Kapitel
Modernisierung des Besteuerungsverfahrens Änderungen

In diesem Kapitel erhalten Sie zunächst einen Überblick über die Änderungen im Gesetz vom 12.5.2016 im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. Im Anschluss finden Sie eine Darstellung ausgewählter wichtiger Punkte des Gesetzgebungsvorhabens. Dabei erfolgt ein Vergleich mit den ursprünglich vorgesehenen Änderungen im Gesetzentwurf.

Kurzdarstellung der Änderungen im Gesetz vom 12.5.2016 im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf


  • Einführung des § 87a Abs. 7 und 8 AO zur Einrichtung eines sicheren Verfahrens und Identifizierung der datenbereitstellenden Stelle,keine Übermittlung von Datensätzen nach Ablauf von siebe Jahren, wenn keine Übermittlungspflicht bestand, vgl. § 93c Abs. 2 AO,
  • Einführung des länderübergreifenden Abrufs und Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen, vgl. § 88b AO,
  • keine Festsetzung von Verspätungsgeldern für verspätete bzw. falsche Übermittlung von Datensätzen gem. § 93c Abs. 4 AO,
  • keine Haftung für entgangene Steuern aufgrund fehlerhafter Übermittlung von Datensätzen gem. § 93c. Abs. 5 AO,
  • keine Einführung des § 118a AO ("Ausschließlich automationsgestützt erlassene Verwaltungsakte"),
  • Neueinführung des § 122a AO ("Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Datenabruf") zur Darstellung der Bekanntgabe von elektronischen Steuerbescheiden,
  • Konkretisierung der "hohen Abschlusszahlung" i. S. d. § 149 Abs. 4 AO.

​Darstellung ausgewählter Änderungen

Es folgt in diesem Abschnitt eine Darstellung ausgewählter wichtiger Punkte des Gesetzes im Vergleich zu den ursprünglich vorgesehenen Änderungen im Gesetzentwurf.

1. Änderung des § 87a AO (Zugang eines elektronischen Dokumentes)

Mit der neuen Formulierung in Absatz 1 "§ 122 Abs. 2a sowie die §§ 122a, 123 Satz. 2 u. 3 AO bleiben unberührt" sollen zukünftig elektronische Benachrichtigungen über die Bereitstellung von Daten zum Abruf oder über den Zugang elektronisch übermittelter Daten an die Finanzbehörden an den Steuerpflichtigen übermittelt werden können. Diese Übermittlung erfolgt unverschlüsselt gem. § 87a Abs. 1 Satz 3 AO. Des Weiteren ist § 87a AO jetzt um einen Absatz 7 und einen Absatz 8 erweitert worden. Gem. Abs. 7 ist für die Bekanntgabe eines elektronisch erlassenen Verwaltungsaktes ein "sicheres Verfahren zu verwenden, das die übermittelnde Stelle oder Einrichtung der Finanzverwaltung authentifiziert und die Vertraulichkeit und Integrität des Datensatzes gewährleistet" (vgl. § 87a Abs. 7 Satz 1 AO). Dieses Verfahren stützt sich insbesondere auf eine qualifizierte elektronische Signatur (Nr. 1) bzw. den Versand des Verwaltungsakts über eine DE-Mail.

Bei einer Bereitstellung des Verwaltungsaktes durch Abruf ist gem. Abs. 8 ein Verfahren zu verwenden, das die für die Datenbereitstellung verantwortliche Stelle oder die Einrichtung der Finanzverwaltung identifizieren lässt. Die abrufberechtigte Person muss sich und ihre Abrufberechtigung authentifizieren. 

Auswirkungen: Durch die Änderung des § 87a AO wird die Rechtssicherheit der Bekanntgabefiktion des § 122 AO verstärkt. Diese soll für die elektronische Übermittlung von Verwaltungsakten ebenfalls gelten und entsprechend angewendet werden. Des Weiteren ermöglicht diese Änderung eine vollständige elektronische Bekanntgabe von Verwaltungsakten (insbesondere von Steuerbescheiden), die eine Reduktion der Finanzverwaltungsbürokratie herbeiführen soll.

