Rz. 2

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Das Recht der EU besteht einerseits aus dem originären, von den Mitgliedstaaten geschaffenen Recht; das sind vor allem die Gründungsverträge (EGKS vom 18.04.1951, BGBl 1951 II, 447; EWG vom 25.03.1957, BGBl 1957 II, 766; Euratom vom 25.03.1957, BGBl 1957 II, 1014). Wesentlich ist ferner der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV); dieser bildet auch die rechtliche Grundlage für die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes (freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr). Dazu treten Rechtsnormen, die von den Organen der EU erlassen werden; dabei handelt es sich im Wesentlichen um Verordnungen (> Rz 3) und Richtlinien (> Rz 4).

 

Rz. 3

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Eine von den EU-Organen erlassene Verordnung hat – ohne Beteiligung der nationalen Parlamente – allgemeine Geltung in jedem Mitgliedstaat (Art 288 AEUV). Sie ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar für die Bürger in jedem Mitgliedstaat. Sie wird in allen Mitgliedstaaten wirksam, sobald sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden ist. Entgegenstehendes nationales Recht wird dadurch verdrängt (BVerfG 31, 145 [174]; BVerfG 37, 271).

 

Rz. 4

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Eine EU-Richtlinie ist grundsätzlich nicht unmittelbar geltendes Recht, sie muss vielmehr von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten sind innerhalb einer Frist, die in der Richtlinie festgelegt wird, zur Umsetzung verpflichtet. Kommt ein Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nach, können sich EU-Bürger auf die Richtlinie berufen, wenn die Frist zu ihrer Umsetzung abgelaufen ist und es sich um eine Anspruchsbeziehung zwischen Bürger und Staat handelt (BAG 105, 32 vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02, DB 2003, 1387). Die Richtlinie darf aber keine Bedingung enthalten und muss klar und genau gefasst sowie ihrem Wesen nach geeignet sein, unmittelbare Wirkungen zu entfalten (EuGH 1970, 1213; 1982, 53; 1984, 1075 und EuGH vom 25.05.1993, BStBl 1993 II, 812). Das EU-Recht widersprechende nationale Recht bleibt zwar gültig, es ist aber nicht mehr anzuwenden. Auf diesem Wege können jedoch keine für den EU-Bürger belastenden Regelungen in Kraft treten (BVerfG 75, 223 vom 08.04.1987 – 2 BvR 687/85; EuGH 1987, 3969; HFR 1988, 594). Ist eine Richtlinie nicht unbedingt oder hinreichend genau gefasst, um im Falle einer verspäteten Umsetzung in nationales Recht unmittelbare Wirkung zu entfalten, hat ein Mitgliedstaat dem einzelnen EU-Bürger die Schäden zu ersetzen, die durch die nicht fristgerechte Umsetzung der Richtlinie entstanden sind (EuGH vom 19.11.1991 – Rs C 6/90). Zum Schadensersatz wegen nicht vollständiger Umsetzung einer EU-Richtlinie vgl auch EuGH vom 16.12.1993, NJW 1994, 921 und Jarass, NJW 1994, 881. Eine in nationales Recht umgesetzte Richtlinie bleibt weiterhin von Bedeutung für die Auslegung des darauf beruhenden nationalen Rechts, das "im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie" auszulegen ist, weil nur so das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden kann (EuGH 1987, 3969). Sofern die Auslegung des nationalen Rechts eine Auslegung der Richtlinie erfordert, fällt nach Art 267 AEUV der > Europäischer Gerichtshof (EuGH) hierzu eine Vorabentscheidung.

Weiterführend vgl T/K/Krumm, § 1 AO Tz 21ff; Lüdemann, EG-Recht und nationales Steuerrecht, BB 1992, 1606; Seer, Der Einfluss des europäischen Steuerrechts auf die Beweislast, IWB 2012, 604; Spetzler, Wirkung und Einfluss des Rechts der Europäischen Gemeinschaft auf das nationale Steuerrecht, DB 1993, 553; de Weerth, Bestandskraft von deutschen Steuerbescheiden und europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2009, 2677.

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