Zweites Bürokratieentlastungsgesetz ist beschlossen

Nach dem Bundestag hat am 12.5.2017 auch der Bundesrat dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz seine Zustimmung erteilt. Damit können insbesondere kleinere Betriebe und Handwerker in Kürze von den beschlossenen Erleichterungen profitieren.

Bereits im Juli 2015 wurde ein Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft gesetzt. Erfreulicherweise ist diesem Gesetz nun der "Bürokratieabbau 2.0" ( Zweites Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie - BEG II) nachgefolgt. Allerdings haben die darin enthaltenen steuerlichen und außersteuerlichen Entlastungen einen gefühlt viel zu geringer Umfang - doch immerhin ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Zumal es im federführenden Ausschuss noch zu weiteren praxisrelevanten Änderungen kam.

Schnellüberblick

Zunächst ein kurzer Überblick über die für die Praxis wesentlichen Punkte, die im Gesetz enthalten sind:

  • Wegfall der Aufbewahrungspflicht für Lieferscheine;
  • Anhebung der Betragsgrenze für eine quartalsweise Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen von 4.000 auf 5.000 EUR;
  • Erhöhung des Schwellenwerts für umsatzsteuerliche Kleinbetragsrechnungen von 150 auf 250 EUR;
  • Vereinfachte Fälligkeitsregelung für Sozialversicherungsbeiträge.
  • Erhöhung zu den Aufzeichnungspflichten für GWG von 150 auf 250 EUR;
  • Erhöhter Grenzwert von 72 EUR Tageslohn für die Lohnsteuerpauschalierung.

Diese und weitere Änderungen werden nachfolgend im Detail mit ihren Auswirkungen auf die Praxis erläutert. Ziel des Gesetzes ist es, bürokratische Hemmnisse und Verfahrensabläufe für Unternehmen abzubauen. Gedacht ist dabei an kleine Unternehmen, insbesondere Handwerksbetriebe, mit 2-3 Mitarbeitern. Die Entlastungen sollen sich auf ein Volumen von knapp 363 Mio. EUR belaufen.

Abgabenordnung

Für zugegangene Lieferscheine wird die Aufbewahrungsfrist künftig bereits mit dem Erhalt der Rechnung enden. Gleiches gilt für abgesandte Lieferscheine - deren Aufbewahrungszeit wird mit dem Versand der Rechnung ablaufen. Dies gilt allerdings nicht, wenn Lieferscheine im Einzelfall als Buchungsbelege herangezogen werden (§ 147 Abs. 3 Sätze 3 und 4 AO).

Der Bundesrat sprach sich zunächst gegen diese Änderung aus. Da Lieferscheine oftmals Bestandteil einer Rechnung sind, müssten diese mit aufgewahrt werden; es ergäbe sich somit keine entlastende Wirkung. Zudem sind Lieferscheine eine gute Grundlage um einen Steuerbetrug bei Bargeschäften aufzudecken. Doch letztlich hat auch der Bundesrat hierzu seine Zustimmung erteilt

Einkommensteuergesetz

Die Koalitionsfraktionen haben in einem Änderungsantrag noch eine Erleichterung bei den Aufzeichnungspflichten für sofort abgeschriebene GWG in das Gesetz eingefügt. Künftig werden Aufzeichnungen nur noch erforderlich, sofern der Wert des Wirtschaftsguts 250 EUR übersteigt. Zu den Aufzeichnungspflichten selbst ist es inhaltlich zu keiner Änderung gekommen; es wurde lediglich die bisherige Wertgrenze von 150 EUR maßvoll angehoben (§ 6 Abs. 2 Satz 4 EStG). Die neue Wertgrenze wird erstmals für Wirtschaftsgüter gelten, die nach dem 31.12.2017 angeschafft, hergestellt oder in ein Betriebsvermögen eingelegt werden (§ 52 Abs. 12 Satz 3 EStG).