2. Änderung des § 88 AO ("Untersuchungsgrundsatz")

Die Änderungen des § 88 AO stellen weiterhin der Kernpunkt innerhalb der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens dar. Weiterhin wird der Amtsermittlungsrundsatz nicht abgeschafft. Die Wirtschaftlichkeit innerhalb des Besteuerungsverfahrens soll jedoch erhöht werden. Nach der Beratung in den Ausschüssen stellt die zukünftige Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen voraussichtlichen Arbeitsaufwand und steuerlichen Auswirkungen den zentralen Kritikpunkt am geänderten Untersuchungsgrundsatz dar. Im Gegensatz zum Entwurf sind Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze zukünftig mit dem BMF abzustimmen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten (vgl. § 88 Abs. 3 AO).

§ 88 Abs. 4 AO ist im Gesetzgebungsverfahren einer Änderung unterzogen worden: Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle i. S. d. § 81 EStG können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit die Zuordnung eines Datensatzes nur mit unverhältnismäßigen Aufwand gewährleistet werden kann. Sofern Daten weitergeleitet worden sind, sind diese – unter Beachtung von Weisungen – dem BMF weiterzuleiten bzw. sind nicht weitergeleitete Daten über einen Zeitraum von 15 Jahren zu speichern.

Auswirkungen: Die Änderung leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Rationalisierung der Arbeit der Finanzbehörden. Gleichzeitig enthält diese Änderung eine potentielle Durchbrechung des Legalitätsprinzips durch dargestellte Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Diese stellen einen möglichen Ausgangspunkt für (höchst-)finanzgerichtliche Rechtsprechung dar und sind im Sinne eines gerechten Besteuerungsverfahrens zu hinterfragen. Der Grundsatz des Ökonomie-Vorbehalts (zurückgehend auf Isensee) ist damit erstmalig in einem Gesetz eingeführt worden.

2.1 Änderung des § 88 Abs. 5 AO

Im Rahmen des Gesetzes ist Absatz 5 nicht geändert worden. Weiterhin soll die Neueinführung eines Risikomanagementsystems (RMS) der personelle Ressourceneinsatz der Finanzverwaltung optimiert werden. Das RMS soll es ermöglichen, die Amtsträger zur Bearbeitung prüfungsbedürftiger Fälle einsetzen zu können, um gleichzeitig die Anzahl vollständig maschinell bearbeiteter Fälle zu erhöhen. Die Kernänderung des § 88 AO betrifft die Einführung eines sog. "Risikomanagementsystems". Dessen Ziele bestehen primär in der:

  • Verhinderung von Steuerverkürzungen,
  • Aufdeckung von Betrugsfällen,
  • Optimierung personeller Fallbearbeitung,
  • Verbesserung der Bearbeitungsqualität durch Standardisierungen von Arbeitsabläufen,
  • bundeseinheitlichen Abstimmung von Vorgaben.

Auswirkungen: Die geplante Einführung eines RMS stellt einen der Kernpunkte der geplanten Modernisierung des Besteuerungsverfahrens dar. Einerseits wird es – unter Voraussetzung der technischen Durchführbarkeit – die Arbeit der Finanzverwaltung erleichtern. Gleichermaßen besteht das Risiko, dass die Steuerpflichtigen  bei einschlägiger Kenntnis der Parameter ihr Erklärungsverhalten an das RMS anpassen. Andererseits besteht das Risiko, dass Steuerbürger durch gezielte Maßnahmen eine Aussteuerung ihres individuellen Steuerfalls herbeiführen, um diesen durch einen Amtsträger prüfen zu lassen. Des Weiteren ist die technische Unversehrtheit des RMS zu garantieren: Gelingt es nicht, diese gegen äußere Einflüssen abzuschotten, könnten Manipulationen o.ä. durchgeführt werden. Zuletzt muss das RMS eine willkürfreie Aussteuerung von zu prüfenden Steuerfällen ermöglichen; diese Aussteuerung darf zugunsten der Manipulationssicherheit nicht durch manuelle Eingaben oder andere Veränderungen der Parameter durchbrochen werden.

3. Neueinführung des § 88b AO ("Länderübergreifender Abruf und Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen")

Während des Gesetzgebungsverfahrens ist § 88b AO neu in das Gesetz eingefügt worden. Dieser stellt die gesetzliche Grundlage für einen länderübergreifenden Abruf und die Verwendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung und Verfolgung von Steuerverkürzungen dar. Und untergliedert sich in insgesamt drei Absätze.

