Verwaltungsgrundsätze 2020: International verbundende Unternehmen

In einem neuen BMF-Schreiben wurden die Verwaltungsgrundsätze 2020 bekannt gemacht. Darin werden die Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen und die Folgen bei Verstößen umfassend dargestellt.

Für international verbundene Unternehmen wird die Frage der Dokumentation von Verrechnungspreisen zwischen den Unternehmen immer bedeutsamer. Die Finanzverwaltung hat in den letzten Jahren nämlich verstärkt ein Augenmerk auf den Bereich der Verrechnungspreise geworfen. Auch die gesetzlichen Bestimmungen sind in den letzten Jahren teils erheblich verschärft worden. Weitere Änderungen stehen an. Mit einer Änderung der Rechtslage ist insbesondere durch das ATAD-Umsetzungsgesetz zu rechnen.

Das BMF-Schreiben vom 3.12.2020 (IV B 5 – S 1341/19/10018:001) stellt dabei dar, welche Mitwirkungspflichten für betroffene Steuerpflichtige hinsichtlich von Verrechnungspreisen – aber auch darüber hinaus vor allem bei Sachverhalten mit Auslandsbezug -  bestehen und welche Konsequenzen drohen, wenn diesen nicht angemessen nachgekommen wird. Für betroffene Steuerpflichtige ist eine Auseinandersetzung mit dem Schreiben, welches das Vorgängerschreiben aus dem Jahr 2005 im Wesentlichen ersetzt, nahezu alternativlos. Da das Schreiben auch Aussagen zu allgemein bestehenden Mitwirkungspflichten von Steuerpflichten betrifft, sollte ein Grundverständnis vom Inhalt des Schreibens in jedem Fall bestehen.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 90 AO bestehen verschiedene Mitwirkungspflichten für Steuerpflichtige. Neben allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 1 AO, die alle Steuerpflichtige treffen, gibt es nach § 90 Abs. 2 AO erhöhte Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten. Darüber hinaus bestehen besondere Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 3 AO über Verrechnungspreise zwischen international verbundenen Unternehmen, die die Erstellung einer Verrechnungspreisdokumentation umfassen. Kommen betroffene Steuerpflichtige ihren Mitwirkungspflichten nicht nach, ist die Finanzverwaltung nach § 162 AO zur Schätzung befugt. Insbesondere im Fall des Verstoßes gegen die Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO kann dies zu Hinzuschätzungen nach § 162 Abs. 3 AO und zur Festsetzung von Zuschlägen nach § 162 Abs. 4 AO führen.     

Grundzüge des BMF-Schreibens

Die wesentlichen Aspekte des sehr umfangreichen BMF-Schreibens (25 Seiten in der Originalversion) lassen sich wie folgt zusammenfassen. Es ist dabei unbedingt darauf hinzuweisen, dass nachfolgend die wichtigen Aspekte des Schreibens nur "angerissen" werden können.

Allgemeines (Abschnitt 1.1.)

Neben der allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO bestehen besondere Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 und Abs. 3 AO für bestimmte Sachverhaltskon-stellationen mit Auslandsbezug. Darüber hinaus gelten im Einzelfall besondere einzelsteuergesetzliche und verfahrensrechtliche Regelungen (Tz. 1 – 3). Besonderheiten sind im Strafverfahren zu beachten (Tz. 4). Der Umfang der Mitwirkungspflicht bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (Tz. 5). Ist ein Bevollmächtigter bestellt, soll sich die Finanzbehörde regelmäßig an diesen wenden (Tz. 6). Ein Mitwirkungsverweigerungsrecht in eigener Sache besteht nicht (Tz. 7). Die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach DBA oder eines EU-Schiedsverfahrens entbindet nicht von der Mitwirkungspflicht (Tz. 8).

Besondere Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO (Abschnitt 1.3.)