Aktuell sind Lohnsteueranmeldungen quartalsweise abzugeben, wenn die abzuführende Lohnsteuer mehr als 1.080 EUR, aber nicht mehr als 4.000 EUR beträgt. Der letztgenannte Betrag wird ab 2017 auf 5.000 EUR erhöht werden (§ 41a Abs. 2 Satz 2 1. HS EStG). Dies führt zu einer gewissen Entlastung bei den Arbeitgebern, entlastet aber auch die Finanzverwaltung.

Wie bereits im 1. Durchgang vom Bundesrat angeregt, kam es auch zu einer Erhöhung der Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte; anstelle eines durchschnittlichen Tageslohns i. H. v. 68 EUR wird ab 2017 ein Wert mit 72 EUR gelten. Diese Anpassung entspricht der Erhöhung des Mindestlohns auf 8,84 EUR (§ 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

Umsatzsteuergesetz

Neu mit in das Gesetz aufgenommen wurde ein Haftungsausschluss in den Fällen des echten Factoring. Zuvor hatte der BFH (Urteil v. 16.12.2015, XI R 28/13, Haufe Index 9124091) eine Haftung des Abtretungsempfängers (Factor) für möglich angesehen, wenn ihm liquide Mittel zufließen. Durch die gesetzliche Regelung wird die bisherige Verwaltungsregelung in Abschnitt 13c.a Abs. 27 UStAE festgeschrieben (§ 13c Abs. 1 Satz 4 und 5 UStG).

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung

Für die Praxis von großer Relevanz wird die Anhebung der umsatzsteuerlichen Wertgrenze für Kleinbetragsrechnungen sein. Diese steigt von 150 auf 250 EUR an (§ 33 UStDV); im Gesetzentwurf war zunächst nur ein Wert mit 200 EUR vorgesehen. Diese längste überfällige Anpassung ist vor allem bei der Abrechnung von kleinen, häufig vorkommenden Barumsätzen von Vorteil, insbesondere im Handel mit Waren des täglichen Bedarfs.

Handwerksordnung

Die spezielle Zielrichtung des BEG II zeigt sich auch in den Änderungen der Handwerksordnung. Damit wird ein zusätzlicher Impuls für die Digitalisierung im Handwerk verknüpft.

Handwerkskammern haben zurzeit noch keine klare Rechtsgrundlage für eine elektronische Kommunikation mit ihren Mitgliedern, weshalb Rundschreiben, Veröffentlichungen, etc. oftmals noch in Papierform ergehen. Künftig können in der Handwerksrolle auch Webseiten und Email-Kontaktdaten gespeichert werden. Flankierend wird in diesem Zusammenhang gesetzlich ausgeschlossen, dass die Daten zur Wohnanschrift des Betriebsinhabers bzw. Betriebsleiters sowie deren elektronische Kontaktdaten im Rahmen einer Einzelauskunft übermittelt werden (§ 6 Abs. 2 HwO).

Mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 HwO wird die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen im Bereich des Handwerksrechts erweitert. Dies betrifft vor allem die Ausstellung des Europäischen Berufsausweises und die Anerkennung von Berufsqualifikationen entsprechend der Richtlinie 2013/551EU. Dies gilt auch für einen sog. Vorwarnmechanismus, mit welchem über das Verbot oder Einschränkungen bei der Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten bzw. über gefälschte Berufsqualifikationsnachweise EU-weit informiert werden kann.

Durch eine geänderte Formulierung wird klargestellt, dass zur Prüfung der Eintragung in die Handwerksrolle nicht nur eine Pflicht zur Vorlage von Nachweisen der dort aufgeführten Auskunftsgegenstände besteht, sondern dass sich die Pflicht auf alle relevanten Dokumente erstreckt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 HwO).

Neu ist eine 6-Monatsfrist für eine Eignungsprüfung (§ 50b Abs. 5 Satz 2 HwO). Damit wird eine Regelung in der novellierten EU/EWR-Handwerk-Verordnung v. 18.3.2016 übernommen werden.

Klarstellend wird aufgeführt, dass Aufgaben der Handwerkskammern, soweit sie Kursmaßnahmen und Prüfungen betreffen, auf einem staatlichen Bildungsauftrag beruhen. Dies betrifft insbesondere Umschulungsmaßnahmen, Meisterkurse und diverse Sachkundenachweise (§ 91 Abs. 1 Nr. 7a HwO).