Hiernach dürfen für Zwecke eines Verwaltungsverfahrens in Steuersachen, eines Strafverfahrens wegen eine Steuerstraftat oder eines Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit von Finanzbehörden gespeicherte Daten entgegen § 30 AO zum gegenseitigen Datenabruf bereitgestellt  und von den zuständigen Finanzbehörden abgerufen, überprüft, verwendet und gespeichert werden.

Abs. 2 sieht vor, dass die Auswertungsergebnisse nach Abs. 1 den jeweils betroffenen Finanzbehörden elektronisch zur Verfügung gestellt werden müssen.  Durch Rechtsverordnung wird bestimmt welche Finanzbehörden auf Landesebene zuständig sind; eine Übertragung auf die oberste Landesbehörde ist zulässig.

Auswirkungen: Durch die Neueinführung des § 88b AO wird eine gesetzliche Grundlage zur  Erhebung und Verwendung von Daten zur Verfolgung von o. g. Straf- und Ordnungswidrigkeiten von anderen Landesfinanzbehörden geschaffen. Hierdurch soll eine automationsgestützte Verhinderung und Bekämpfung von Steuerverkürzungen ermöglicht und der Aufbau gesonderter Datenbanken obsolet werden. Trotz des entgegenstehenden Hinweises auf § 30 AO  ist das Steuergeheimnis beim Datenaustausch zwischen Landesfinanzbehörden weiter zu beachten und sollte in seinem Geltungsumfang nicht durch § 88b AO begrenzt werden können.

4. Neueinführung des § 93c AO ("Datenübermittlung durch Dritte")

Die Neueinführung des § 93c AO soll den entscheidenden Beitrag zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens darstellen. Ziel der Einführung ist es, das Verfahrensrecht zukunftsfester, rechtssicherer und besser handhabbar zu machen. § 93c AO stellt aus diesem Grund die zentrale Vorschrift zur Datenfernübermittlungspflicht dar und soll "als vor die Klammer gezogene Grundprinzip" die übrigen Normen des Steuerrechts von Übermittlungsvorschriften entlasten. Ziel ist die möglichst vollständige Vereinheitlichung der Datenübermittlungspflichten bezüglich Form, Rechten und Pflichten der Betroffenen. Im Rahmen der Gesetzeseinführung ist § 93c AO nur hinsichtlich einer sprachlichen Präzisierung des Fristendes angepasst worden; im Übrigen ist er unverändert.

Auswirkungen: Die Einführung des § 93c AO stellt eine Verschlankung des Steuerrechts dar, da in einer Zentralnorm die Datenübermittlungsvorschriften innerhalb der AO geregelt werden. Neue Datenübermittlungspflichten bzw. eine Erweiterung bestehender Datenübermittlungspflichten sollen hierdurch nicht entstehen, so dass keine Arbeitsmehrbelastung der zahlreichen Betroffenen entsteht. Ziel ist die möglichst vollständige Vereinheitlichung der Datenübermittlungspflichten bezüglich Form, Rechten und Pflichten der Betroffenen.

4.1 Neueinführung des § 93c Abs. 1 AO

§ 93c Abs. 1 AO stellt die grundsätzlichen Rechte und Pflichten bei der Datenfernübermittlung durch Dritte dar. Abs. 1 begründet keine (neuen) Datenübermittlungspflichten, sondern stellt lediglich die Art und die Frist zur Übermittlung dar. Innerhalb des Gesetzes wurde das Fristenende mit „dem letzten Tag des Monats Februar“ angegeben, um linguistische Schwierigkeiten im Umgang mit Schaltjahren zu vermeiden. Die Daten müssen gem. § 93 Abs. 1 Nr. 1 AO bis zum letzten Tag des Monats Februars des Folgejahrs (in Schaltjahren somit: bis zum 29. Februar des Folgejahres) übermittelt werden. Zudem müssen die Datensätze mind. die in Nr. 2 genannten Angaben enthalten (Angaben zur Identifizierung des Datenübermittlers, der zur Datenübermittlung beauftragt worden ist, des betroffenen Steuerpflichtigen und zur eindeutigen Bestimmbarkeit des jeweiligen Datensatzes). Die datenübermittelnde Stelle hat den Steuerpflichtigen über den Umfang der übermittelten Daten zu informieren (Nr. 3). Des Weiteren müssen die übermittelten Datensätze bis zu sieben Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt gespeichert werden (Nr. 4). Eine korrigierte Datenübermittlung ist jedoch nicht vorzunehmen, sofern die mitteilungspflichtige Stelle vor dem Ablauf der siebenjährigen Frist erkennt, dass sie zur Datenübermittlung verpflichtet gewesen wäre.