  • Die gesetzlichen Grundlagen zur den Aufzeichnungspflichten ergeben sich aus § 90 Abs. 3 AO i.V.m. der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung sowie den OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (Tz. 25 – 26). Die Regelungen sind mit EU-Recht vereinbar (Tz. 27).
  • Nur Geschäftsbeziehungen fallen unter § 90 Abs. 3 AO sowie § 1 Abs. 4 AStG (Tz. 28). Gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen hingegen nicht. Zur Prüfung der Frage, ob eine Geschäftsbeziehung oder eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung vorliegt, muss der Steuerpflichtige entsprechend Unterlagen vorliegen (Tz 29).
  • Die Aufzeichnungspflichten gelten auch für Betriebsstätten (Tz. 30). Für diese besteht gleichwohl auch die Pflicht zur Erstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung nach der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (Tz. 31).
  • Auch Mitunternehmerschaften haben die Pflichten zur Aufzeichnung zu erfüllen (Tz. 32). Dies gilt auch, wenn die Mitunternehmerschaft nicht buchführungspflichtig ist. Besonderheiten sind bei Treuhandschaften zu beachten (Tz. 33).
  • Die Aufzeichnungen sind grundsätzlich in deutscher Sprache zu erstellen. Aufzeichnungen in einer anderen Sprache können auf Antrag zugelassen werden Dies gilt insbesondere für Aufzeichnungen in englischer Sprache (Tz. 34).
  • Für die Aufzeichnungen sin die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Dies gilt auch für mündliche oder konkludent abgeschlossene Verträge (Tz. 35). Bei diesen dürfte es freilich in der Praxis oft schwierig sein, den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu bestimmen.
  • Die Aufzeichnungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie das ernsthafte Bemühungen des Steuerpflichtigen belegen, seine Geschäftsbeziehungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz zu gestalten (Tz. 36). Verletzt er seine Aufzeichnungspflichten kann § 162 AO zur Anwendung kommen (Tz. 37). Von den Aufzeichnungspflichten gibt es unter den Voraussetzungen des § 6 GAufzV Erleichterungen (Tz. 38-39).
  • Die Aufzeichnungen müssen eine Sachverhalts- und Angemessenheitsdokumentation umfassen. Im Rahmen der Sachverhaltsdokumentation hat der Steuerpflichtige Aufzeichnungen über Art Inhalt und Umfang seiner Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen sowie über die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen zu erstellen (Tz. 40). Tz. 41 stellte sodann beispielhaft dar, welche Art von Informationen aufgeführt werden können. Steuerpflichtige, die das erste Mal eine Aufzeichnung zu erstellen haben, können sich an dieser Tabelle entlanghangeln. Zumal die Aufzeichnungen so ausgestaltet sein müssen, dass sich ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit einen Eindruck von der Wertschöpfung in der Unternehmensgruppe verschaffen kann (Tz. 42). Die abgewickelten Geschäftsbeziehungen sind hierbei betragsmäßig zu benennen (Tz. 43).
  • In der Angemessenheitsdokumentation sind darzustellen, dass die Geschäftsbeziehungen dem Fremdvergleichsgrundsatz standhalten (Tz. 44). Der Steuerpflichtige muss die Eignung der tatsächlich angewendeten Verrechnungspreismethode bzw. des hypothetischen Fremdvergleichs sowie die Angemessenheit der Preise darlegen (Tz. 45). Die Finanzverwaltung wählt selber aus, welche Verrechnungspreismethode sei für die beste Methode hält (Tz. 46). Ein hypothetischer Fremdvergleich ist nur unter engen Voraussetzungen anzuerkennen (Tz. 47). Darzustellen sind die Verträge, die tatsächlich abgeschlossen worden sind (Tz. 48), maßgeblich ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Tz. 49). Eine Angemessenheitsdokumentation, die auf Planungsrechnungen zurückgreift, ist näher zu belegen (Tz. 50). Für die Durchführung der Angemessenheitsprüfung sin die steuerlich relevanten Unterlagen und Bilanz aller Beteiligten vorzulegen (Tz. 51). Die Verrechnungspreisrichtlinien des Steuerpflichtigen und der Unternehmensgruppe sind Bestandteil der Aufzeichnungen (Tz. 52). Werden Informationen aus Datenbanken herangezogen, müssen diese durch die Finanzverwaltung prüfbar sein (Tz. 53).
  • Bestimmte Steuerpflichtige haben im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation auch ein Stammdatendokumentation zu erstellen, um der Finanzverwaltung einen Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit von multinationalen Unternehmensgruppe zu geben (Tz. 54). Deswegen ist insbesondere ein Weltumsatz von mehr als EUR 100 Mio. im vorangegangenen Wirtschaftsjahr im Unternehmen als Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe erforderlich (Tz. 55). Die erforderlichen Angaben im Rahmen der Stammdatendokumentation sind aus § 5 GAufzV ersichtlich (Tz. 56 – 59). Auch hier kann bei Nichterfüllung der Aufzeichnungspflichten ein Zwangsgeld oder ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden (Tz. 60).
  • Ob die Finanzverwaltung die Aufzeichnungen zur Verrechnungspreisdokumentation zur Vorlage verlangt, liegt im Ermessen der Finanzbehörde (Tz. 61-62). Die gesetzliche Vorlagefrist von 60 Tagen bzw. 30 Tagen bei außergewöhnlichen Geschäften beginnt mit der Bekanntgabe der Aufforderung (Tz. 63). Der Steuerpflichtiger hat für die Einhaltung der Frist Sorge zu trage (Tz. 64). Im Einzelfall können Fragen zu den Verrechnungspreisen auch vor der Vorlage der Gesamtdokumentation erörtert werden (Tz. 65). Die Finanzverwaltung kann eine Ergänzung der Aufzeichnungen anfordern, wenn dies erforderlich ist (Tz. 66).

