Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG bei vorweggenommener Erbfolge
Leitsatz (NV)
Überträgt der Vater seinen Gewerbebetrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Söhne sind die in § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG geforderten Größenmerkmale der letzten Bilanz des Vaters zu entnehmen.
Normenkette
EStG § 7g Abs. 2, 3 S. 3 Nr. 2
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ―eine zum 1. April 1997 gegründete OHG― ist gewerblich tätig; den Gewinn ermittelt sie nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Gesellschafter der OHG sind zwei Brüder, die den Gewerbebetrieb des Vaters mit Wirkung zum 1. April 1997 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich von ihrem Vater übernommen und gleichzeitig zu Buchwerten in die OHG eingebracht hatten. Der Wert des Betriebsvermögens des Vaters betrug zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1996 insgesamt 555 286,81 DM. Die beiden Brüder waren vor der Gründung der OHG als Arbeitnehmer tätig.
In der Bilanz der OHG zum 31. Dezember 1997 ist für Ansparabschreibungen nach § 7g EStG ein Sonderposten mit Rücklageanteil in Höhe von 121 400 DM ausgewiesen. Einen Teil dieses Betrages in Höhe von 51 400 DM hatte bereits der Vater, den Restbetrag in Höhe von 70 000 DM hat die OHG der Rücklage zugeführt.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hat die Rücklage in Höhe von 70 000 DM in den angefochtenen Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermessbescheiden für 1997 nicht anerkannt. Der Einspruch blieb erfolglos. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Bescheide hat das FA abgelehnt.
Auch der während des Klageverfahrens beim Finanzgericht (FG) gestellte weitere Antrag auf AdV blieb erfolglos. Das FG führte dazu aus, dass im Streitjahr zwar die OHG, nicht aber der Betrieb neu gegründet worden sei. Dieser sei ohne Änderung unentgeltlich vom Vater auf die Söhne und die OHG übergegangen. Aus der zwingenden Buchwertverknüpfung folge, dass auch hinsichtlich der für die Förderung maßgeblichen Größenmerkmale auf die Verhältnisse des übergegangenen Betriebs (hier: zum 31. Dezember 1996) abzustellen sei. § 7g EStG sei nicht personen-, sondern betriebs- und investitionsbezogen auszulegen. Auf die vom Gesetz vorausgesetzten Größenmerkmale komme es nur bei Neugründung von Betrieben nicht an, bei denen ein vorausgehendes Wirtschaftsjahr nicht existiert habe.
Mit der Beschwerde vertritt die Antragstellerin die Ansicht, dass die Betriebsbezogenheit der Ansparabschreibung mit dem Rechtsträgerwechsel ende, der bei Einzelrechtsnachfolge i.S. von § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) a.F. bzw. § 6 Abs. 3 EStG 1999 eintrete. Dementsprechend sei im Streitfall von einer Neugründung des Betriebs durch die OHG auszugehen und die Rücklage ohne Rücksicht auf irgendwelche Höchstbetragserfordernisse zu gewähren (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Juli 1999 I R 57/98, BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127).
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des FG aufzuheben und die Vollziehung der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1997 und des Gewerbesteuermessbescheides 1997 in vollem Umfang und ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Ernstliche Zweifel sind u.a. anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom 20. Juni 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, m.w.N., und vom 7. Juli 1994 XI B 3/94, BFHE 174, 486, BStBl II 1994, 785). Das ist hier nicht der Fall.
1. Nach § 7g Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige nach Maßgabe der dort geregelten Voraussetzungen für die künftige Anschaffung oder Herstellung bestimmter Wirtschaftsgüter eine den Gewinn mindernde Rücklage (Ansparabschreibung) bilden. Es ist unter den Beteiligten nicht streitig, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Betrieb die gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 EStG erforderlichen Größenmerkmale nicht überschreitet. Maßgeblich sind nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift die Größenmerkmale des Betriebs zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das dem Jahr der Bildung der Rücklage vorausgeht. Die Vorschrift ist jedoch ―wie der I. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127 (dort unter B. I. der Gründe) zur früheren Fassung ausgeführt und der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 12. Juni 2001 VIII B 33/01 (nicht veröffentlicht ―NV―) für § 7g Abs. 3 n.F. bestätigt hat― einschränkend auszulegen, wenn in dem Wirtschaftsjahr, für das die Rücklage gebildet wird, der Betrieb neu gegründet worden ist. In diesem Fall ist die Ansparabschreibung ohne irgendwelche Höchstbetragserfordernisse zu gewähren. Eine darüber hinausgehende einschränkende Auslegung der Bestimmung ist nicht möglich.
