Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kürzung des Vorwegabzugs beim Alleingesellschafter-Geschäftsführer
Leitsatz (NV)
1. Der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen des Alleingesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH ist nicht nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V. mit § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen, wenn diese ihm eine Altersversorgung zugesagt hat (Bestätigung BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546).
2. Das gilt auch dann, wenn der Alleingesellschafter-Geschäftsführer die Beteiligung erst im Laufe des Kalenderjahres erworben hat und ihm der Gewinn der GmbH für das ganze Kalenderjahr zusteht.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 3, § 10c Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger hatte im Jahr 1991 50 v.H. des Stammkapitals einer GmbH erworben und wurde zu deren Geschäftsführer bestellt. Die GmbH sagte ihm eine Altersversorgung zu. Am 11. Dezember 1995 erwarb er von seinem Mitgesellschafter, der bereits seit 1993 sein Ausscheiden aus der GmbH angekündigt hatte, dessen Gesellschaftsanteil in Höhe von 50 v.H. für 1 DM. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte dem Kläger der Gewinn der GmbH vom 31. Dezember 1993 an zustehen.
Im Streitjahr 1995 erzielte der Kläger Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 60 000 DM und die Klägerin in Höhe von 56 918 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) kürzte den Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen um 16 v.H. sämtlicher Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit auf Null.
Im Rahmen eines --aus anderen Gründen-- eingeleiteten Klageverfahrens begehrten die Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01 (BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546) bei der Kürzung des Vorwegabzugs die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH außer Ansatz zu lassen.
Die Klage hatte keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 492).
Mit ihrer Revision rügen die Kläger Abweichung der Vorentscheidung vom Urteil des BFH in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546. Zwar sei zwischen dem Vermögen der Kapitalgesellschaft und ihrem Alleingesellschafter zu unterscheiden. Dies schließe aber Vermögensverschiebungen zwischen den beiden nicht aus.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 27. November 2003 dahin gehend zu ändern, dass bei der Höchstbetragsberechnung für Vorsorgeaufwendungen die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen des FG sinngemäß, die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.
Es müsse ferner geprüft werden, ob die GmbH überhaupt in der Lage sei, Gewinne auszuschütten bzw. Liquidationserlöse auszukehren. Zwar werde im vorliegenden Fall der Anspruch auf "Ausschüttung" tatsächlich gemindert. Da sich gleichzeitig der Anspruch des Alleingesellschafters und Geschäftsführers auf Versorgung erhöhe, liege lediglich eine Vermögensumschichtung, keine Vermögensminderung vor. Die Minderung des Ausschüttungsanspruchs löse auch keine Steuerpflicht aus, so dass fraglich sei, ob überhaupt Beitragsleistungen i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlägen. Auch ein Steuerpflichtiger, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele, müsse seine Vorsorgeaufwendungen ausschließlich aus versteuertem Gewinn leisten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Der Klage ist entsprechend dem Revisionsantrag stattzugeben. Die Auffassung des FG, die Rechtsprechung des erkennenden Senats widerspreche dem sog. Trennungsprinzip, beruht auf einem Missverständnis der in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 aufgestellten Rechtsgrundsätze.
Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, eine Berufstätigkeit ausübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat. Der erkennende Senat hat entschieden, dass der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen eines Alleingesellschafters und Geschäftsführers einer GmbH nicht zu kürzen ist, wenn diese ihm eine Altersversorgung zugesagt hat (BFH in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546). Die gegen diese Rechtsprechung vom FG erhobenen rechtssystematischen Bedenken hält er nicht für durchgreifend.
1. Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG kann nicht nur die Zahlung, sondern auch die Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage sein (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1992 X R 121/90, BFH/NV 1992, 596). Dem steht der Grundsatz der steuerlichen Trennung von Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter (vgl. z.B. Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 11 Rdnr. 5, 38) nicht entgegen. Vielmehr ermöglicht er erst, dass ein Gesellschafter gegen "seine" Kapitalgesellschaft Ansprüche erwerben kann. Hierzu gehören auch die gesellschaftsrechtlichen Ansprüche nach § 29 Abs. 1 und § 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Verzichtet der Gesellschafter --ganz oder teilweise-- auf diese Ansprüche, so ist dies nicht anders zu behandeln, als der Verzicht auf andere Forderungen. "Beitragsleistung" i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG und der zitierten Rechtsprechung ist nicht die Dienstleistung des Gesellschafter-Geschäftsführers. Entgegen der Auffassung des FG wurde der Verzicht auch gegenüber der GmbH ausgesprochen, die aus der Pensionszusage verpflichtet ist.
2. Sinn und Zweck des Vorwegabzugs bestätigen die vom Senat vorgenommene Gesetzesauslegung.
Der Vorwegabzug i.S. des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG soll nach allgemeiner Auffassung einen Ausgleich dafür bieten, dass bei Arbeitnehmern der Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei bleibt (§ 3 Nr. 62 EStG), während der selbständig Tätige seine Beiträge zur Altersversorgung in voller Höhe selbst aufbringen muss (vgl. z.B. BTDrucks 8/292, 21; 11/2157, 144; BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 64/98, BFHE 189, 361, BStBl II 2001, 64). Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH befindet sich in einer vergleichbaren Situation wie der selbständig tätige Steuerpflichtige. Er unterliegt nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht und finanziert --wirtschaftlich gesehen-- letztlich durch seinen Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung selbst. Soweit das FA meint, er könne einem selbständig tätigen Gewerbetreibenden nicht gleichgestellt werden, weil letzterer seine Altersversorgung aus versteuertem Einkommen finanziere, übersieht es, dass Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 3 EStG auch im Streitfall die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Beiträge sind, nicht der Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche. Der Verzicht auf die gesellschaftsrechtlichen Ansprüche bewirkt nur, dass der Alleingesellschafter nicht zum Personenkreis derer gehört, die ihre Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erwerben.
3. Der Kläger hat im Streitjahr sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung auch ausschließlich aufgrund eigener Beitragsleistung erworben.
Steuerpflichtige gehören zu dem in § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG genannten Personenkreis, wenn sie während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben haben. Dem Kläger stand nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) aufgrund des notariellen Kaufvertrages der Gewinn der GmbH für das ganze Streitjahr 1995 zu, so dass er sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung nicht ganz oder teilweise zu Lasten gesellschaftsrechtlicher Ansprüche seines Mitgesellschafters erworben hat.
4. Die Tatsache, dass die Klägerin sozialversicherungspflichtigen Arbeitslohn bezogen hat, führt nicht dazu, dass der Kürzung des den Ehegatten gemeinsam zustehenden Vorwegabzugs (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG) auch der Arbeitslohn des Klägers zugrunde zu legen ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 2003 XI R 11/03, BFHE 204, 461, BFH/NV 2004, 701; BFH-Beschluss vom 22. Mai 2003 XI B 29/03, BFH/NV 2003, 1409).
5. Die Berechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1277695 |
BFH/NV 2005, 196 |