Auswirkungen: Die Vereinheitlichung der Datenübermittlungsgrundsätze, der Übermittlungsfristen sowie der Art und Weise der Datenübermittlung sind zu begrüßen, da sie zur Vereinheitlichung und Zentralisierung der Datenübermittlung beitragen.

Beispiele:

  • Die Beiträge zur Basiskrankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung werden weiterhin durch die Krankenkassen an das BZSt übermittelt.
  • Die elektronische Lohnsteuerbescheinigung muss weiterhin durch den Arbeitgeber gem. § 41b EStG übermittelt werden.

Die Nichtvornahme der Datenübermittlung nach Ablauf von sieben Jahren ist plausibel, da nach dieser Frist eine Änderung oder Nachholung einer Steuerfestsetzung nicht mehr in Betracht kommt und so Verwaltungsaufwand reduziert wird. Es ist jedoch im Einzelfall individuell zu überprüfen, ob nicht eine Datenübermittlung vorzunehmen ist.

4.2 Neueinführung des § 93c Abs. 2 AO

Im Regierungsentwurf vom 9.12.2015 sind die ursprünglich angedachten Rechtsfolgen des § 93c Abs. 2 AO (sofortige Korrektur falsch bzw. unzutreffend übermittelter Datensätze) im Abs. 3 enthalten. Abs. 2 regelt hingegen, dass die datenübermittelnde Stelle Datensätze nicht mehr übermitteln muss, wenn sie nach Ablauf des siebten Jahres erkennt, dass sie nicht zur Datenübermittlung verpflichtet worden war.

Auswirkungen: Dies trägt einerseits zur Rechtssicherheit bei; andererseits lassen sich hierdurch falsch ergangene Bescheide schneller ändern bzw. neuerteilen.

4.3 Neueinführung des § 93c Abs. 3 AO

Die ursprünglich in Abs. 2 geregelten Rechtsfolgen sind jetzt im Abs. 3 geregelt. Hiernach ist die mitteilungspflichtige Stelle bei Erkenntnis, dass die übermittelten Datensätze falsch bzw. unzutreffend gewesen sind, bis zum Ablauf des siebten Jahres des auf dem Besteuerungszeitpunkt folgenden Jahres zur unverzüglichen Korrektur bzw. Stornierung durch eine Neuübermittlung des Datensatzes verpflichtet. 

Auswirkungen:

Durch die Verpflichtung fehlerhafte Datensätze unverzüglich durch Datenneuübermittlung zu korrigieren wird die Rechtssicherheit bzw. Rechtswahrheit gestärkt. Auf fehlerhaften Daten basierende(Einkommen-)steuerbescheide können so schneller geändert werden.

4.4 Neueinführung des § 93c Abs. 4 AO

Die im ersten Referentenentwurf geplanten Verspätungsgelder i.H.v. 10 EUR pro angefangenen Monat für eine verspätete Übermittlung der Datensätze sind ersatzlos gestrichen worden. Stattdessen enthält § 93c Abs. 4 AO eine Befugnisnorm, die es der Finanzverwaltung ermöglicht zu überprüfen, ob die mitteilungspflichtige Stelle ihre Übermittlungspflicht erfüllt hat und der Inhalt des Datensatzes den jeweiligen Vorgaben entspricht.

Auswirkungen: 

Das ersatzlose Streichen der Verspätungsgelder ist als Entgegenkommen der Finanzverwaltung gegenüber der zur Datenübermittlung verpflichteten Stellen zu werten und begrüßenswert. Wie und ob eine fristgerechte und richtige Übermittlung der Datensätze – bei wiederholter verspäteter bzw. unrichtiger Übermittlung – durchzusetzen ist, erscheint derzeit noch ungewiss. Eine spätere Einführung des o. g. und zunächst abgeschafften Verspätungsgeldes erscheint zukünftig nicht ausgeschlossen.

4.5 Neueinführung des § 93c Abs. 5 AO

Der neben dem Verspätungsgeld vorgesehener Haftungstatbestand für falsch bzw. unvollständig übermittelte Datensätze i.H.d. entgangenen Steuer ist ebenfalls ersatzlos gestrichen worden. Stattdessen enthält § 93c Abs. 5 eine Zuständigkeitsnorm, die dem zur Abnahme der Daten verpflichteten Finanzamt ebenfalls die Befugnis einräumt, die Erfüllung der Datenübermittlungspflichten i.S.d. § 93c. Abs. 4 AO zu überprüfen.

