Normenkette
AO 1977 §§ 309, 314
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisonskläger (Kläger) war Gesellschafter einer GmbH, die dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) Steuern in Höhe von 87 453,46 DM schuldet. Die Stammeinlage des Klägers betrug 20 000 DM und wurde bei Gründung der GmbH in voller Höhe erbracht. Den von dem Mitgesellschafter des Klägers gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung lehnte das Amtsgericht mangels einer die Kosten des Konkursverfahrens deckenden Masse ab.
Der Kläger hatte der GmbH zuvor ein Darlehen von 30 000 DM gewährt. Das Darlehen wurde vor Stellung des Antrags auf Konkurseröffnung vollständig zurückgezahlt.
Nachdem andere Vollstreckungsmaßnahmen wegen der Steuerschulden der GmbH erfolglos geblieben waren, pfändete das FA mit Verfügung (Pfändungs- und Einziehungsverfügung) vom 15. Februar 1982 an den Kläger den Anspruch der GmbH als Vollstreckungsschuldnerin gegen den Kläger als Drittschuldner auf Rückerstattung des zurückbezahlten Darlehens in Höhe von 30 000 DM nach den §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG); zugleich ordnete das FA die Einziehung der gepfändeten Forderung an.
Beschwerde und Klage gegen die Verfügung blieben erfolglos.
Der Kläger legte gegen das Urteil des FG Revision ein.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Ohne Rechtsfehler ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA rechtmäßig ist. Das FG ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung grundsätzlich nicht von der Klärung der Frage abhängig ist, ob die von ihr betroffene Forderung besteht.
Den Vorschriften der AO 1977 (§§ 309 ff.) über die Pfändung einer Geldforderung kann nicht entnommen werden, daß die Vollstreckungsbehörde eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung nach den §§ 309, 314 AO 1977 nur dann erlassen darf, wenn feststeht oder geklärt ist, daß die Forderung, die Gegenstand der Verfügung sein soll, auch tatsächlich besteht. Schon der Wortlaut der Regelung in § 309 Abs. 1 AO 1977 über den Erlaß einer Pfändungsverfügung spricht vielmehr dafür, daß es für die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung darauf nicht ankommen soll. Diese Regelung knüpfte an das Ziel der Pfändung an, das nach dem Wortlaut darin bestehen muß, daß eine Forderung gepfändet werden "soll". Schon dieser Wortlaut deutet darauf hin, daß für den Erlaß einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung lediglich das Bestreben maßgebend sein soll, die Pfändung und Einziehung einer Forderung zu erreichen, und daß dieser Erlaß nicht notwendig davon abhängig sein soll, daß eine Lage besteht, nach der dieses angestrebte Ziel auch tatsächlich erreicht werden kann.
Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses spricht auch die Regelung in § 316 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, nach der die Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner dessen Verpflichtung auslöst, zu erklären, ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkennt, sofern die Vollstreckungsbehörde eine solche Erklärung verlangt. Nach dieser Regelung ist zur Auslösung der Erklärungspflicht der Erlaß einer Pfändungsverfügung erforderlich, obwohl die Erklärung des Drittschuldners zu der Erkenntnis führen kann, daß die Forderung, die gepfändet werden soll, nicht besteht. Somit kann im Einzelfall eine Pfändungsverfügung erlassen sein, obwohl nicht festgestellt oder geklärt ist, ob die von ihr betroffene Forderung auch tatsächlich besteht.
Der Auffassung, daß die Rechtmäßigkeit einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht vom Bestehen der von ihr benannten Forderung abhängig ist, kann nicht entgegengehalten werden, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung gehe "ins Leere" und sei deshalb wirkungslos, wenn die Forderung nicht bestehe. Denn eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung bleibt nicht schon deshalb ohne jede Wirkung, weil die von ihr betroffene Forderung nicht besteht. Das ergibt sich aus § 316 AO 1977. Danach bewirkt zumindest die Verfügung über die Pfändung, daß die in dieser Vorschrift geregelten Erklärungspflichten - durch ein entsprechendes Verlangen der Vollstreckungsbehörde - ausgelöst werden. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung etwa dann rechtswidrig ist, wenn feststeht oder klar erkennbar ist, daß die von ihr betroffene Forderung nicht besteht. Derartige Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Einziehungsverfügung stehen für den Fall, daß die benannte Forderung nicht besteht, auch nicht die mit der Verfügung angestrebten Ziele entgegen, eine Zahlung durch den Drittschuldner an den Vollstreckungsschuldner zu unterbinden (§ 309 Abs. 1 AO 1977) und eine Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers durch Zahlung an ihn zu erreichen. Wenn die Forderung, die gepfändet werden soll, nicht besteht und der Drittschuldner aus diesem Grunde nicht zur Zahlung verpflichtet ist, ändert die Pfändungs- und Einziehungsverfügung an dieser materiellen Rechtslage nichts. Insbesondere ist sie nicht geeignet, eine Zahlungspflicht des Drittschuldners zu begründen. Sie läßt die bestehende Vermögenslage, soweit diese die Zahlungsverpflichtung und damit auch das Bestehen der Forderung betrifft, unberührt.
Besteht die von der Pfändungs- und Einziehungsverfügung betroffene Forderung nicht, so werden durch den Erlaß der Verfügung auch die Abwehrmöglichkeiten des Drittschuldners gegen eine Inanspruchnahme nicht beeinträchtigt. Der Drittschuldner kann seine Rechte gegen eine Inanspruchnahme noch wahren, wenn die Vollstreckungsbehörde zur Verwirklichung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung von ihm Zahlung verlangt (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 315 AO 1977 Tz. 1).
Fundstellen
Haufe-Index 75087 |
BStBl II 1984, 740 |
BFHE 1985, 482 |