Die Veröffentlichung von Bekanntmachungen von Handwerkskammer in den digitalen Medien wird den bisher üblichen Veröffentlichungen in Printmedien oder durch Aushänge gleichgestellt (§ 105 Abs. 2 Nr. 12 und § 106 Abs. 2 Satz 2 HwO).

Die Anlage D zur Handwerksordnung wird umfangreich erweitert. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass zukünftig vermehrt auch Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit oder Migrationshintergrund tätig sein werden. Mit aufgenommen werden künftig vor allem elektronische Kommunikationsdaten (Telefon, Fax, E-Mail), private Wohnanschriften, Geschlecht und Internetseiten des Handwerkbetriebs.

Sozialgesetzbuch

Es kommt zu einer Änderung bei der Fälligkeitsregelung für Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Beiträge, deren tatsächlicher Wert für den laufenden Monat noch nicht bekannt ist, können demnach anhand des Wertes für den Vormonat beziffert werden. Mit dieser sog. vereinfachten Lösung entfällt die bisherige Schätzung der Werte (§ 23 Abs. 1 Satz 2 ff SGB IV). Allerdings müssen die sich ergebenden Abweichungen zur tatsächlichen Beitragsschuld in der Entgeltabrechnung des Folgemonats rechnerisch noch abgezogen oder addiert werden. Dieses Verfahren ist heute schon als "vereinfachtes Verfahren" in der Entgeltabrechnung programmiert, wird ab 2017 aber von weit mehr Unternehmen genutzt werden können.

Erst später auswirken wird sich eine Änderung im Bereich der sozialen Pflegeversicherung. Denn bis zum 1.1.2018 sollen Einzelheiten für die elektronische Datenübertragung aller für die Abrechnung pflegerischer Leistungen relevanter Daten festgelegt werden. Ziel ist die sichere, beleglose Übermittlung aller Abrechnungswerte zu Pflegedienstleistungen. Gedacht ist neben einer qualifizierten elektronischen Signatur auch an ein zusätzliches authentifiziertes Übermittlungsverfahren, ggf. mittels dem elektronischen Identitätsnachweis im Personalausweis (§ 105 Abs. 2 Satz 2 ff SGB XI).

Weitere Gesetze

Neben diesen konkreten Änderungen wurden noch folgende gesetzlichen Anpassungen beschlossen:

  • E-Government-Gesetz: Mit einem neuen § 3 Abs. 2a E-Government-Gesetz wird die Unterstützung der obersten Bundesbehörden durch die zentrale Bundesredaktion geregelt. Daraus soll eine Verbesserung bei leistungsbegründenden Gesetzen und Verordnungen resultieren. Entsprechende Leistungsinformationen können dann für Portale des Bundes, der Länder bzw. der Kommunen bereitgestellt werden
  • Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung: In Art. 30 Abs. 1 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften wird festgelegt, dass der Bundestag durch die Bundesregierung über den Sachstand bei der standardisierten Bereitstellung von Prozess- und Formularinformationen zu leistungsbegründenden Gesetzen und Verordnungen informiert wird.

Zeitlicher Ablauf

Das ursprünglich geplante Inkrafttreten der Änderungen generell zum 1.1.2017 ist durch Zeitablauf nicht mehr möglich. Stattdessen wird das Gesetz am Tag nach dessen Verkündung in Kraft treten. Da für einen Teil der Änderungen jedoch eine möglichst frühe Wirkung erwünscht ist, kommt es insoweit zu einem rückwirkenden Inkrafttreten zum 1.1.2017. Dies gilt für die Änderungen der Artikel 2, 3, 4, 4a und 5 - also die Änderungen der AO, des EStG, des UStG bzw. der UStDV.

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie v. 29.3.2017

Stellungnahme des Bundesrats v. 23.9.2016

Referentenentwurf zu einem 2. Bürokratieentlastungsgesetz