Auswirkungen:

Der Wegfall der Haftung für die entgangene Steuer, die aufgrund falsch übermittelter Datensätze nicht festgesetzt worden ist, ist ebenfalls zu begrüßen, da es sich hierbei um eine unbillige Härte gegenüber der datenübermittelnden Stelle (insbesondere durch die Ermessenreduzierung auf Null beim Erlass des Haftungsbescheides) gehandelt hätte. 

Haftungstatbestand durchgesetzt werden.

4.6 Neueinführung des § 93c Abs. 6-9 AO

Innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches darf die Finanzbehörde die ihr übermittelten Daten nur für die Erfüllung der ihr durch § 93c AO zugewiesenen Aufgaben verwenden (vgl. Abs. 6). Eine Verwendung der Daten über diesen gesetzlich geregelten Umfang hinaus ist unzulässig (vgl. Abs. 7). Der letzte Absatz enthält eine Regelungsausschluss der Absätze 1-7 des § 93c AO hinsichtlich Datenübermittlungspflichten anderer Gesetze. Die im ersten Gesetzentwurf vorgesehene Einführung der Absätze 10-11 ist nicht mehr aktuell.

5. Änderung des § 122 AO ("Bekanntgabe von Verwaltungsakten")

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen am § 122 AO sind im Gesetz vollständig enthalten. Die Einfügung des neuen § 122 Abs. 2b AO betrifft die elektronische Bekanntgabe von Steuerbescheiden. Hiernach können Steuerbescheide dem Steuerpflichtigen elektronisch über ELSTER bekanntgegeben werden, wenn die Zustimmung des Steuerpflichtigen dazu vorliegt. Sobald der Steuerbescheid abgerufen werden kann, erfolgt der Versand einer Benachrichtigungsmail. Der so versendete Steuerbescheid gilt drei Tage nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn die Benachrichtigung nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; der Nachweis der Bekanntgabe obliegt der Finanzbehörde.

Im Regierungsentwurf vom 9.12.2015 ist zudem die Neueinführung des § 122 Abs. 2b AO vorgesehen gewesen. Dieser sieht vor, dass mit Zustimmung des Steuerpflichtigen Verwaltungsakte durch Datenabruf nach Datenfernübertragung an den Steuerpflichtigen oder an einem von ihm benannten Dritten (i. E. ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe) bekanntgegeben werden können. Für den Abruf muss sich der Steuerpflichtige bzw. der von ihm benannte Dritte authentifizieren. Analog zu Papierbescheiden gilt die Zustellungsfiktion auch bei elektronisch bekanntgegebenen Steuerbescheiden. 

Auswirkungen: Die elektronische Bekanntgabe von Steuerbescheiden unter zur Hilfenahme einer Benachrichtigungsmail stellt einen konsequent beschrittenen Weg zur Digitalisierung der Steuerverwaltung dar, der der Lebenswirklichkeit vieler Steuerpflichtiger entsprechen dürfte. Dennoch sollte – zu mindestens zum jetzigen Zeitpunkt – eine parallele Weiterführung der Papierbekanntgabe von Steuerbescheiden weiter fortgeführt werden.

6. Neueinführung des § 122a AO ("Bekanntgabe von Verwaltungsakten durch Bereitstellung zum Datenabruf")

Durch die oben dargestellte Änderung des § 122 AO ist die Neueinführung eines § 122a AO unabdingbar geworden. Dieser ist in sechs Absätze unterteilt und regelt die Bekanntgabe von Steuerbescheiden im Fall einer Bereitstellung zum Datenabruf.

Wie bereits unter § 122 AO ausgeführt, kann die Bekanntgabe eines Steuerbescheides nach Einwilligung des Beteiligten (im Gesetzentwurf noch als "Steuerpflichtiger" bezeichnet) durch Datenabruf durch Datenfernübertragung gegenüber dem Steuerpflichtigen bzw. einem von ihm benannten Dritten erfolgen vgl. Abs. 1). Diese Einwilligung kann mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen werden; sie gilt erst als widerrufen, wenn der Finanzverwaltung der Widerruf zugegangen ist (vgl. Abs. 2). Der ursprünglich vorgesehene Abs. 3 (Benachrichtigung bei elektronischer Bekanntgabe des Verwaltungsaktes) ist ersatzlos gestrichen worden.