2. Im Streitfall wurde der Betrieb von der Antragstellerin nicht neu gegründet.
a) Der Vater hat den Betrieb im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf seine Söhne übertragen. Diese waren deshalb verpflichtet, das Betriebsvermögen in dem Umfang und mit den Werten fortzuführen, mit denen es in der Bilanz des Vaters ausgewiesen war (§ 7 Abs. 1 EStDV a.F., § 6 Abs. 3 EStG 1999). Das gilt auch für den Fall, dass der Betrieb von mehreren Rechtsnachfolgern übernommen wird (vgl. z.B. ―betreffend die vorweggenommene Erbfolge― BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, und Urteil vom 14. Juli 1993 X R 74-75/90, BFHE 172, 200, BStBl II 1994, 15, unter II. der Gründe, und ―betreffend die Erbfolge― BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, unter C. I. 2. b und c der Gründe und die weiteren Nachweise bei Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 16 Rz. 590, m.w.N.). Diese führen den Betrieb entsprechend den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen ab dem Zeitpunkt des Erwerbs als Mitunternehmer fort. Sie haben deshalb auch nach § 7 Abs. 1 EStDV a.F., § 6 Abs. 3 EStG 1999 die Buchwerte des übernommenen Betriebsvermögens zwingend und nicht nach § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) lediglich fakultativ fortzuführen.
b) Die Verpflichtung zur Buchwertfortführung hat auch zur Folge, dass die in § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EStG geforderten Größenmerkmale der Bilanz des Rechtsvorgängers (hier: zum 31. Dezember 1996) zu entnehmen sind. Die Bindung an die Buchwerte des Rechtsvorgängers beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Betrieb durch diesen nicht beendet und durch den Rechtsnachfolger wiedereröffnet wird, sondern dass er vom Rechtsnachfolger unverändert fortgeführt wird (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des BFH vom 24. Oktober 1951 IV 233/51 U, BFHE 56, 10, BStBl III 1952, 5, und dazu die weiteren Nachweise bei Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 6 EStG Anm. 437 ―E 216/28―). Dementsprechend tritt der Erwerber im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 EStDV auch hinsichtlich aller weiteren betrieblichen Merkmale in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein; das gilt insbesondere auch für alle die Rücklagenbildung betreffenden Umstände, soweit sie an das Betriebsvermögen des übergegangenen Betriebs anknüpfen (vgl. dazu näher ―zur Besitzzeitanknüpfung i.S. von § 6b EStG― BFH-Urteile vom 24. März 1992 VIII R 48/90, BFHE 168, 521, BStBl II 1993, 93, unter 2. b bb bbb der Gründe, und vom 7. November 2000 VIII R 27/98, BFHE 193, 549, BFH/NV 2001, 263, unter II. 2. a der Gründe, m.w.N.).
c) Diese Auslegung entspricht dem mit § 7g Abs. 3 EStG verfolgten Zweck.
Durch § 7g EStG sollen Liquidität und Eigenkapitalbasis insbesondere kleinerer und mittlerer Betriebe gestärkt werden (vgl. BTDrucks 11/285, 48; BTDrucks 12/4487, 33 und 54). Welche gewerblichen Betriebe hierunter fallen, ergibt sich für bereits bestehende Betriebe aus § 7g Abs. 2 Nr. 1 a EStG. Wer Inhaber eines solchen Betriebes ist, ist für diese Beurteilung jedenfalls dann ohne Bedeutung, wenn der Betrieb unentgeltlich übertragen wird. Dementsprechend bleiben in einem solchen Fall auch dem Betriebsinhaber auferlegte Bindungsfristen gewahrt (vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 25. Juni 1993 III R 11/88, BFHE 172, 278, BStBl II 1993, 769, unter II. 2. der Gründe, m.w.N., und ―zu § 7g Abs. 2 Nr. 2 EStG― R 83 Abs. 6 Satz 4 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR― 2000) und bleiben ―wie im Streitfall die vom Vater gebildete Rücklage in Höhe von 51 400 DM― vom Rechtsvorgänger passivierte Rücklagen unberührt (so etwa ―zu § 6b EStG― BFH-Urteil vom 22. September 1994 IV R 61/93, BFHE 176, 350, BStBl II 1995, 367, unter III. 2. der Gründe). Für § 7g Abs. 3 EStG ergibt sich dies daraus, dass der Gesetzgeber die Mittelstandsförderung nicht personen-, sondern betriebs- und investitionsbezogen ausgestaltet hat (vgl. BTDrucks 12/4487, 33). Damit erweist sich auch die in § 7g Abs. 7 Satz 3 EStG getroffene Regelung, nach der die Übernahme eines Betriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und die Betriebsübernahme im Wege der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft unmittelbar nach dem Erbfall nicht als Existenzgründung gilt, nicht als Sonderregelung für Existenzgründer, sondern als die Bestätigung eines für unentgeltliche Betriebsübertragungen geltenden allgemeinen Grundsatzes.
Fundstellen
Haufe-Index 644729 |
BFH/NV 2002, 24 |
DStRE 2001, 1267 |