Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines angefochtenen Bescheids nach § 174 Abs. 4 AO
Leitsatz (redaktionell)
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden.
Normenkette
AO § 174 Abs. 4 S. 4, § 173 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Änderung des angefochtenen Bescheids nach § 174 Abs. 4 AO.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen und der Kläger u.a. aus dem Objekt Str. 1 in 1 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Mit Einkommensteuerbescheid 1995 vom 19.11.1997 schätzte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO.
Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und reichten die Einkommensteuererklärung 1995 nach. Dabei ermittelte der Kläger bei den Einkünften aus der Vermietung des Objekts Str. 1 in 1 die Abschreibung für Abnutzung (AfA) des Gebäudes degressiv nach § 7 Abs. 5 EStG mit 5 % der Anschaffung- bzw. Herstellungskosten. Am 10.02.1998 erließ das Finanzamt nach § 164 Abs. 2 AO einen Abhilfebescheid, der am 04.03.1998 gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert wurde.
Durch eine Mitteilung der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt vom 24.08.1999 erhielt das Finanzamt davon Kenntnis, dass der Kläger im Jahr 1995 leistungsfreie Baudarlehen nach dem 3. Förderweg für das Vermietungsobjekt Str. 1 in 1 von 230.000 DM erhalten habe. Daraufhin minderte das Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid 1995 vom 29.06.2000 unter Vorbehalt der Nachprüfung die Herstellungskosten des Objekts Str. 1 "Neubau" um den bezogenen Zuschuss sowie die AfA von bisher 31.240 DM auf 19.738 DM.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin erging am 28.05.2002 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung ein weiterer Änderungsbescheid.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1999 vom 28.05.2002 beantragten die Kläger unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 14.10.2002, bei den Einkünften aus dem Objekt Str. 1 "Neubau" die AfA auf 31.239 DM zu erhöhen, weil die Herstellungskosten nicht um den gewährten Zuschuss nach dem 3. Förderweg zu kürzen seien.
Den Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 1995 vom 28.05.2002 nahmen sie am 23.07.2004 zurück.
Mit geänderten Einkommensteuerbescheiden 1996 bis 1999 vom 01.12.2006 erhöhte das Finanzamt antragsgemäß die AfA für das Vermietungsobjekt Str. 1 auf 31.240 DM.
Außerdem änderte es am 01.12.2006 den Einkommensteuerbescheid 1995 nach § 174 Abs. 4 AO und erhöhte die Einnahmen aus diesem Objekt um den erhaltenen Zuschuss von 230.000 DM sowie die AfA auf 31.240 DM entsprechend den Folgejahren.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2011 verteilte das Finanzamt im Billigkeitswege die erhaltenen Fördermittel auf 10 Jahre. Im Übrigen führte es im Wesentlichen aus, entgegen der bisherigen Behandlung sei der Zuschuss von 230.000 DM im Jahr des Zuflusses zu versteuern. Der Änderung des Einkommensteuerbescheids 1995 vom 28.05.2002 nach § 174 Abs. 4 AO stehe der Ablauf der Festsetzungsfrist nicht entgegen, weil die steuerlichen Folgen zeitgleich innerhalb eines Jahres nach der Änderung der fehlerhaften Bescheide für die Jahre nach 1995 gezogen worden seien.
Nach Abgabe der Einkommensteuererklärung am 28.11.1997 sei die reguläre Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2001 abgelaufen.
Die fehlerhafte Entscheidung, die Herstellungskosten um den erhaltenen Zuschuss zu kürzen, sei mit dem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 1995 vom 29.06.2000 getroffen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Versteuerung des Zuschusses im Zuflussjahr 1995 noch möglich gewesen, weil die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1995 vom 01.12.2006 sei daher noch vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen.
Der Einkommensteuerbescheid 1995 vom 28.05.2002 sei zutreffend nach § 174 AO geändert worden, weil im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2000 antragsgemäß höhere Abschreibungen gewährt worden seien.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben.
Sie bringen sinngemäß vor, eine Änderung der Steuerfestsetzung 1995 vom 28.05.2002 des Klägers sei wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich gewesen. Die Festsetzungsverjährung sei spätestens mit Eintritt der Bestandskraft des auf die Außenprüfung folgenden Einkommensteuerbescheids eingetreten. Da die Einkünfte des Klägers nicht Gegenstand der gegen die Klägerin gerichteten Prüfungsanordnung vom 07.08....