Beim Abruf der Daten hat sich der Steuerpflichtige bzw. der von ihm benannte Dritte gem. Abs. 4 zu authentisieren. Die Regelungen des § 122 AO zur Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes gelten gem. Abs. 4 auch für elektronisch bekanntgegeben Verwaltungsakte, u. a. Steuer-, Feststellungs-, Steuermess-, und Zinsbescheide. Diese gelten drei Tage nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung der Daten als bekannt gegeben.

Auswirkungen:

Die Möglichkeit Steuerbescheide zukünftig elektronisch abzurufen bzw. durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe abrufen zu lassen, ermöglicht die Anpassung von Arbeitsabläufen der Steuerverwaltung an solche, die in Unternehmen und privat bereits seit längerer Zeit durchgeführt werden. Sofern die Benachrichtigungspraxis wirksam und unstreitig umgesetzt werden kann, beschleunigt dies die Arbeitsabläufe von Steuerbürgern und Steuerberatern gleichermaßen. Die Prüfung von Steuerbescheiden und das Einlegen entsprechender Rechtsmittel kann schneller umgesetzt werden. Um den Bedürfnissen der nicht-Technik-affinen Generation weiter gerecht zu werden, sollte eine vollständige Umstellung der Benachrichtigungspraxis auf die elektronische Benachrichtigung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

7. Änderung des § 149 AO ("Abgabe der Steuererklärungen")

Abs. 1 bleibt im Gesetz unverändert. Hingegen wurde die Abgabepflicht für Steuererklärungen von Steuerbürgern, die nicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet sind, auf den 31.7. des Folgejahres verlängert.  Die Änderung des Abs. 3 sorgt für eine Verlängerung der Abgabefrist von Steuererklärungen, die durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertreten werden, bis zum letzten Tag des Monats Februars des Folgejahres (analog § 93c Abs. 1 AO).

Auswirkungen: Analog zum koordinierten Ländererlass der obersten Finanzbehörden der Länder erfolgt eine grundsätzliche Verlängerung der Abgabefrist bis einschließlich zum 28. Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraumes-/bzw. Punktes folgenden Kalenderjahres. Der Grund hierfür ist die gleichmäßige Auslastung der vorherig genannten Berufsgruppen sowie eine zeitlich angemessene Bearbeitung der anvertrauten Erklärungen. Gleichermaßen entfällt die Bearbeitung alljährlich zum Jahresende gestellter Fristverlängerungsanträge.

7.1 Neueinführung des § 149 Abs. 4 AO

Die Änderungen durch die Neueinführung des § 149 Abs. 4 AO sind im Gesetz beibehalten worden. Hiernach besteht ungeachtet der allgemeinen Verlängerung der Abgabefrist der Steuererklärungen besteht – analog zum koordinierten Ländererlass – für die Finanzbehörden die Möglichkeit, Steuererklärungen vorzeitig anzufordern. Hierzu gehören insbesondere die Erklärungen von Steuerpflichtigen, bei denen Vorauszahlungen herabgesetzt werden, Außenprüfungen vorgesehen sind bzw. Betriebe eröffnet bzw. beendet werden. Die in Satz 3 vorgesehene "Zufallsauswahl" von vorzeitig angeforderten Erklärungen sorgt für eine gerechte Verteilung vorzeitig angeforderter Erklärungen. Das im ersten Referentenentwurf noch unscharf als "hohe Abschlusszahlung" (§ 149 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. d bzw. Buchst. e) bezeichnet worden ist, wird im neuesten Regierungsentwurf auf 25% der festgesetzten Steuer bzw. 10.000 EUR Abschlusszahlung konkretisiert. Die anderen Kriterien, die zur Vorabanforderung von Steuererklärungen führen, sind inhaltlich nachvollziehbar und ausreichend konkretisiert. 