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und Zuschläge (Abschnitt 2)

  • Legt der Steuerpflichtiger die erforderlichen Unterlagen nicht dar, ist die Finanzverwaltung zu Schätzung befugt (Tz. 67). Tz. 68 stellt klar, wer die Feststellungslast für Tatsachen hat. Diese Tz. Sollte im Einzelfall durchaus genauer geprüft werden. Die folgenden Ausführungen betreffen weitere allgemeine Ausführungen zur Schätzung (Tz. 69 – 74).
  • Ein Schätzungsbescheid kann nichtig sein, wenn die Finanzverwaltung eine Strafschätzung vorgenommen hat. Den tatsächlichen Verhältnissen muss die Schätzung nicht entsprechen (Tz. 75).
  • Verstößt der Steuerpflichtige gegen seine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen in Fällen mit Auslandsbezug nach § 90 Abs. 2 AO, gehen Unsicherheiten zu seinen Lasten. Bei großen Verstößen kann der für den Steuerpflichtigen ungünstigste Sachverhalt angenommen werden (Tz. 76). Bei Verrechnungspreisfällen ist der Gewinn so zu schätzen, wie er sich bei einem unter Fremden angemessenen Verrechnungspreis ergeben würden (Tz. 77-78). Schätzungen dürfen auch vor der Inanspruchnahme von internationaler Rechts- und Amtshilfe erfolgen (Tz. 79).
  • Verstößt der Steuerpflichtige gegen seine Pflichten im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen hat der Steuerpflichtige die Beweislast dafür, dass es zu keiner Einkünfteminderung gekommen ist (Tz. 80). Die verspätete Erstellung von Aufzeichnungen kann sich gegen den Steuerpflichtigen auswirken (Tz. 81).
  • Zentrale Bedeutung hat Tz. 82, da dieser Abschnitt darstellt, wann Aufzeichnungen unverwertbar sind. Dies ist der Fall, wenn sich ein sachverständiger Dritter innerhalb einer angemessenen Zeit nicht den Sachverhalt und die Fremdüblichkeit prüfen kann. Unverwertbar sind Aufzeichnungen insbesondere, wenn eine Sachverhaltsdokumentation fehlt oder der Sachverhalt falsch dargestellt wird, die Angemessenheitsdokumentation fehlt oder die Fremddaten nicht zum Funktions- und Risikoprofil passen; die Angemessenheitsanalyse keine hinreichende Begründung der Vergleichbarkeit enthält oder die Anwendung der gewählten Verrechnungspreismethode nicht dargestellt wird. Steuerpflichtige ist dringend geraten, eine vorliegende Verrechnungspreisdokumentation anhand dieser Kriterien zu prüfen. Eine Entscheidung über die Verwertung betrifft andere Prüfungsgegenstände nicht (Tz. 83). Stellt die Finanzverwaltung die Unverwertbarkeit fest, hat sie den Steuerpflichtigen darauf hinzuweisen und Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (Tz. 84-85).
  • Verstößt der Steuerpflichtige gegen seine Aufzeichnungspflichten, kann ein Schätzungsrahmen vollständig zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden (Tz. 86). Die Schätzung kann in einem Verständigungs- oder Schiedsverfahren überprüft und berichtigt werden (Tz. 87). Schätzungen und Zuschläge kommen auch in den Fällen des § 6 GAufzV in Betracht.
  • Tz. 89 stellt verschiedene rechtliche Folgen der Festsetzung eines Zuschlags  nach § 162 Abs. 4 AO dar. Ein Zuschlag kommt nicht in Betracht, wenn die Nichterfüllung der Pflicht durch den Steuerpflichtigen entschuldbar ist (Tz. 90).

Aufhebung von Verwaltungsregelungen (Abschnitt 3)

Tz. 91 stellt sodann dar, dass das BMF-Schreiben vom 12.4.2005, BStBl. I 2005, S. 570 (die vorhergehenden Verwaltungsgrundsätze-Verfahren) in Teilbereichen weiterhin anzuwenden ist.

Fazit

Das  vorliegende BMF-Schreiben hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits ist es sehr informativ und insofern ist es angezeigt, dass sich jeder betroffene Steuerpflichtige eingehend mit dem Schreiben auseinandersetzt. Dies gilt zumal für die Anforderungen, die an eine Verrechnungspreisdokumentation zu stellen sind. Andererseits sind viele der Ausführungen sehr zu Gunsten der Finanzverwaltung. Dies ist insofern kritisch zu sehen, als dies auch Aspekte betrifft, die sich nicht aus dem Gesetz ergeben. Leider ergibt sich nur selten die Gelegenheit, dass der BFH Fragestellungen im Zusammenhang mit Verrechnungspreisen zu entscheiden hat. Man einigt sich in der Praxis denn doch, bevor der Fall zu Gericht getragen wird. Zu einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, wie sie in dem BMF-Schreiben dargelegt wird, wird es deshalb nur selten kommen.

BMF, Schreiben v. 3.12.2020, IV B 5 - S 1341/19/10018 :001

Schlagworte zum Thema:  Mitwirkung, Schätzung