dort verwendet.
§ 15 UStG treffe keine Aussage darüber, zu welchem Zeitpunkt das Recht auf Vorsteuerabzug entstehe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei aber § 15 Abs. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsprechend dem Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bereits entstehe, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer nach Art. 10 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie entstehe. Der Europäische Gerichtshof stelle ausdrücklich fest, dass das Bestehen (die Entstehung) des Rechts auf Vorsteuerabzug einerseits und die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts andererseits zu trennen seien. Während das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie bereits entstehe, wenn der Anspruch auf abziehbare Steuer entstehe, sei die Ausübung dieses Rechts in der Regel an den Besitz der Originalrechnung geknüpft und könne daher erst erfolgen, wenn auch diese Voraussetzung erfüllt sei. Der Vorsteuerabzug sei dann für den Erklärungszeitraum vorzunehmen, in dem beide nach Art. 18 Abs. 2 und Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie erforderlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Während also das Recht auf Vorsteuerabzug bereits mit der Erbringung der Leistung entstehe, könne es erst ausgeübt werden, wenn der Steuerpflichtige eine Rechnung besitze.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei das Recht auf Vorsteuerabzug für die fragliche und an die X ausgeführte Leistung bereits zu einem Zeitpunkt entstanden, als noch das Organschaftsverhältnis zur Y bestanden habe. Dieses Vorsteuerabzugsrecht könne daher nur für das Unternehmen der Y entstanden sein. Für dieses Unternehmen und nicht für das der Klägerin sei die Leistung ausgeführt worden. Aus der Übernahme der X in den O...