Auswirkungen: Die Gründe für eine Vorabanforderung sind verbindlich und nachvollziehbar im Gesetz geregelt. Die in Abs. 4 Satz 2 vorgesehene Frist von drei Monaten ab vorzeitiger Anforderung der Steuererklärung eröffnet dem Steuerberater gleichzeitig die faire Chance, die Bearbeitung der angeforderten Erklärung durchzuführen. Die fehlende Notwendigkeit einer Begründung zu einer zufallsgestützten Vorabanforderung einer Steuererklärung stellt eine zu mindestens fragwürdige Vereinfachung für die Finanzbehörden dar, die ggf. jede vorzeitige Anforderung mit diesem Argument begründen möchten. Die Konkretisierung des zunächst unscharfen Kriteriums "hohe Abschlusszahlung", die in den Fachgesprächen regelmäßig kritisiert worden ist, ist begrüßenswert, da es der Beraterschaft ermöglicht die Vorabanforderung von Erklärungen zu antizipieren und den Mandanten darüber zu informieren.

7.2 Neueinführung des § 149 Abs. 6 AO

Die derzeit in Pilotprojekten getesteten "Kontingentierungsverfahren" sollen für einen kontinuierlichen Eingang von Steuererklärungen bei den Finanzbehörden sorgen. Dieses ist zum jetzigen Zeitpunkt freiwillig und steht hinsichtlich der Einrichtung ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der Landesfinanzbehörden. Eine Anwendung des Abs. 4 Satz 3 ist entsprechend ausgeschlossen.

Auswirkungen: Durch den Pilotcharakter des Kontingentierungsverfahrens sowie der Tatsache, dass derzeit nur zwei Landesfinanzbehörden daran teilnehmen (NRW und Bayern), ist die Aussagekraft dieses Verfahrens derzeit noch gering. Es erscheint jedoch eine vielversprechende Maßnahme zu sein, um die gleichmäßige und fristgerechte Bearbeitung von Steuerklärungen zu ermöglichen und so die Arbeitsbelastung auf Ebene des Finanzamtes und des Steuerberaters zu glätten.

8. Änderung des § 152 Abs. 1-2 AO ("Verspätungszuschlag")

Der § 152 AO ist im Gesetz im Vergleich zum Gesetzentwurf der am stärksten veränderte Paragraph. Abs. 1 bleibt weiterhin unverändert. Der geänderte Abs. 2 bezieht in seiner geänderten Fassung das Verschulden eines gewillkürten Vertreters in die Vorschrift mit ein. Des Weiteren ergeben sich maßgebliche Änderungen, wann ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist. Sofern nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. zum Zeitpunkt der vorzeitig angeforderten Steuererklärung die Steuererklärung abgegeben worden ist, ist der Verspätungszuschlag festzusetzen.

Auswirkungen: Die Vorschrift soll zu einer Entlastung der Finanzverwaltung beitragen, da die frühere streitanfällige Ermessensentscheidung über die Festsetzung und Höhe eines Verspätungszuschlages  nicht mehr länger die Gerichte beschäftigen wird. Des Weiteren sorgt die Neuregelung des Verspätungszuschlages für Gerechtigkeit zwischen Nachzahlung und Erstattung, die aus einer verspätet abgegeben Steuererklärung folgen: In beiden Fällen sind Verspätungszuschläge festzusetzen.

8.1 Neueinführung des § 152 Abs. 3-7 AO

Der im Gesetz geänderte Abs. 3 normiert die Ausnahmetatbestände des vorherigen Absatzes ("Absatz 2 gilt nicht"). Dieser sieht folgende Ausnahmetatbestände vor:

  • Die Finanzbehörde hat die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 AO verlängert oder dies rückwirkend getan,
  • die Steuer wird auf null Euro oder einen negativen Betrag (Steuererstattung) festgesetzt,
  • die festgesetzte Steuer übersteigt nicht die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge,
  • bei jährlich abzugebenden Lohnsteueranmeldungen.

Der sich hieran anschließende Abs. 4 regelt die Festsetzung des Verspätungszuschlags bei mehreren erklärungspflichtigen Personen. Hiernach kann die Finanzbehörde entscheiden, ob sie den Verspätungszuschlag gegen einen der erklärungspflichtigen Personen, gegen mehrere oder gegen alle erklärungspflichtigen Personen festsetzt. Bei Festsetzung gegen mehrere Personen sind diese Gesamtschuldner des Verspätungszuschlags. Bei Fällen des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. A ist der Verspätungszuschlag vorrangig gegen die erklärungspflichtige Person des § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 AO festzusetzen.

Die Höhe des festzusetzenden Verspätungszuschlags ist im Gesetz in Abs. 5 geregelt und auf mind. 0,25% der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch auf 10 EUR festgelegt worden. Neu eingeführt wurde Satz 3 innerhalb dieses Absatzes: Hiernach berechnet sich der Verspätungszuschlag bei einem Erklärungspflichtgen, der von der Finanzbehörde erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden ist, nur für Monate, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben. Bei verspätet abgegebenen Feststellungserklärungen (Abs. 4) sind ebenfalls 0,25% der festgesetzten Steuer als Verspätungszuschlag zu entrichten; der Mindestzuschlag beträgt jedoch mindestens 25 EUR (ursprünglich 50 EUR) pro angefangenen Monat. Analog hierzu wurde der Verspätungszuschlag für Erklärungen zu gesondert festzustellenden einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftssteuerpflichtigen Einkünften der Mindestbetrag des Verspätungszuschlags auf 25 EUR abgesenkt (ursprünglich 50 EUR).

Die Festsetzung entfällt gleichermaßen bei vierteljährlich oder monatlich abzugebenden Steueranmeldungen (Abs. 8). Die übrigen Änderungen sind ausschließlich formalistischer Natur und dienen der Anpassung der Reihenfolge der Absätze.

8.2 Änderung des § 152 Abs. 9-10 AO

Abs. 9 bleibt dem Grunde nach unverändert. Gemäß Abs. 10 sollen Korrekturen bei der Steuerfestsetzung oder der Feststellung sich ebenfalls auf die Bemessung des Verspätungszuschlages auswirken. Eine Korrektur unterbleibt jedoch dann, wenn die o. g. Mindestbeträge weiterhin festzusetzen sind. Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen erfolgt nicht bei gegenüber den Hauptzollämtern abzugebenden Steuererklärungen.

Auswirkungen: Der neue Abs. 3 enthält spürbare Entlastungen für die ansonsten zu weitreichende Anwendung des § 152 AO. Insbesondere die Ermessenreduzierung auf Null bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen in Erstattungs-/oder Nullfestsetzungen wurde von vielen Beteiligten während des Gesetzgebungsverfahrens kritisiert. Gleichermaßen ist es für die Finanzbehörde in den Fällen des § 152 Abs. 3 Nr. 2 und 3 bei pflichtgemäßer Ermessensausübung möglich, einen Verspätungszuschlag festzusetzen; insbesondere dann, wenn der Erklärungspflichtige seine Steuererklärungspflichten in der Vergangenheit verletzt hat. Durch die Schaffung des Satzes 3 innerhalb des Absatzes 5 und gleichzeitiger Halbierung des festzusetzenden Verspätungszuschlages auf 25 EUR wird eine Billigkeitsregelung geschaffen, die Steuerpflichtige betrifft, die bis zur Übersendung der Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht von ihrer Abgabeverpflichtung wussten. Dies wird zunehmend Rentner betreffen, deren zu versteuerndes Einkommen durch Rentenerhöhungen den Grundfreibetrag überschreitet. Eine Anwendung dieser Billigkeitsregel für Steuerpflichtige, die sich ihrer Abgabeverpflichtung bewusst sind, ist nicht vorgesehen.

9. Änderung des § 163 AO ("Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen")

§ 163 AO wird um Regelungen zur Bestandskraft von Verwaltungsakten ergänzt. Bislang konnten bei Verwaltungsakten für Billigkeitsmaßnahmen nicht die §§ 164, 165, 172 ff. AO angewendet werden. Bei der geänderten Fassung des § 163 AO sind die Korrekturnormen für Verwaltungsakte anwendbar (vgl. Abs. 3). Mit Endgültigkeit der Steuerfestsetzung entfällt der Vorbehalt des Widerrufs (vgl. § 163 Abs. 3 Satz 4 AO).

Auswirkungen: Durch die geplante Änderung des § 163 AO wird die Lücke zwischen dem positivistisch geregelten Vorbehalt der Nachprüfung und der bislang nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Billigkeitsmaßnahme des § 163 AO geschlossen. In der Entwurfsfassung des § 163 AO stehen folgende Entscheidungen aus Billigkeitsgründen bereits kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt des Widerrufs:

  • konkludente, aber nicht als eigenständig getroffene Billigkeitsmaßnahme,
  • Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung,
  • vorläufige Steuerfestsetzung mit Bedeutung für die Billigkeitsmaßnahme.